
Gerhard Retter ist Maître und Sommelier.
© Eva Kelety
Comeback: Gerhard Retter und Kolleg:innen über den Blauen Wildbacher
Ein Stück Heimat und mit nur 522 Hektar eine wahre steirische Nische. Wohlwollende Stimmen zum Blauen Wildbacher.
von redaktion
14. August 2022
Eine Rebsorte, die polarisiert und über die es sich zu sprechen lohnt. PROFI hat bei drei gebürtigen Steirern nachgefragt, was den Blauen Wildbacher ausmacht: Gerhard Retter, Iris Giessauf und Sebastian Russold im Interview.
PROFI: Wofür steht für Sie die Rebsorte Blauer Wildbacher?
Retter: Er ist ein ungehobener, manchmal leider auch ungehobelter Schatz der österreichischen Weinkultur.
Russold: Als gebürtiger Steirer hat man Sauvignon, Schilcher und Kürbiskernöl im Blut.
Giessauf: Für mich persönlich bedeutet die Rebsorte Heimat – Schilcher gibt es nur in der Steiermark und daher denke ich immer direkt an daheim, sobald ich eine Flasche in der Hand habe oder danach gefragt werde. Ich bin ein Riesenfan des Schilchersturms. Ein Sturm-Transport nach Köln ist leider sehr schwierig, da man die Flaschen nicht richtig verschließen kann.

© Fotografie Frank Schoepgens
Wie sehen Sie die Rebsorte Blauer Wildbacher im Vergleich zu anderen?
Retter: Er hat die Möglichkeit, eigenständig mit ungeheurem Potenzial der nächste Hype zu werden! In der Hoffnung, dass er es unverfälscht übersteht.
Russold: Da der Wildbacher eher auf der rustikalen, säurebetonten Seite ist, wirkt er für viele als Rotwein oder Roséwein befremdend. Liebe auf den ersten Schluck ist eher selten zu erleben bei dieser Rebsorte. Nichtsdestotrotz können die unterschiedlichen Weinstile des Wildbachers einerseits zu Speisen brillieren, andererseits als leichter Solist oder als Spritzer/Schorle eine tolle Erfrischung sein.
Giessauf: Der Wein selbst stand für mich lange als klassischer Brettljausen-Wein fest. In letzter Zeit findet man aber auch immer wieder sehr spannende Versionen von Weinbauern, die den Wein mit Maischestandzeit oder als Rotwein, Frizzante oder Pet Nat ausbauen.
»I’m a Blauer Wildbacher lover because…
… it’s fresh, knackig and pure.«
Iris Giessauf, »Esser Gasthaus« in Köln
Eine Rebsorte, die polarisiert…
Giessauf: Er ist keine »Everybody‘s Darling«-Rebsorte – allein aufgrund der Säuregradation – das muss man schon mögen. Ich muss immer dran denken, dass mein Papa gesagt hat: »Iris, nach dem dritten Glaserl stellen sich die Zehennägel nicht mehr hoch.«

© Anna Kauker
Sind zum Teil zu viele Vorurteile präsent?
Retter: Die Rebsorte kann nichts für die Masse an mittelmäßigen Weinen der Region … Leider geht‘s meist um‘s schnelle Geld vor Ort! Buschenschank und Souvenirwein … aber wer geht den steinigen Weg und gibt dem Wildbacher, was er braucht? Und das ist Zeit, beste Lagen und Zuwendung, die weiter reicht als bis zum Ertrag.
Russold: Der Wildbacher ist oftmals nicht bekannt. Viele kennen Schilcher, wissen aber nicht, dass es der Blaue Wildbacher ist. Für einige ist der Schilcher einfach zu sauer, wobei es, wie bei allem, solche und solche gibt.
Giessauf: Bei mir in Köln ist die Rebsorte einfach nicht bekannt genug, um über Vorurteile zu sprechen.
»I’m a Blauer Wildbacher lover because…
… I love the unique flavour profil and that you can surprise people with it.«
Sebastian Russold, »Kölner Weinkeller«
Welche Vorzüge hat die Rebsorte Blauer Wildbacher für Sie?
Retter: Die Säure, das eigenständige Aromenprofil und die Authentizität!
Russold: Blauer Wildbacher zeigt seine Größe im Schaumwein- und Süßweinbereich. Es gibt sehr gute Schaumweine, die als Aperitif einen charaktervollen Start bieten können und die Süßweine aus dem Wildbacher passen hervorragend zu Erdbeer- oder Rhabarberdesserts. Auch im Naturweinbereich kann der Wildbacher mit seinem Charakter punkten.
Sehen Sie im Moment bestimmte Trends bei Ihren Gästen oder aber auch bei Ihren Kollegen?
Russold: Es sind mehrere Trends derzeit deutlich erkennbar: weniger Alkohol, mehr Regionalität, Nachhaltigkeit im Weinbau. Ich denke, dass der Wildbacher hier eine gute Nische finden wird.
Retter: So ist es – nachhaltig und autochthon sind Trumpf!
»I’m a Blauer Wildbacher lover because…
… he is a echta Steira!«
Gerhard Retter, Maître und Sommelier
Portrait Blauer Wildbacher
Autochton: Ja
Ursprung: Ein Heunisch-Sämling, nahe verwandt mit dem Blaufränkisch
Hauptanbaugebiete in Österreich: Weststeiermark
Rebfläche: 522 ha
Aromen: Rote Johannisbeeren, Rhabarber, Himbeeren, Blutorangen, Cassis
Säure: Hoch
Alkohol: 11 bis 12 Vol.-%
Intensität: Von Rosé bis zum Rotwein
Verwendung: Schilchersekt oder-Frizzante, Schilcher (Rosé), Rotwein, Schilchersturm, Schilcherjunker
Synonym: Schilcher (wenn Rosé)
Pairing: Als Aperitif, zu typisch bodenständigen Speisen wie Brettljause oder Backhendl
Serviertemperatur: 9 bis 11 Grad Celsius

Lesenswert

Christian Blaskovits
© Christina Häusler
Interview
»Die Planung einer Foodhall erfordert eine ausgewogene Balance zwischen Ästhetik, Funktionalität und Nachhaltigkeit«
Christian Blaskovits, Geschäftsführer des Immo-Unternehmens SoReal, gewährt im PROFI-Interview Einblicke in die Planung und Realisierung von Österreichs erster Foodhall »Gleisgarten«.

Franz-Josef Gritsch
© Gregor Semrad
Wein
Das Weingut FJ Gritsch kündigt den Ausstieg aus der »Vinea Wachau« an
Der Wachauer Spitzenwinzer setzt in Zukunft ausschließlich auf das DAC-Klassifizierungssystem.

»Wienerwald«-Geschäftsführer Thies Borch-Madsen bei der Eröffnung des neuen Restaurants in Torfhaus.
© Sven Schomburg Fotografie
Interview
»Es spricht nichts gegen Expansionspläne ins benachbarte Ausland«
Thies Borch-Madsen möchte einer gastronomischen Legende neues Leben einhauchen. Vor vier Wochen hat er das Deutschland-Comeback von »Wienerwald« eingeläutet. PROFI verrät er, was den neuen vom alten »Wienerwald« unterscheidet und welche Zukunftspläne er für die Kultmarke hat.

Die MS Artania von Phoenix Reisen.
© sea chefs
Schiff
Juliane Bayerwald: »Am meisten gefällt mir das Crew-Leben«
Advertorial
Als Assistant Maitre d’Hotel an Bord der MS Artania von Phoenix Reisen steht Juliane Bayerwald dem Maitre d’Hotel stellvertretend zur Seite. Gemeinsam führen und motivieren sie nicht nur das Service-Team, sondern sind auch verantwortlich für die Einhaltung von Sauberkeit, Sicherheits-, Umwelt- sowie Hygienerichtlinien. PROFI weiß, was ihr an ihrem Job besonders gefällt und welche Stationen sie vor ihrer Zeit an Bord durchlaufen hat.

© Zan Wrue/Unsplash
Wein
Deutsche Winzer solidarisieren sich mit israelischen Weingütern
Die Solidariätskampagne »#thetasteoffriendship« soll die kulturelle Verbundenheit durch Wein in den Vordergrund rücken.

Karin Niederer, Managing Partnerin Kohl & Partner
© Hannes Pacheiner
Trend
Karin Niederer: »Durch Angebote im und rund um den Wald können sich Betriebe und Regionen von anderen Destinationen abheben«
PROFI stellt drei Fragen an Karin Niederer, Managing Partnerin Kohl & Partner, zum Thema Wald: USP für Hotels, wie Wetter Waldbaden beeinflusst und wo man sich als Waldbademeister:in oder Naturführer:in ausbilden lassen kann.
Meist gelesen

Die Absolventengemeinschaft Tiroler Fachberufsschule für Tourismus und Handel Landeck im Gespräch.
© Victor Malyshev
Event
Event-Tipps: 7 außergewöhnliche Gänge, Rotwein in der Hofburg und offene Türen in Landeck
Die wichtigsten und spannendsten Veranstaltungen der kommenden Tage und Wochen.

Helmut Gramer, Präsident Steirischer Sommelierverein, Foto beigestellt
Wein
Helmut Gramer: »Ein:e gute:r Sommelier verkauft nicht nur Wein, er/sie will mit Weinen arbeiten, die der eigenen Philosophie entsprechen«
Der Präsident des Steirischen Sommelierverein verrät im Interview, inwiefern der Weinbau für die Steirer:innen auch ein Stück ihrer Kultur ist und welche Besonderheiten die Steiermark vorweisen kann.

Interview
Marc Thümmel: »Was ist schlimmer als die Frage: war ich jetzt auf Mallorca oder Korsika?«
Der General Manager des »TOP Hotel Hochgurgl« spricht im Interview mit Falstaff PROFI über die Premiere des FIS Alpine Skiweltcup in Hochgurgl, logistische Herausforderungen auf 2.150 Metern, wie man sich als Luxusresort heutzutage positionieren muss und die berühmte Tiroler Gastfreundschaft.

Weinbauern müssen dieses Jahr eine geringere Ernte in Kauf nehmen.
© Andrea Cairone/Unsplash
Weinbau
Weltweite Weinproduktion sinkt auf niedrigsten Stand seit 1961
Italien wird den Prognosen zufolge seine Spitzenposition als weltweit größter Weinproduzent verlieren.

Sanjiv Singh und David Holder, Foto beigestellt
Interview
David Holder: »Man braucht viel Talent, um die Rezepte so zuzubereiten, als ob der Kunde bei Ladurée in Paris wäre«
David Holder, Präsident von Ladurée, und Sanjiv Singh, Business Director »Ingolstadt Village«, erzählen im PROFI-Interview, warum es ausgerechnet in den »Villages« der »The Bicester Collection« drei »Ladurée Salons de Thé« gibt, was es mit dem kürzlich eröffneten allerersten »Salon de Thé« in Deutschland auf sich hat und wie es mit Ladurée in Zukunft weiter geht.

Emmanuel Rosier, Projektleitung Prozesse und Operations bei CCM3 Hospitality Consulting, Foto beigestellt
Wein
Emmanuel Rosier: »Die Steiermark hat es geschafft, eine Identität zu kreieren, die von der Welt bewundert wird«
Steiermark, ein Paradies für Weinkenner:innen und Sommeliers, lockt mit einer Fülle an Aromen und Terroirs, die ihresgleichen suchen. Emmanuel Rosier, CCM3 Hospitality Consulting und Almgasthof Windischgrätzhöhe in Bad Gastein, spricht mit PROFI über die Kunst Geschichten zu erzählen, umweltfreundlichere Praktiken im Weinbau und die Besonderheiten des Weinlands Steiermark.
Der Newsletter für echte Profis
Be inside and take your chance! Regelmäßige Karriere-Updates aus Gastronomie und Hotellerie, kostenlos in Ihr Postfach!