Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter © Schloss Gobelsburg

Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter

© Schloss Gobelsburg

Das bringt das neue Klassifikationssystem für österreichische Weinbergslagen

Ein bedeutender Schritt in der österreichischen Weinlandschaft: Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter, spricht über Österreich im internationalen Kontext, über die Unterschiede zum französischen Klassifizierungssystem und die Zukunft der Weinindustrie.

von Alexandra Gorsche
31. August 2023

PROFI: Die österreichische Weinlandschaft erhält offizielle Klassifizierungsmöglichkeit für Weinbergslagen. Der langjährige DAC-Prozess, der im Jahr 2003 mit dem Weinviertel DAC seinen Anfang nahm, wurde erfolgreich abgeschlossen. Mit der Einführung des Thermenregion DAC ist das Herkunftssystem für österreichischen Wein nun vollständig. Ab der Ernte 2023 werden die ersten DAC-Weine aus dem niederösterreichischen Weinbaugebiet erhältlich sein. Welchen Vorteil sehen Sie für Österreich im internationalen Kontext?
Michael Moosbrugger: Das Grundfundament der Arbeit der ÖTW fußt auf der Überzeugung, dass Herkunft und deren gemeinsame Vermarktung innerhalb einer Winzergemeinschaft im Kontext der Österreichischen Weinwirtschaft die sozialste und demokratischste Form der Vermarktung von Wein ist. Sozial deshalb, weil schwächere Betriebe immer von der Arbeit der stärkeren überproportional profitieren. Demokratisch deshalb, da es einen gemeinschaftlichen Konsens über Herkunftsbegriffe geben muss. Herkunft und deren Vermarktung hat allerdings auch Nachteile. Wenn man bedenkt: Auf der DAC-Gebietsebene agieren wir mit einer noch einigermaßen überschaubaren Anzahl von 18 Begriffen. Auf der Ortsebene kommen wir österreichweit schon auf 900 Ortsnamen und auf der Ebene der Lagen (Rieden) sprechen wir von rund 4.300 Herkunftsbegriffen österreichweit. Hierbei den Überblick zu bewahren, ist selbst für österreichische Expert:innen schwierig, für Fachleute im Ausland schier aussichtslos.

Der Vorteil für die österreichischen Winzer:innen besteht bei Klassifikationen in einem Kommunikationsvorteil. Das ist der Aspekt, den die Franzosen schon frühzeitig erkannt haben, dass es in einem komplexen Umfeld mit einer sehr hohen Anzahl von Begriffen leichter ist, »Klassen« und deren spezifischen Qualitätsversprechen zu kommunizieren. Konkret: Wenn in New York ein Kellner zum Tisch geht und eine Flasche Ried Heiligenstein präsentiert, dann ist dem amerikanischen Weinliebhaber wahrscheinlich der Heiligenstein kein Begriff. Heiligenstein ist ein Lagenname unter 4.300 anderen Lagen in Österreich und der Weinliebhaber erhält keine Information, ob es sich um etwas mittelmäßiges oder etwas Besseres handelt. Aber wenn der Sommelier diesen Wein als einen Grand Cru Österreichs präsentieren kann, weiß er, dass dieser Weingarten im Kontext des Österreichischen Weins etwas Besonderes ist. Das ist der spezifische Vorteil einer Klassifikation in der gesamten Kommunikationskette – vom Weingut zum Importeur, vom Importeur zum Sommelier, vom Sommelier zum Konsumenten. Nachsatz: Voraussetzung, dass dies auch wirklich so funktioniert ist, dass unsere Arbeit an der Klassifikation seriös, glaubhaft und nachvollziehbar ist.

Der Vorteil für die österreichischen Winzer:innen besteht bei Klassifikationen in einem Kommunikationsvorteil. © Anna Stöcher
Der Vorteil für die österreichischen Winzer:innen besteht bei Klassifikationen in einem Kommunikationsvorteil.
© Anna Stöcher

Die erste Lagenklassifizierung ist frühestens mit 2025 zu erwarten – wie werden bis dahin die heimischen Winzer:innen unterstützt?
Die ersten Gebiete haben bereits den Klassifikationsprozess beantragt und beginnen nun mit ihrer Arbeit. Bis alle Unterlagen, Recherchen und Betrachtungen im Zusammenhang mit diesem Prozess zusammengetragen wurden und ausgewertet werden, braucht es Zeit. Als Winzer:innen wissen wir, dass gut Ding Weile braucht, daher ist es besser, dass wir diese Prozesse auch nicht überhastet angehen. Das Zusammentragen und Auswerten der Ergebnisse erfolgt im Ministerium auf neutralem Boden, da – würden diese Dinge innerhalb der RWK’s gemacht werden – es möglicherweise zu Vorwürfen der Parteilichkeit von RWK Mitgliedern kommen könnte. Dem wurde vorgebeugt indem man den Prozess in unabhängige Hände übergibt. Ich denke, die Ernte 2025 wird die frühest denkbare Ernte sein, für die die ersten Verordnungen zu erwarten sind – möglicherweise dauert es auch noch ein wenig länger. Bis dorthin ist es auch gut, dass sich Winzer:innen und RWK’s intensiv mit all den Fragen von Klassifikationen auseinandersetzen

Könnten Sie uns die Rolle der Regionalen Weinkomitees (RKW) und des Nationalen Weinkomitees (NKW) bei der Klassifikation der Weinbergslagen näher erläutern? Wie werden die besten Rieden ausgewählt und klassifiziert?
Der Prozess läuft folgendermaßen ab:

  1. Ein Regionales Weinkomitee (RWK) beschließt eine Klassifikation der Rieden in seinem Gebiet durchführen zu wollen und stellt den Antrag dafür an das NWK.
  2. Das NWK bestätigt diesen Wunsch und leitet den Klassifikationsprozess ein.
  3. Das RWK erarbeitet in Zusammenarbeit und Einbindung der Ortsweinbauvereine eine Liste der Rieden, die in diesem Zusammenhang zu prüfen sind (das heißt, für diese sind dann ein Klassifikationsdokument zu erstellen). Nicht alle Rieden werden analysiert, da viele entweder zu groß sind (35ha) oder es keine Weine aus diesen Rieden am Markt sind, gewisse Rieden wollen die Winzer auch gar nicht klassifizieren lassen, da die Weine daraus sehr früh und sehr günstig vermarktet werden.
  4. Die Klassifikationsdokumente werden im Ministerium unter Einbindung und in Zusammenarbeit mit dem RWK erstellt.
  5. Im Klassifikationsdokument wird die Bedeutung eines Weingartens im Kontext seines Gebietes und seiner Winzer:innen und seiner Weine aus den unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet und analysiert und dient als objektivierbare Entscheidungshilfe für das RWK.
  6. Das RWK beschließt auf dieser Grundlage die klassifizierten Rieden und übermitteln den Bescheid an das NWK.
  7. Das NWK prüft und bestätigt diesen Bescheid.
  8. Der Minister für Land- und Forstwirtschaft verordnet die klassifizierten Rieden.
Die Ried Berg im Traisental.© Robert Herbst
Die Ried Berg im Traisental.
© Robert Herbst

Inwiefern unterscheidet sich das österreichische Klassifizierungssystem vom französischen?
In Frankreich haben sich historisch unterschiedliche Klassifikations-Systeme etabliert. Dies hat vor allem mit strukturellen Fragen des Marktes und der Verkaufsmechanismen zu tun. In Bordeaux wurden die Weingüter klassifiziert, in der Champagne die Dörfer und an der Côte D’Or wurden die Lagen klassifiziert. Die österreichische Weinwirtschafts-Struktur ist der der Burgund am Ähnlichsten, daher gleichen sich viele Aspekte der der Burgund. Man könnte glauben, dass durch die derzeitige Popularität der Burgund man nun ein Kopie zu etablieren versucht. Dies ist gänzlich falsch, da Anfang der 90er-Jahre, als die ÖTW die Klassifikation für Österreich zu entwickeln begonnen, Bordeaux das Maß aller Dinge war und die Burgund eher als Symbol für Inkonsistenz und Kompliziertheit galt.
Dies bedeutet, dass die Strukturen der Burgund ähnlich sind, was dazu führt, dass sie weltweit gut kommunizierbar und verständlich sind. Es gibt natürlich auch feine Unterschiede insbesondere in der Evaluierung der Lagen, da diese in der heutigen Zeit leichter nachvollziehbar sind und sich auch – sollte sich die Bedeutung von Weingärten in Zeiten des Klimawandel signifikant ändern – leichter adaptierbar sind. Das System ist dynamischer geworden – zeitgemäßer.

Wie sehen Sie die Zukunft der österreichischen Weinindustrie in Bezug auf diese Klassifikation? Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Qualität und Vielfalt der österreichischen Weine?
Eine Klassifikation ist ein Instrumentarium für Winzer:innen, die ihre Weine über Herkunft vermarkten. Das heißt für alle anderen Winzer:innen, die Rebsortenweine oder Markenweine machen, ist das Thema irrelevant. Es ist kein Nachteil und es betrifft sie nicht. Aber für diejenigen, die an die gemeinschaftliche Vermarktungsform von Herkunft glauben ist ein hilfreiches Instrument, um die Nachteile in der Herkunftsvermarktung ausgleichen zu können.

Die Ried Steinbühel in der Verkostung.© Anna Stöcher
Die Ried Steinbühel in der Verkostung.
© Anna Stöcher

Nach Frankreich ist nun Österreich das Land, dass die Lagenklassifizierung umsetzen wird. Kein leichter Weg. Wie sehen Sie die internationalen Entwicklungen von anderen bedeutenden Weinländern/-regionen? Werden weitere Länder nachziehen?
Deutschland schaut bereits intensiv auf unsere Arbeit, alle Weinbaunationen weltweit werden sich für dieses einzigartige Projekt in den nächsten Monaten und Jahren interessieren, da es bisher seit fast 100 Jahren niemandem gelungen ist, eine Klassifikation in einem Weinbauland erfolgreich zu etablieren. Wenn wir in Österreich eine Methodik gefunden haben, die uns dies ermöglicht, werden alle Augen auf uns gerichtet sein und dies wird der österreichischen Weinwirtschaft sehr viel Aufmerksamkeit bringen.

Lesenswert

Jaimy Reisinger © Sophie Kirchner

Jaimy Reisinger © Sophie Kirchner

Interview

Jaimy Reisinger: Über Mut, beinhartes Feedback und ein zu großes Ego

Wie die »Falstaff Young Talents Cup«-­Champions die Gastrowelt ­revolutionieren. PROFI startet eine neue Serie, in der die strahlenden Sieger vor den Vorhang geholt ­werden. Jaimy Reisinger, erste ­Siegerin in der ­Kate­gorie »Patisserie 2019«, macht den Anfang.

Florian Mayer © fotohofer.at

Florian Mayer © fotohofer.at

Employer Branding

Florian Mayer: »Unser Ziel ist es, die negativ assoziierten Eigenschaften der Hotellerie in Pluspunkte umzuwandeln«

Der »Familux Resorts«-Geschäftsführer setzt auf emotionales Recruiting und innovative Mitarbeiterbindung. Wie er das in der Praxis umsetzt, verrät er im Gespräch mit PROFI.

Nikola Reiter © Reiters Reserve

Nikola Reiter © Reiters Reserve

Interview

Nikola Reiter: »Der Übergang von einem konzerngeführten Hotel zu einem Familienbetrieb war eine enorme Herausforderung«

Das »Reiters Reserve« in Bad Tatzmannsdorf feiert sein 20-jähriges Jubiläum. Hotelière Nikola Reiter spricht im PROFI-Interview über die Errungenschaften in diesen zwei Jahrzehnten, über Investitionen sowie die größten Herausforderungen und wirft dabei auch einen Blick in die Zukunft des Unternehmens.

Alois Gölles © Manufaktur Gölles

Alois Gölles © Manufaktur Gölles

Interview

»Wir machen im Grunde Convenience auf höchstem Niveau«

Alois Gölles, Chef der »Gölles«-Manufaktur verrät im Gespräch mit PROFI, wie seine Leidenschaft für Essig entstanden ist, wie er den Apfel-Balsamico erfunden hat, wie sich Klimawandel und Krisen auf die Essig- und Spirituosenproduktion auswirken und warum es keinen Bananen-Essig braucht.

Wolfgang Michal © Sulzi

Wolfgang Michal © Sulzi

Interview

»Alle Schürzen werden ausnahmslos in Handarbeit hergestellt«

Erst mit einer Schürze sind Köch:innen, das Servicepersonal oder Barkeeper standesgemäß angezogen. Auf die Herstellung von maßgeschneiderte Schürzen für Profis hat sich »Schürzenmacher« Wolfgang Michal spezialisiert. Im Interview mit PROFI verrät er unter anderem, was eine gute Schürze auszeichnet und was sich Kunden wünschen.

Nora Feist © Saskia Uppenkamp

Nora Feist © Saskia Uppenkamp

Female

5 Fragen, die Ihr Female-Employer-Branding auf den Punkt bringen: Die Schlüssel für eine inklusive Arbeitskultur

Um die Geschlechtergleichstellung zu fördern und eine vielfältige Arbeitsumgebung zu schaffen, ist eine authentische Female-Employer-Branding-Strategie entscheidend. Nora Feist erklärt, wie Unternehmen durch gezieltes Storytelling weibliche Talente ansprechen können.

Meist gelesen

Herbert Diess © Privat

Herbert Diess © Privat

Interview

Herbert Diess im Interview: Vom VW-Chef zum Schnapsbrenner, Rinderzüchter und Hotelier

Der ehemalige CEO der Volkswagen AG verrät, was er mit seinen neuen Unternehmen alles vor hat und wie es überhaupt dazu gekommen ist.

Lukas F. Pichler, Andi Kollwentz und Benjamin Mayr © Martin Steiger

Lukas F. Pichler, Andi Kollwentz und Benjamin Mayr © Martin Steiger

Wein

»Del Fabro Kolarik« gewährt reife Einsichten

Der Getränkegroßhändler rückt mit seinem Programm »Selten gut gereift« österreichische Weine und deren Reifepotenzial in den Fokus.

Dominik Oswald © Soulmate

Dominik Oswald © Soulmate

Cocktails

Dominik Oswald: Ein Blick in die Welt der Cocktails

In einem exklusiven Interview erzählt Dominik Oswald, Barchef im »Soulmate«, von seiner Leidenschaft für Bar-Kreationen, die Bedeutung von Atmosphäre und nachhaltigen Praktiken sowie die aufkommenden Trends in der Bar-Szene.

Julia Reingruber © Familux Resorts

Julia Reingruber © Familux Resorts

Interview

Julia Reingruber: »Meine Verantwortung ist es, eine positive und produktive Arbeitsumgebung in unseren Resorts zu schaffen«

Von der Entwicklung des Recruiting-Prozesses bis hin zur Schaffung einer einzigartigen Unternehmenskultur – innovative Ansätze, die Talente ansprechen und binden. Julia Reingruber, Director of Talents and Culture bei den »Familux Resorts«, spricht im exklusiven PROFI-Interview über die »Familux Academy« und die Rolle von externen Persönlichkeiten wie Mike Süsser im Trendscouting.

Georg und Thomas Imlauer © Franz Neumayr

Georg und Thomas Imlauer © Franz Neumayr

Interview

Georg Imlauer: »Wir sind der größte Lehrlingsausbilder in der Salzburger Gastronomie«

Was den Erfolgsfaktor »Family Business« ausmacht, wie ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld aussieht, warum er antizyklische Investitionen tätigt und nicht auf schnellen Erfolg steht sowie natürlich alles zum 25. Jahr Jubiläum des Unternehmens, verrät der Hotelier im exklusiven Interview.

Fabio Agnello und Vitus Lanzer © Tourismusschulen Bad Gleichenberg

Fabio Agnello und Vitus Lanzer © Tourismusschulen Bad Gleichenberg

Wein

Doppelsieg für »Tourismusschulen Bad Gleichenberg« beim Jungsommelier-Wettbewerb 2023/24

Fabio Agnello und Vitus Lanzer überzeugten mit ihrem Fachwissen und ihrer Leidenschaft für Wein die Jury.

Der Newsletter für echte Profis

Be inside and take your chance! Regelmäßige Karriere-Updates aus Gastronomie und Hotellerie, kostenlos in Ihr Postfach!