Der malerische Stadtberg über dem Rhein in Eglisau gehört zu den spektakulärsten Reblagen der Schweiz.

Der malerische Stadtberg über dem Rhein in Eglisau gehört zu den spektakulärsten Reblagen der Schweiz.
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Die Perle am Rhein: Stadtberg in Eglisau

Der Stadtberg in Eglisau hoch über dem Rhein gehört zu den spektakulärsten Weinlagen des Kantons Zürich. Aus dem hinteren Teil der Lage stammen die überregional bekannten Gewächse des Weinguts Urs Pircher, der vordere Teil wurde in einer beispielhaften Neuanlage erst frisch bepflanzt. Hier ist der aufstrebende Weinmacher Matthias Bechtel aktiv.

Nicht einmal dreissig Minuten dauert die Fahrt mit dem Auto von Zürich nach Eglisau. Sie lohnt sich, vor allem für Weinliebhaber. Das kleine Städtchen mit seinen rund 5500 Einwohnern, direkt am Rhein gelegen, beheimatet einen der eindrücklichsten Rebberge der Deutschschweiz. Der Stadtberg, direkt hinter dem mittelalterlichen Stadtkern gelegen, ist stellenweise äusserst steil. So steil, dass wir uns kaum trauen, die schmale Treppe hinabzusteigen, die in die Rebparzelle vor uns führt.

Wir befinden uns im Hinteren Stadtberg, der gemeinsam mit dem Vorderen Stadtberg die Eglisauer Grosslage bildet. Bedeutend mutiger als wir und schon mehrere Schritte voraus ist Gianmarco Ofner vom Weingut Pircher, das den Hinteren Stadtberg seit vielen Jahrzehnten zum grössten Teil bewirtschaftet. Ofner deutet auf die verschiedenen Pflanzen, deren Blüten ins Auge stechen. Gelb blühendes Johanniskraut und violett blühender Dost sind da unter anderem zu erblicken. Ganz unten der türkis schimmernde Rhein.

«80 Prozent Steigung, da geht gar nichts maschinell», sagt Ofner. Gleichzeitig greift er sich eines der feingliedrigen Blätter der Wilden Möhre, die vor ihm wächst, zerreibt es zwischen den Fingern und riecht daran. Seit der Über­nahme des Betriebs von seinem Patenonkel Urs Pircher im Jahr 2022 setzt Ofner auf biologischen Anbau mit leicht biodynamischem Ansatz, wie er es selbst nennt. Als Hauptgrund für diesen Schritt nennt er die Weinqualität. Ofner ist davon überzeugt, dass diese durch die biologische Bewirtschaftung nachhaltig gesteigert wird, denn genau das hat er bei vielen seiner Winzerkollegen erlebt.

Der Stadtberg in Eglisau ist stellenweise extrem steil, was die maschinelle Bewirtschaftung unmöglich macht.

Die ersten Versuche in diese Richtung unternahm er bereits im Jahr 2018 gemeinsam mit seinem Mentor Urs Pircher, der das Weingut über 40 Jahre hinweg prägte und zu einem angesehen Betrieb in der Deutschschweiz entwickelte– fussend auf dem einzigartigen Terroir des Eglisauer Stadtbergs. Kein Wunder, dass Ofner bei solch einem Patenonkel die Leidenschaft für Wein entwickelte. Bereits als Kind half er ihm bei der Weinlese und absolvierte während der Sekundarstufe eine Schnupperlehre im Weingut. Danach hatte ihn das Weinfieber vollends gepackt, erzählt er uns. Es folgten diverse Ausbildungs­stationen in der Schweiz und ein Önologiestudium in Changins, währenddem sich herauskristallisierte, dass er das Weingut seines Patenonkels übernehmen wird.

«An Urs hat mich schon immer fasziniert, wie genau er seine Parzellen und Rebberge kennt», berichtet Ofner. Als wir mit ihm vor dem Rebberg hinter dem Weingut stehen, fährt Pircher mit dem Traktor vorbei – er wohnt noch immer hier und bewässert gerade die Junganlagen des Weinguts, die es aufgrund des trockenen Klimas in Eglisau im Sommer schwer haben. Darunter ein halber Hektar, bestockt mit der deutschen Paradesorte Riesling, die nicht nur weiter oben am Rhein in ihrem Ursprungsland, sondern auch in Eglisau ausserordentlich spannende Weine hervorbringt, wie wir bei der anschliessenden Degustation feststellen. «Der Riesling-Silvaner verschwindet bei uns. Die Sorte ist ein Sensibelchen im Anbau und Riesling oder Räuschling einfach deutlich spannender», sagt Ofner.

Rhein braucht Riesling

Auch im anderen bedeutenden Betrieb am Eglisauer Stadtberg, dem Weingut Bechtel, ist man von der Rebsorte Riesling überzeugt. «Langfristig gesehen hat der Rheinriesling grosses Potenzial hier in Eglisau, finde ich. Mit ihm können wir die Vegetationsphase länger als mit anderen Rebsorten ausschöpfen, was zu mehr Inhaltsstoffen in den Trauben und mehr Komplexität in den Weinen führt», berichtet Winzer Mathias Bechtel. Der gebürtige Bündner kam vor rund 15 Jahren nach Eglisau, arbeitete einige Jahre als Kellermeister im Weingut Pircher und konnte im Jahr 2017 einen kleinen Weinkeller am Vorderen Stadtberg übernehmen.

Wie einst der Hintere Stadtberg in den 1950ern wurde auch der Vordere Stadtberg in den letzten Jahren im Rahmen einer Rebbergmelioration umgestaltet. Aus vielen kleinen Einzelparzellen wurden hierbei drei grosse geschaffen inklusive weitläufigen Biodiversitätsstreifen, Trockensteinmauern und Hotspots für Amphibien und Kleinstlebewesen.

Ein Teil der Lage befindet sich in Bechtels Besitz, den Rest pachtet er zu oder bezieht die Trauben der kleineren Bewirtschafter. Alles, was hier entsteht, verarbeiten zu können, war ihm wichtig, als er sein neues Kellereigebäude plante, das im Jahr 2019 fertiggestellt wurde. Der neue Keller, die Rebbergmelioration, Bechtel ist in den letzten Jahren auf der Überholspur unterwegs. Eigentlich hatte er zwanzig Jahre für diese Entwicklung eingeplant, es ging aber alles ein wenig schneller, wie er uns erzählt.

«Für mich war die Rebbergmelioration eine grosse Chance, um den Rebsortenspiegel an meine Weinstilistik anzupassen. Wir haben jetzt mehr weisse als rote Rebsorten im Anbau, was für den Standort Eglisau absolut Sinn macht, denn der Hintere Stadtberg ist hauptsächlich mit Pinot Noir bepflanzt», berichtet Bechtel. Mit jener Sorte, die auch in seinem Weingut weiterhin die bedeutendste Rolle spielt, denn mit vorzüglichen Pinot-Noir-Gewächsen hat der Eglisauer Stadtberg in den letzten Dekaden sein Renommee erlangt.

Das mag an den sandig-lehmigen, für die Sorte spannenden Böden liegen und dem vergleichsweise trockenen Klima, das für einen Vegetationsvorsprung zu den umliegenden Gemeinden sorgt – vor allem aber an den hiesigen Winzern, die mit all dem vorzüglich umzugehen wissen und im Keller den Ausdruck des Eglisauer Terroirs schonend herauskitzeln. «Die ­extreme Kontinuität, was die Qualität angeht, hat mich von Anfang an hier in Eglisau beeindruckt», sagt Bechtel. Etwas, dem wir nur zustimmen können und das mit Urs Pircher seinen Anfang nahm und heute von Gianmarco Ofner und Mathias Bechtel weitergeführt wird.

Erschienen in
Food Zurich Spezial 2023

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Dominik Vombach
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