Die Rebberge des Weinguts Besson-Strasser im Zürcher Weinland werden seit vielen Jahren biodynamisch bewirtschaftet.

Die Rebberge des Weinguts Besson-Strasser im Zürcher Weinland werden seit vielen Jahren biodynamisch bewirtschaftet.
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Deutschschweiz: Die Goldene Mitte

Die Kantone Zürich, Schaffhausen und Thurgau bilden das Herz des Deutschschweizer Weinbaus. Die meisten Reben in der Region befinden sich hier. Trotz eher homogenem Sortenspiegel sind die Weine im mittleren Teil der Deutschschweiz überaus divers.

So unterschiedlich die Hauptanbaugebiete im mittleren Teil der Deutschschweiz auch sein mögen, einige Dinge haben sie doch gemeinsam. Da wären die Rebsorten Blauburgunder und Müller-Thurgau, die das Gros der Rebflächen in den Kantonen Schaffhausen, Thurgau und Zürich ausmachen, genauso wie der Innovationsgeist der hiesigen Winzer, die malerischen Landschaften und die lange Weinbautradition. Wie vielerorts in Europa sollen die Römer den Weinbau auch ins Herzen der Deutschschweiz gebracht haben, und während des Mittelalters wurde er von den lokalen Klöstern vorangetrieben.

Im Thurgau etwa die Kartause Ittingen im Unteren Thurtal, der grössten Weinbauregion des Kantons und in Schaffhausen vom Kloster Allerheiligen, das laut schriftlichen Zeugnissen spätestens im Jahr 1100 eigene Reben in Hallau besass. Den Wein kelterten die Mönche nicht nur für das Ritual der heiligen Messe, sondern auch für den Eigenbedarf, denn jeder Mönch hatte eine ordentliche Ration Wein zugute. Im Zuge der Reformation gingen die ausgedehnten Rebflächen der Klöster in den Kantonen Zürich und Schaffhausen in den Besitz der jeweiligen Stadtstaaten und der weltlichen Aristokratie über. Ende des 16. Jahrhunderts war die Rebfläche Schaffhausens mit rund 1000 Hektar doppelt so gross wie heute und die Weine des Kantons wurden dank der Rheinschifffahrt auch ins Ausland exportiert.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein gingen Fässer voller Schaffhauser Wein rheinaufwärts über den Bodensee bis nach Bayern, Bregenz und Tirol. Auch die Rebflächen im Thurgau und Zürich waren einst deutlich umfassender, als sie es heute sind. Ende des 19. Jahrhunderts war Zürich mit 5600 Hektar Rebfläche gar der zweitgrösste Weinkanton der Schweiz und im Thurgau waren über 2000 Hektar mit Reben bestockt – in beiden Regionen ist davon heute nur noch ein Bruchteil übrig.

Pinot Noir und Müller-Thurgau sind die prägenden Sorten im mittleren Teil der Deutschschweiz.

Das Zentrum der Deutschschweiz

Mit insgesamt 1367 Hektar machen der Thurgau, Zürich und Schaffhausen gemeinsam über die Hälfte der Deutschschweizer Rebfläche aus. Alleine 607 Hektar hiervon entfallen auf den Kanton Zürich, der damit nicht nur dieses Trio, sondern auch die gesamte Deutschschweiz flächenmässig anführt. Die Rebflächen Zürichs liegen im gesamten Kanton verteilt, vom Zürcher Weinland im Norden über das Unterland, das Winterthurer Weinland und das Limmattal bis hin zum Anbaugebiet Zürichsee im Süden. Auch in der Stadt Zürich selbst wachsen auf rund 14 Hektar in den Lagen Höngg, Sonnenberg und Bürgli Reben, die von fünf Weinbaubetrieben gepflegt werden.

Spannende Produzenten finden sich überall im Kanton, im Zürcher Weinland etwa, wo das Weingut Besson-Strasser seit vielen Jahren biodynamische Spitzenweine erzeugt oder in Eglisau, wo der umtriebige Winzer Mathias Bechtel den hiesigen steilen Stadtberg seit geraumer Zeit mit charakterstarken Tropfen zur Grand-Cru-Lage erhebt. Während die Reben am Eglisauer Stadtberg auf kalkhaltiger Unterlage gedeihen, wachsen sie im Zürcher Weinland auf eher schweren, tonhaltigen Böden und am Zürichsee auf Molasse und ehemaligen Gletschermoränen.

Der Zürichsee ist bekannt für seine Weine aus der alten, weissen Sorte Räuschling. Eine Sorte, die hier bereits seit dem 9. Jahrhundert kultiviert wird, einst fast verschwunden, erlebt sie heute ein Revival. Ein Betrieb, der zu ihrem Erhalt und Aufschwung massgeblich beitrug, ist zweifelsohne das Weingut Schwarzenbach in Meilen, bei dem die Sorte auch heute noch die Hauptrolle spielt.

Wie in der Stadt Zürich wird auch in Schaffhausen städtischer Rebbau betrieben. In den Reblagen Munot und Rheinhalde werden jährlich etwa 20.000 Kilo Trauben geerntet. Eine verschwindend geringe Menge im Gegensatz zu dem, was in der grössten Weinregion des Kantons, dem Klettgau, jährlich eingefahren wird, der mit seinen 389 Hektar rund 80 Prozent der gesamten Rebfläche des Kantons umfasst. Die etwa 249 Hektar des an den Bodensee angrenzenden Thurgaus konzentrieren sich rund um die Kantonshauptstadt Frauenfeld und Weinfelden, wo sie auf tiefgründigen Moränenböden oder wie am Ottenberg auf sandigem Lehm mit vergleichbarem Kalkanteil wie im Burgund gedeihen.

Kaum verwunderlich, dass sich am Ottenberg mit dem Schlossgut Bachtobel, Michael Broger und dem Weingut Wolfer gleich drei Spitzenproduzenten der Region befinden, die allesamt für ihre Weine aus der Burgundersorte Pinot Noir bekannt sind. Wie eingangs erwähnt ist der Blauburgunder die wichtigste rote Rebsorte in allen drei Regionen. Am bedeutendsten sicherlich im Kanton Schaffhausen, wo rund 70 Prozent der gesamten Rebfläche mit ihm bestockt ist – was auch den Übernamen der Region «Blauburgunderland» erklärt. Die Böden sind auch hier kalkreich, was der Sorte zuträglich ist. Winzer Markus Ruch, der vor vielen Jahren als Quereinsteiger in den Kanton kam, wählte aus genau diesem Grund den Klettgau für sein Weingut aus und ist mittlerweile für seine zurückhaltend produzierten Pinots weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Eines von vielen Beispielen für den Innovationsgeist und die Diversität der Winzer im mittleren Teil der Deutschschweiz.

DER mittlere Teil der Deutschschweiz im Überblick

Geografie

Die bedeutendsten Anbaugebiete des mittleren Teils der Deutschschweiz sind Zürich mit 613 Hektar, Schaffhausen mit 478 Hektar sowie der Kanton Thurgau mit 249 Hektar Rebfläche. Die Anbauflächen des Kantons Schaffhausen am nördlichen Rand der Schweiz umfassen die Gebiete Klettgau, Schaffhausen/Reiat, Stein am Rhein im oberen und Buchberg/Rüdlingen im südlichen Kantonsteil. Östlich angrenzend liegt der Thurgau, der in die Regionen Seebachtal, Unteres Thurtal, Untersee, Rheingebiet, Lauchetal und das obere Thurtal unterteilt wird. Unterhalb von Schaffhausen finden sich die Rebflächen des Kantons Zürich, die sich vom Zürcher Weinland im Norden über das Unterland, das Winterthurer Weinland und das Limmattal bis hin zum Anbaugebiet Zürichsee im Süden ziehen. Weinbau wird auch im Kanton Schwyz und Zug betrieben, die zum mittleren Teil der Deutschschweiz zählen.

Böden und Klima

Das Klima im mittleren Teil der Deutschschweiz ist grundsätzlich mild und ausgeglichen, wobei jedes Weinbaugebiet über ein eigenes, spezifisches Mikroklima verfügt. So wirken sich in Zürich der Zürichsee und die Flüsse in den jeweiligen Regionen temperaturregulierend aus. Gleiches gilt für den Bodensee und den Rhein im Kanton Thurgau. Ebenso divers präsentieren sich die Bodenbeschaffenheiten in den jeweiligen Gebieten. Während in Schaffhausen hauptsächlich kalkhaltige, nährstoffreiche Böden zu finden sind, reicht die Bandbreite im Thurgau von sandig-lehmigen und kalkhaltigen bis hin zu Moränenböden. Letztere finden sich auch in Zürich, genauso wie tonhaltige schwere Böden und Molasse.

Traubensorten

Im mittleren Teil der Deutschschweiz werden überwiegend rote Rebsorten kultiviert, wobei die Rebsorte Pinot Noir wie in der gesamten Schweiz dominiert. In Zürich und dem Thurgau liegt ihr Anteil an der Gesamtrebfläche bei rund 50 %, in Schaffhausen bei nahezu 70 % – was den Übernamen der Region Blauburgunderland erklärt. Wichtigste weisse Rebsorte ist in allen drei Gebieten der Müller-Thurgau, die im Jahr 1882 vom Thurgauer Rebzüchter Hermann Müller an der deutschen Forschungsanstalt Geisenheim gezüchtet wurde. Vor allem am Zürichsee wird zudem die lokale weisse Spezialität Räuschling kultiviert.

Rund die Hälfte aller Deutschschweizer Reben befinden sich in den Kantonen Thurgau, Zürich und Schaffhausen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2023

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