Ein Fest der Sinne – dies trifft auf Musik ebenso zu wie auf Kulinarik. Als Weinakademiker und Schlagwerker schlägt das Herz von Oliver Madas für beides.

Ein Fest der Sinne – dies trifft auf Musik ebenso zu wie auf Kulinarik. Als Weinakademiker und Schlagwerker schlägt das Herz von Oliver Madas für beides.
© Ian Ehm

Opernball 2024: Die kulinarischen Geheimnisse der Philharmoniker

Der Tourneeplan als Wegweiser für kulinarische Entdeckungsreisen, ein Italiener mit verborgenem Talent und ein lauter Weinakademiker: Geigerin Alina Pinchas, Posaunist Enzo Turriziani und Schlagwerker Oliver Madas im Porträt.

Im Alter von 13 Jahren stand Enzo Turriziani vor einer Lebensentscheidung: Kochlehre oder Musikkonservatorium? In der Küche zeigte der Mittelschüler aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Rom mindestens ebenso viel Talent wie an der Posaune, die schon Vater und Großvater spielten. Turriziani folgte – gegen den Rat vieler Freunde: »Die sagten, Musik ist unsicher, du hast schon Talent, aber es gibt viel mehr Ristoranti als Orchester, als Koch findest du leichter Arbeit.«

Sieben Jahre später hatte Turriziani seine erste Stelle im Orchestra Sinfonica di Roma, bald wechselte er ins beste Orchester Italiens (Accademia Nazionale di Santa Cecilia), und von dort aus im Jahr 2017 ins »wahrscheinlich beste Orchester der Welt«. Obwohl er vor den Toren Roms gerade erst ein Haus gebaut hatte, bewarb er sich für die freie Solo-Posaunenstelle in Wien. Wer es ins Staatsopern-Orchester schafft, der kann nach drei Jahren in den Verein der Philharmoniker aufgenommen werden. Diese Lebensentscheidung erleichterte, dass seine zukünftige Frau ihn begleitete.

Was ist das  Schöne an der Posaune?

Die Cantabilità, es ist ein Gesangsinstrument, das geräuschvoll und sehr maskulin sein kann, aber auch sensibel und elegant.
– Enzo Turriziani Posaunist im Orchester der Wiener Staatsoper

Kochen ist nun auch ein Rezept gegen Heimweh: »Essen ist Tradition, Kultur und erinnert mich an meine Heimat.« Sein Repertoire an italienischer Küche reichert er gerne mit saisonalen Produkten an. Turrizianis »österreichisch-italienische Fusion-Lasagne« ist mit wildem Hopfen und Speck gefüllt. Und weil nur ein Italiener weiß, wie man Prosciutto macht, reifte auch schon ein niederösterreichischer Schweinsschenkel in seinem Keller. 

Seine Orchesterkollegen sind nicht nur häufige Gäste, sie profitieren auch von Video-Tutorials des Vaters der bald zweijährigen Olivia Tosca. Diese Step-by-Step-Anleitungen haben sich bis zu den Berliner Philharmonikern verbreitet. Augenzwinkernd sagt Turriziani bei der Frage nach dem besten Italiener der Stadt: »Bei mir zu Hause wäre eine gute Adresse.« Vielleicht macht er irgendwann noch seinen Traum von »einem kleinen Artist Restaurant« wahr. Die Posaune könnte er am Herd getrost weglegen: Turriziani ist auch talentierter Tenor, der sein Debüt nicht irgendwo gab. Bei einem Gastauftritt der Blechbläser an der New Yorker Carnegie Hall 2019 legte er mitten in der »Cavalleria Rusticana« plötzlich die Posaune ab und schmetterte die Arie. In Wien singt er bisher nur in seiner Küche.

Der laute Weinakademiker

Die wilden Zeiten sieht man Oliver Madas nicht mehr an, dabei war sein Einstieg ins Schlagzeug klassisch unklassisch: Er spielte in einer Keller-Rockband. Man nannte sich »Emetic«, zu deutsch: Brechmittel – nun ja. Schon damals blitzte Talent durch: »Wenn wir die Verzerrer abgedreht haben und eine Melodie brauchten, bin ich ans Klavier und habe komponiert.« Die Eltern schickten ihn zum Unterricht, der heute 44-jährige Wiener entdeckte seine Leidenschaft fürs Orchester. Nicht ganz überraschend: Der Vater war Posaunist bei den Philharmonikern. Im Jahr 2003 folgte der Sohn in die Oper, 2006 wurde er Philharmoniker, seit 2007 unterrichtet er an der Universität für Musik und darstellende Kunst. 

Als wäre das nicht genug, beschloss er vor Jahren, sein Hobby zu professionalisieren: mit einem Diplomstudium an der Weinakademie. Als sich statt Weinflaschen Theorieunterlagen auf dem Schreibtisch türmten, war nicht nur seine Frau überrascht. Doch was Madas beginnt, gibt er nicht gern auf. Und der Abschluss ging sich aus, bevor der erste seiner zwei Söhne auf die Welt kam. Wiederholen musste er nur die Schaumwein-Prüfung, was seine Frau wegen der zusätzlichen Verkostungen für ebendiese »als Gentleman’s-Tat« wertete. Das Paar teilt Wein- und Musikleidenschaft, Maria Grün ist Cellistin bei den Symphonikern.

Was ist das Schöne an den Schlagwerken?

Die Vielseitigkeit, wir Schlagzeuger sind Allrounder, spielen große Trommel, kleine Trommel, Becken, Triangel und manchmal auch Autohupen und einen Trog mit Geschirr.
– Oliver Madas Schlagwerker im Orchester der Wiener Staatsoper

Orchesterkollegen nennen Madas ihren »Dealer des Vertrauens«, er gibt Kauftipps, lädt zu privaten (Blind-)Verkostungen, stellt für den Philharmonikerball das Weinprogramm zusammen. Viele Winzer kennt er persönlich. Auf einen Lieblingswein reduzieren will Madas seinen Geschmack nicht: »Ich würde von Lieblingsmomenten sprechen, in denen bestimmte Weine gut passen, je nach Umgebung, Landschaft, Essen. Das kann ein exklusiver Wein oder ein einfacher Buschenschank-Wein sein.« Das Wechselspiel von Wein und Musik hat er akademisch untersucht – und in seiner Diplomarbeit Parallelen erkannt: Winzer und Musiker »wollen mit ihrem Produkt vor Publikum bestehen«. Und Wein und Musik »kann man mit Worten beschreiben – aber in Emotion übersetzen muss sie das Publikum für sich selbst«.

Aufgewachsen in einer Musikerfamilie,  begann Alina Pinchas-Küblböck bereits im zarten Alter von vier Jahren mit dem  Studium der Violine. In der Kulinarik findet sie einen Ausgleich und bezeichnet sich selbst als »leidenschaftlichen Foodie«.
© Stefan Gergely
Aufgewachsen in einer Musikerfamilie, begann Alina Pinchas-Küblböck bereits im zarten Alter von vier Jahren mit dem Studium der Violine. In der Kulinarik findet sie einen Ausgleich und bezeichnet sich selbst als »leidenschaftlichen Foodie«.

Foodie auf Tournee

Alina Pinchas wiederum ist das, was manche als »Wunderkind« bezeichnen würden: Mit drei Jahren spielte sie Klavier, mit vier lernte sie Geige, mit fünf gab sie ihr erstes Solokonzert mit Orchesterbegleitung. Für die 35-Jährige selbst ist es einfach Leidenschaft. »Auf der Bühne zu stehen und für Publikum zu spielen, hat mir schon als Kind irrsinnig gefallen«, sagt sie. Zwang war keiner da, Prägung durchaus: Die Mutter war Klavierlehrerin, der Opa Geiger, die jüdische Familie kam, als Pinchas ein Jahr alt war, aus Usbekistan nach Wien. Vom Kindergartenalter an nahm sie Unterricht, ihr Ziel: als Solistin auf der Bühne zu spielen. Das tat sie in jungen Jahren in Europa, Amerika und China – und dann kam das »Aha-Erlebnis«. Das Staatsopern-Orchester suchte Ersatzmitglieder, Pinchas spielte vor und entdeckte eine neue Welt: »Das Zusammenspiel von Musik und Libretto, was im Orchestergraben und oben auf der Bühne passiert, war ein unglaubliches Erlebnis. Das wollte ich nicht mehr missen«. Mit 24 wurde sie als erste Geigerin fix aufgenommen. Die symphonischen Auftritte der Philharmoniker sind Pinchas nun Bühne genug. 

Was ist das Schöne an der Geige?

Sie fühlt sich an wie ein Körperteil von mir, man wächst mit seinem Instrument zusammen.
– 
Alina Pinchas-Küblböck,Erste Violinistin im Orchester der Wiener Staatsoper

Mit ihrem Mann, Thomas Küblböck, der einst Konkurrent für die Orchesterstelle war und nun Kollege ist, verbindet sie die Tourneen mit der zweiten gemeinsamen Leidenschaft, der Kulinarik. »Restaurantbesuche im Ausland planen wir mit dem Dienstplan, reservieren Monate im Voraus«. Das größte kulinarische Erlebnis bisher war ein Besuch im »Le Bernardin« in New York. Als Jungeltern einer Dreijährigen sind solche Abende seltener, Foodie Pinchas verfolgt Köche, Restaurants und Kulinarik-Accounts via Social Media und schwingt selbst den Kochlöffel. Traditionelle Familienküche »gibt es nur bei der Mama«, einzige Ausnahme ist Challah, ein jüdischer Striezel, »bei dem ich endlich den Dreh raus hab mit dem Germteig«, sagt Pinchas. Kollegen verwöhnt sie mit Keks-Kreationen, auch ihre Kuchen sind bekannt und beliebt. Ihr Lieblingsrezept? Gibt es keines, aber »Freunde sagen, dass ich die beste Lasagne mache«. Wenn das Kollege Turriziani erfährt, fordert er Pinchas glatt noch zur Video-Challenge heraus.


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Erschienen in
Opernball Special 2024

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Jasmin Bürger
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