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Rosina Ostler im »Alois«: Zwischen bayerischer Tradition und skandinavischer Innovation

Rosina Ostler ist 31 und hat unlängst in Oslo ihren ersten Stern erkocht. Jetzt hat es sie als neue Küchenchefin des Münchner Fine-Dining-Restaurants »Alois« zurück in die Heimat verschlagen – mit skandinavischen Techniken im Gepäck. 

Der erste Arbeitstag im »Alois« , Dallmayrs Gourmetrestaurant in München, muss für Rosina Ostler ein krasser Kontrast gewesen sein. Opulente Tapeten umrahmen einen Kamin in Marmor, floral gemusterte Stühle thronen auf magentafarbenem Teppichboden. Was die Inneneinrichtung angeht, ist das Sternerestaurant so ziemlich das Gegenteil vom zurückgenommen Skandi Style, der skandinavischen Ästhetik, die die Sterneköchin in den vergangenen Jahren in Norwegen umgeben hat. Es wirkt ein bisschen so, als müsste sie mit ihrer neuen, alten Heimat noch warm werden.

Ein ungewöhnlicher Weg zu den Sternen

Rosina Ostler ist 31, seit Dezember die neue Küchenchefin des Fine-Dining-Restaurant Alois und hat schon viel gesehen. Ihr kulinarischer Werdegang ist ungewöhnlich: Er begann nicht beim Gemüse putzen, sondern im Internet. Während ihres Studiums postete sie Rezepte auf ihrem Blog »Kochherz« und das so liebevoll und überzeugend, dass sie nicht nur Leserinnen und Leser begeisterte, sondern schon bald als Caterer für private Dinner engagiert wurde. Für eine Hobbyköchin klingen ihre Rezepte avantgardistisch und souverän, – alles, nur nicht studentisch. Ihre Idee zur Vorspeise an Heiligabend etwa: Taube mit Kaffee, Roter Bete, Feigen und Mohn.

Ostler, geboren 1992 in München, stammt aus einer Familie mit Herz im Bauch. Die Großeltern passionierte Jäger, gut vernetzt und gern gesehen in der Münchner Nobelgastronomie. Die Mutter kocht noch heute »unübertroffen«, so die 31-Jährige. Schon als Teenager probierte sie sich selbst an Pestos, Pralinen und Marmeladen. Unter Freunden war immer sie diejenige, die gerne Dinner veranstaltete. Die handgeschriebene Rezeptsammlung ihrer Familie, sagt sie, prägen sie bis heute.

Jung, weiblich, zielstrebig

2014 nimmt Ostler an der Kochshow »The Taste« teil und schafft es mit ihren Kreationen als junge Hobbyköchin bis ins Finale. Eine prägende Erfahrung; noch heute hält sie Kontakt mit den Kandidatinnen und Juroren von damals. Ein Jahr später macht sie in Italien einen Master in »Food Culture and Communications«. Doch die Kochschürze legt sie nicht mehr ab. Nach Praktika in Sternerestaurants beginnt sie mit zwei akademischen Abschlüssen, mit Mitte 20, ihre Ausbildung in der »Traube Tonbach« unter Spitzenkoch Torsten Michel. Danach gehts längs durch Europa, Aromenerfahrung sammeln. »Ich fand alles, was mir in der französischen Küche gefehlt hat, wahnsinnig spannend«, sagt sie. Vom Schwarzwald nach Berlin ins »einsunternnull«, von dort weiter in den Norden nach Oslo ins »Maaemo«, drei Sterne. Ihre kulinarische Reise, und ein bisschen Meer, zeigt sie auf ihrem Instagram-Profil. »Food is my universe« schreibt sie in ihrer Bio. 2023 wird ihr Universum noch ein bisschen schillernder: Als Küchenchefin dessen neu eröffneten Ablegers »Mon Oncle« in Oslo wird sie mit ihrem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet.

 

»Alle suchen immer eine Schublade, in die man mich stecken kann«

Seitdem ist Ostler eine von derzeit nur neun deutschen Sterneköchinnen im immer noch triefend männlichen Kosmos der Spitzenküche. Die Arbeitsbedingungen in der Branche gelten als zehrend und nicht gerade familienfreundlich, 60-Stunden-Wochen sind fast schon normal. Rosina Ostler beschreibt ihren Werdegang mit Klarheit und Überzeugung in der Stimme: Sie wollte möglichst schnell vorwärtskommen. Sich als Köchin einen Namen machen. Sterne kochen. »Dieses Ziel vor Augen hat mir geholfen, wenn es mal richtig anstrengend wurde – und ich auf vieles anderes im Leben verzichten musste«, sagt sie.

 

Der Hummer kommt mit Kümmel und Gin.
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Der Hummer kommt mit Kümmel und Gin.

Dass es in der Spitzengastronomie immer noch zu wenige Köchinnen gibt, findet die 31-Jährige so offensichtlich wie bedauerlich. Für sie trotzdem kein Grund, sich auf ihr Geschlecht reduzieren zu lassen. »Alle suchen immer direkt eine Schublade, in die man mich stecken kann«. Gäste sprechen die »femininen Farben« auf den Tellern an – aber erst, seitdem eine weibliche Küchenchefin im Alois kocht. Sie selbst geht über solche Kommentare hinweg oder macht Witze darüber. »Manchmal ist es auch ein Ansporn, unterschätzt zu werden«, sagt sie. Für sie gilt: Sie möchte mit ihrer Leistung glänzen, mit ihrer Kreativität.

Was hat sie zurück nach München verschlagen? Nach zehn Jahren, erzählt Ostler, spürte sie eine Sehnsucht, zurück in die Heimat zu ziehen. Ankommen. Etwas aufbauen. »Dass ausgerechnet hier, in meiner alten Heimat, eine Stelle ausgeschrieben war, hat sich fast ein bisschen angefühlt wie Schicksal«, sagt sie. Die bayerischen Wurzeln hört man ihr heute nicht mehr an. Auf das Gesuch, dass man im Alois einen Nachfolger für den Österreicher Max Natmessnig suche, der innerhalb eines Jahres für das Haus zwei Sterne erkocht hatte, bewarb sich Ostler per Mail.

Französische Basis, bayerisches Wild und eine Prise Nordic Cuisine

Heute, ein paar Monate später, sitzt sie im Gastraum des Alois, direkt über den Feinkosttheken des Dallmayr, in dem sie als Kind mit der Familie den ein oder anderen Nachmittag verbracht hat. Die ersten Abende und einige Pressetermine sind geschafft. Das Feedback der Münchnerinnen und Münchner war bisher positiv – auch dank eines ihres zehnköpfigen Teams. »Wir haben wahnsinnig viele talentierte Leute in der Küche und mir ist es wichtig, alle in den kreativen Prozess mit einzubeziehen«, sagt Ostler. Sie kocht nicht mit Ellenbogen, sondern mit Teamspirit. »Ich stecke voller Leidenschaft und positivem Ansporn und glaube, das ist ansteckend.«

 

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Kulinarisch hat die Sterneköchin von all ihren Stationen der letzten Jahre eine Prise mitgebracht. Aus Norwegen die Inspiration aus Kultur und Natur und skandinavische Techniken. Proteine wurden im Drei-Sterne-Restaurant »Maaemo« in Oslo beispielsweise ausschließlich auf offenem Feuer gegart. Im Alois möchte sie das weitestgehend so beibehalten – so wie beim Hirschkalb aus dem Umland von Regensburg mit Waldpilzen. Regionalität und Saisonalität sind ihr wichtig. Und der Fokus auf das Produkt – von dem sie durch ihre unmittelbare Nähe zum Feinkost Dallmayr immer nur ein paar Meter entfernt ist.

Genau richtig hier

Eine französische Basis als Grundlage ihrer Kreationen kombiniert sie mit skandinavischen Elementen und auch mal den herzhaften Aromen Bayerns. Einen Schweinebraten wird man auf der Karte nicht finden, dafür norwegische, handgetauchte Jakobsmuscheln mit Rosinen und Bottarga. Der Hummer kommt mit Kümmel und Gin. Auch die nordische Liebe zu Eingelegtem und Fermentiertem wird einem begegnen. Für alle Urmünchner Gourmets besteht also doch noch Hoffnung auf eine Portion Sauerkraut.

Die sechzehn Gänge auf dem aktuellen Wintermenü des Alois werden die Handschrift Ostlers erst in den nächsten Monaten vollständig aufgesaugt haben, manche sind noch von Vorgänger Natmessnig. Die Vorderseite des Menüs ziert ein Schwarm fliegender Kraniche, ein glückbringender Zugvogel, der unter anderem in Skandinavien beheimatet ist und in den Wintermonaten in den Süden zieht. Insofern passt Rosina Ostler vielleicht doch genau richtig hier, ins opulente Alois, im Herzen Münchens.


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Nora Voit
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