Die mächtige Fortezza diente früher Verteidigungszwecken. Heute ist sie Sitz einer Enoliteca, in der man Vino Nobile, aber auch köstliches Olivenöl probieren kann.

Die mächtige Fortezza diente früher Verteidigungszwecken. Heute ist sie Sitz einer Enoliteca, in der man Vino Nobile, aber auch köstliches Olivenöl probieren kann.
© Consorzio del Vino Nobile

Vino Nobile Pieve: Montepulciano stellt neuen Lagenwein vor

Vino Nobile zählt zu den traditionsreichen Weinen im zentralen Hügelland der Toskana. Im Vergleich zu den bekannten Nachbarn Chianti Classico und Montalcino hat die Denomination in den vergangenen Jahren etwas an Appeal verloren. Nun versucht man wieder Fuß zu fassen und lanciert mit dem Pieve einen hochklassigen Lagenwein.

Fortezza in Montepulciano im Februar vergangenen Jahres: Das Rednerpult war prominent besetzt, einige der bekanntesten Önologen und Weinbautechniker der Toskana saßen da am Tisch. Sie präsentierten die neue Top-Kategorie des Vino Nobile Pieve anhand von Fassproben des Jahrgangs 2021. Was in anderen Anbaugebieten die UGA (Chianti Classico) oder die MAG (Barolo/Barbaresco, Soave) sind, sind in Montepulciano die Pieve. 

Pieve bedeutet so viel wie Pfarrei und nimmt das Bild der verschiedenen kleinen Kapellen auf, die über das Anbaugebiet des Vino Nobile verstreut sind. Diese Pieve waren identitätsstiftend für die Bewohner der verstreuten Gehöfte. Sie bilden aber auch geologische, geografische und klein-klimatische Eigenheiten, die sie voneinander unterscheiden.

Beim »Bravìo delle Botti«, der immer Ende August stattfindet, wollen Tausende Besucher miterleben, welche Mannschaft das große Fass schneller durch die steilen Gassen rollt.
© Consorzio Vino Nobile
Beim »Bravìo delle Botti«, der immer Ende August stattfindet, wollen Tausende Besucher miterleben, welche Mannschaft das große Fass schneller durch die steilen Gassen rollt.

Diese Unterschiede und der Leopoldinische Kataster aus dem 19. Jahrhundert waren die Grundlage für die Ausformung der insgesamt zwölf Pieve: Cervognano, Cerliana, Caggiole, Sant’Albino, Valiano, Ascianello, San Biagio, Le Grazie, Graccia­no, Badia, Argiano und Valardegna. Dem breiten Weinpublikum und selbst Fachleuten sind diese Namen noch wenig geläufig. Aber es bleibt noch einige Zeit, sich damit vertraut zu machen. Die ersten Pieve-Weine, alle Jahrgang 2021, kommen nicht vor dem Jahr 2025 auf den Markt. 

ZUR TROPHY

Was zeichnet einen Vino Nobile Pieve aus? Der Höchstertrag ist auf 7.000 Kilo pro Hektar begrenzt, der Anteil des Sangiovese muss mindestens ­85 Prozent betragen, die Weinstöcke müssen ein Mindestalter von 15 Jahren aufweisen und der Wein muss mindestens drei Jahre reifen, davon zwölf Monate im Holzfass und zwölf Monate in der Flasche. Vom ersten Jahrgang wird es bescheidene 300.000 Flaschen geben, doch bereits mit dem Jahrgang 2022 steigt die Menge auf 700.000. Das ist rund ein Zehntel der Gesamtproduktion in Montepulciano. Die ersten Proben waren vielversprechend und auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Lagen waren gut erkennbar. 

Ein Renaissance-Juwel 

Montepulciano liegt im Südosten der Toskana an der Grenze zu Umbrien. Die Stadt mit ihren vielen sehenswerten Renaissancebauten zieht sich steil einen Hügel empor. Alljährlich von Ostern bis November füllen sich die steilen Gassen der Stadt mit zahlreichen Besuchern. Sehenswert ist die Piazza Grande, an der das Rathaus, der alte Brunnen und der Dom mit seiner unvollendet gebliebenen Fassade ein meisterliches Renaissance-Ensemble bilden. Unbedingt besichtigen sollte man auch die »Fortezza«, die alte Festung, ganz oben am Hügel. Nicht nur, weil man von dort eine traumhafte Aussicht auf das gesamte Umland hat, sondern auch, weil sich dort die Enoliteca del Consorzio befindet. Das Consorzio ist die Interessengemeinschaft aller ­Vino-Nobile-Produzenten, deren Weine man hier verkosten kann. Und weil die meisten auch Olivenöl erzeugen, kann man auch das hier verkosten, vergleichen und natürlich kaufen. 

Das Rathaus von Montepulciano ist ein wahres Renaissance-Juwel.
© Consorzio Vino Nobile
Das Rathaus von Montepulciano ist ein wahres Renaissance-Juwel.
© Consorzio Vino Nobile

beste Verhältnisse

Vino Nobile hat eine lange Tradition und wurde bereits in der Renaissance von Dichtern besungen. Der Weinbau findet im Wesentlichen an den nach Osten hin zum Chiana-Tal abfallenden Hängen statt. Knapp 2.000 Hektar sind mit Reben bepflanzt, auf 1.200 davon wird Vino Nobile erzeugt, 320 Hektar sind für den Zweitwein Rosso di Montepulciano reserviert. Die Böden um Montepulciano sind im Vergleich zu Montalcino oder Chianti Classico lehmhaltiger, die Weine fallen insgesamt also etwas »kühler« aus. 

Montepulciano zählt eindeutig zu den Gewinnern des Klimawandels. War es früher oft ein Problem, genügend Reife zu erreichen, so können nun die Lehmböden gerade in heißen und trockenen Jahren ihre Vorteile ausspielen: Sie können das Wasser besser halten, die Weine zeigen dadurch mehr Frucht und sind von saftigem Trinkfluss geprägt. 

Gleich außerhalb der Stadtmauer beginnen 
schon die Weinberge.
© Consorzio Vino Nobile
Gleich außerhalb der Stadtmauer beginnen schon die Weinberge.

Wie in den umliegenden Gebieten ist auch in Montepulciano Sangiovese, die sich durch eher helle Farbe, feinen Duft, knackige Säure und kerniges Tannin charakterisiert, die dominante Sorte. Ein Vino Nobile di Montepulciano DOCG muss zu mindestens 70 Prozent aus Sangiovese bestehen. Den Rest dürfen sowohl traditionelle Sorten wie Canaiolo oder Colorino als auch Cabernet, Merlot oder Syrah bestreiten. Der Ertrag ist auf 8.000 Kilo pro Hektar begrenzt und die Reifezeit beträgt zwei Jahre, von denen der Wein mindestens zwölf Monate im Holzfass verbringen muss. Ein Vino Nobile di Montepulciano Riserva DOCG muss ein Jahr länger reifen und zeigt eine kräftigere Struktur. Der saftig-frische Rosso di Montepulciano darf auch nur im Stahltank ausgebaut sein und kommt früher in den Handel. Eine rare Spezialität ist der Vin Santo di Montepulciano, der aus angetrockneten Trebbiano- oder Malvasia-Trauben erzeugt wird und jahrelang in kleinen Holzfässern reift: ein köstlich süßes Elixier! Nicht verwechseln sollte man den Vino Nobile mit dem Sortenwein »Montepulciano«. Der ist dunkel und mächtig und wird in den Abruzzen und in den Marken angebaut. 

Es gibt knapp 80 Betriebe, die Vino Nobile abfüllen. Die meisten von ihnen sind im Consorzio del Vino Nobile di Montepulciano zusammengeschlossen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich einige Leitbetriebe herausgebildet, die mit ihrem Namen für höchste Qualität aus Montepulciano stehen. Dazu gehören in erster Linie Poliziano und Boscarelli, aber auch Bindella, Salcheto, Tre Rose, Dei oder Contucci. Wer großartige Weine aus Montepulciano genießen möchte, sollte sich an diese halten.

Best of Nobile de Montepulciano

Leuchtendes Rubinrot. Elegant duftende Nase nach Walderdbeeren, Kirschen, Edelholz, kaltem Rauch, etwas Zwetschke und rotbackiger Pfirsich, komplex und fein. Am Gaumen mit klarer, strahlender Frucht, eingebettet in engmaschiges, salziges Tannin, präzise, klar, kommt in vielen Schichten, zeigt sehr großes Reifepotential, ist bereits jetzt zugänglich, einzigartiger Nobile!
Toskana, Italien
Leuchtendes Rubinrot. Einladende Nase nach frischer Minze, Walderdbeeren, feinem Fumé, Edelholz, im Nachhall dezente Vanille. Am Gaumen herzhaft, ausgewogen, mit strahlender rotbeeriger Frucht und spannender Zitruskomponente, fließt edel vor sich hin, ausgewogen, tolle Länge.
Toskana, Italien
Tiefdunkles Rubinrot. In der Nase nach Edelholz, Milchschokolade, Blutorange, im Hintergrund etwas Pfefferpulver, sowie Edelholz. Am Gaumen herzhaft, stoffig, mit tollem Saft und gut eingebundenem Holz, kraftvoll, kommt in mehren Schichten, im Nachhall trocken aber nicht trocknend, toller Schmiss und Länge.
Toskana, Italien
Leuchtendes Rubinrot mit granatrotem Schimmer. In der Nase nach Himbeeren, frischen Kirschen und etwas Rosenblatt, im Nachhall nach Blutorange und Vanillezucker. Am Gaumen saftig, mit klarer Frucht, dezente Zitrusnoten, endet auf klarer Fruchtsüße, lange.
Toskana, Italien
Dunkel leuchtendes, elegantes Rubinrot. In der Nase elegant und einladend nach Veilchen, Waldbeeren und Kirschen, im Nachhall etwas Minze und getrocknete Orangenzesten. Am Gaumen elegant, saftig, mit gut integriertem Tannin und toller Fruchtaromatik, herzhaft in Ansatz und Verlauf.
Toskana, Italien
Leuchtendes Rubinrot mit dezent aufhellendem Rand. In der Nase nach reifer Kirschfrucht, Milchschokolade und Unterholz. Am Gaumen mit reifer Frucht, herzhaft-elegantem Eintritt und Verlauf, saftig, geschliffen, fließt fein dahin, trinkt sich sehr gut.
Toskana, Italien
Leuchtendes Rubinrot. Edle Nase, nach gezuckerten Kirschen, reifen Erdbeeren, ein Hauch Zimtstange, getrocknete Orangen, helle Würze. Am Gaumen mit toller Textur und schöner Frische, toll herausgearbeitete Frucht, expressiv, saftig, zeigt tolle Länge und Komplexität, wird viele Jahre lagern können.
Toskana, Italien
Dunkel leuchtendes, finsteres Rubinrot. In der Nase zunächst feine erdige Töne, Rote Bete, Edelholz, dann zarte Waldbeeren und Kirschen, rauchig. Am Gaumen sehr saftig und mit tollem, herzhaftem Tannin, gut eingebundenes Edelholz, wirkt elegant und präsent, im Ausklang engmaschig und druckvoll.
Toskana, Italien
Leuchtendes Rubinrot mit aufhellendem Rand. In der Nase duftig, blumig, nach Veilchen und Lavendel, dann nach Kirschen und Unterholz, insgesamt von mittlerem Ausdruck. Am Gaumen dann mit strahlendem Fächer, saftig, klar, mit eng verwobenem Tannin und toller Saftigkeit, kommt in mehreren Schichten wieder, lange.
Toskana, Italien

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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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