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Alles Koscher? Was die jüdische Küche in NYC ausmacht

Die jüdische Küche hat die amerikanische und insbesondere jene in »The City« geprägt. Einzelne Institutionen und Speisen wurden gar zum Aushängeschild der urbanen Kulinarik von New York. Doch was kennzeichnet die jüdische Küche – und wie steht es um die Fusion von Tradition und Trends?

Der Großteil des facettenreichen gastronomischen Angebots, das normalerweise mit New York assoziiert wird, entstammt der jüdischen Küche. Und die wiederum ist so vielfältig wie das jüdische Volk selbst. Eingewandert in den Jahren zwischen 1880 und 1920 aus Osteuropa, insbesondere aus Polen, Russland und der Ukraine, brachten vor allem die aschkenasischen Juden ihr reiches kulinarisches Erbe mit. Andere Einflüsse gehen auf die sephardischen Einwanderer, deren Vorfahren in Portugal und Spanien, später auch in Marokko, Tunesien und dem Jemen lebten, sowie auf die bucharische Gruppe aus Zentralasien zurück. Sie alle brachten Spezialitäten, Kochtechniken und Aromen mit. Daher gibt es »die« jüdische Küche nicht. Vielmehr handelt es sich um ein Potpourri kulinarischer Traditionen und Esskulturen. Sie stiften Identität, dienen der Abgrenzung und Distinktion ebenso wie der Gruppen- und Gemeinschaftsbildung. Faktoren, die gerade in der Diaspora wesentlich sind, und die in einer säkularisierten Gesellschaft noch an Bedeutung gewinnen. Wo viele Regeln (auch religiöse) wegfallen, bildet die traditionelle Kulinarik einen gemeinsamen Anker.

Lower East Side

Caspar Battegay, Kulturwissenschaftler an der Universität Basel, konstatiert dazu: »Das Deli ist zum Sinnbild der säkularen Gesellschaft geworden und wurde statt der Synagoge für viele zum Treffpunkt. In den 1930er-Jahren gab es 1500 koschere Imbissläden in New York.« Die ersten Delis gründeten die jüdischen Einwanderer Ende des 19. Jahrhunderts – aus purer Notwendigkeit. Viele Familien schlachteten im Tiefgeschoß ihrer ersten Wohnquartiere in der Lower East Side von Manhattan selbst koscher, um sich und die Nachbarschaft zu versorgen. Neben den Schlachträumen fand der Thekenverkauf statt. Auch heute finden sich noch einige Delis vor allem in der Lower East Side. Bekannt aus dem Film »Harry und Sally« ist vor allem »Katz’s« (205 E. Houston St.), absolut empfohlen werden aber auch andere. »Zwei Lokale, die Sie unbedingt besuchen sollten, sind ›Yonah Shimmel’s‹ (137 E Houston St.) für ihre Knishes und ›Russ and Daughters‹ (179 E. Houston St.) für ihren geräucherten Fisch«, so Edward Serrota, Gründer des jüdischen Geschichtsinstituts Centropa, der auskunftsfreudig Orientieung für den kulinarischen Melting Pot gibt. Knish, das sind mit Kartoffelpüree und Röstzwiebeln gefüllte Teigtaschen. »Das Wichtigste ist, dass sie in den Delis ihr Pastrami und Corned Beef von Hand schneiden. Wenn Sie in ein Feinkostgeschäft gehen und es nicht von Hand geschnitten wird, würde ich vorschlagen, sofort zu gehen«, ergänzt er.

Koscheres Essen?

Nicht alle Delis waren oder sind »jüdisch jüdisch« – im Sinne eines hundertprozentig koscheren Angebots. Die Mehrheit der amerikanischen Juden hält sich ohnehin weniger an traditionelle Regeln und isst nicht koscheres Essen. »Die jüdischen Speisevorschriften sind ja kein Dogma. In der Praxis liegen viele Schattierungen vor«, sagt Battegay. Zu den wesentlichsten Kriterien der Kaschrut gehört die Unterscheidung von erlaubten (»koscher«) und nicht erlaubten (hebr. »taref«, jidd. -»trejf«) Tieren. Koscher ist nur das Fleisch von wiederkäuenden Paarhufern – also etwa Rind, Schaf und Ziege. Auch Fische mit Flossen und Schuppen sind erlaubt, ebenso Geflügel. In die Kategorie »nicht koscher« (»trejf«) fallen somit das Schwein, das zwar gespaltene Hufe hat, aber nicht wiederkäut, sowie Raubfische, Meeresfrüchte und Schalentiere. Streng verboten ist zudem der Genuss von Blut, weil nach jüdischem Glauben »die Seele der Tiere im Blut wohnt«. Dritter Punkt: Der gemeinsame Verzehr von Milch- und Fleischprodukten ist nicht erlaubt. Das ist nicht nur für das Timing relevant, sondern spiegelt sich auch im doppelt vorhandenen Geschirr – einmal für die Milch- und einmal für die Fleischküche. Eier, Fische, Gemüse oder Früchte gelten als weder milchig noch fleischig und können in jeglicher Kombination gegessen werden. Ein koscheres Deli, das Pastrami verkauft, hätte demnach keinen Käse, und eine koschere Bäckerei, die Bagels mit Frischkäse und Lachs verkauft, hätte kein Fleisch. 

Apropos Bagel: Dafür empfiehlt Edward Serotta vom jüdischen Geschichtsinstitut einen Trip nach London: »Der einzige Ort, den ich kenne, der noch anständige Bagels herstellt, sind die Läden im Norden Londons, insbesondere ›Carmelli’s‹. Sie sind viel kleiner als US-Bagels, außen schön knusprig und innen kuchenartig und weich.« In den USA seien sie viel zu groß und kleben gummiartig an den Zähnen. Probieren hingegen sollte man jedenfalls eine New York Egg Cream. Wie das Getränk zu seinem Namen kam, ist unklar – von Eiern und Schlagobers keine Spur. Enthalten sind Milch, Selterwasser und Schokoladensirup – Puristen bestehen übrigens auf »U-Bet Chocolate Syrup«.

 

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

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Marlies Gruber
Autor
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