© Gina Müller / carolineseidler.com

Früchte – Freunde oder Feinde?

Zwei Stück Obst und drei Portionen Gemüse pro Tag – ­das wäre die Empfehlung. Nur wenige unter uns kommen tatsächlich auf diese Ration. Das liegt oft an Geschmacksvorlieben und Gewohnheiten, bei einigen jedoch auch an der Verträglichkeit. Was ist los, wenn der Fruchtzucker Probleme macht?

Fruktose ist ein sogenannter Einfachzucker, der in unterschied­lichen Mengen in den meisten Obst- und Gemüsesorten vorkommt. Vor allem Äpfel, Birnen und Trauben zählen zu den bedeutenden Quellen bei uns, ebenso wie Gelees, Marmeladen, Kompott, Trockenfrüchte und Müslis. Haushaltszucker, Honig und Ahornsirup bestehen zu gleichen Teilen aus einer Mischung aus Fruchtzucker und Traubenzucker (Glukose). Beide Zucker liefern die gleiche Energiemenge (wie alle Kohlenhy­drate 4 kcal/g), werden im Körper jedoch unterschiedlich verwertet. Und weil Fruktose eine etwa doppelt so hohe Süßkraft hat wie Glukose, werden etwa Getränke, Süßwaren und Speiseeis häufig damit gesüßt. Dadurch kommt nicht nur mengenmäßig weniger ­Zucker zum Einsatz, man verringert auch den Energiegehalt des Produkts. 

Doch Fruktose wird nicht von allen Menschen gut vertragen. Dabei sind zwei Arten von Unverträglichkeit zu unterscheiden: die sehr seltene hereditäre Fruktoseintoleranz (HFI, Vorkommen: 1:130.000) und die eher häufig auftretende Fruktosemalabsorption. Während es sich bei Ersterer um einen ­vererbbaren Enzymdefekt handelt, der zu toxischen Leberschäden sowie lebensgefährlicher Unterzuckerung führen kann und eine strikt fruktosefreie Ernährung erfordert, kommt es bei Zweiterer zu keinen Organschäden. Rund jeder dritte Mensch weist eine Malabsorption auf. Nicht alle unter ihnen, aber viele, werden bei der ­Verdauung von Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall geplagt. 

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Wenn der Magen grummelt

Wie kommt es zu diesen Beschwerden? Normalerweise wird Fruktose mithilfe des Transportproteins GLUT-5 aus dem Darm ins Blut geschleust. Bei einer Malabsorption ist dieses Transportprotein defekt und es gelangt vermehrt Fruktose in den Dickdarm. Die dort ansässigen Bakterien verstoffwechseln den Überschuss. Dabei entstehen Stoffe wie kurzkettige Fettsäuren, Kohlendioxid und Wasserstoff, die die Darmbewegungen und eine vermehrte Gasbildung fördern. Bauchschmerzen, Völle­gefühl und Co. machen sich bemerkbar. Sobald die Dickdarmbakterien keine Fruktose mehr erhalten, ist der Spuk wieder vorbei. Diese unangenehmen Folgewirkungen können auch Gesunde erleben, nämlich dann, wenn das sonst intakte Transportsystem überfordert ist und zu streiken beginnt. Denn im Gegensatz zu Traubenzucker kann Fruchtzucker physiologisch nicht unbegrenzt aufgenommen werden. Bei täglich mehreren Gläsern Saft, Smoothies, (fruktose-)gesüßten Getränken, Eis oder Süßwaren sowie einigen Portionen Obst riegelt selbst ein gesunder Körper ab. Gelangen mehr als 35 bis 50 Gramm Fruktose pro Stunde in den Dünndarm, lässt er sie in die tieferen Darmabschnitte wandern – mit den unangenehmen Konsequenzen.

Von einer Malabsorption spricht man, wenn weniger als 25 Gramm Fruktose pro Stunde aufgenommen werden. Dafür kann nicht nur der Defekt ausschlaggebend sein. Sorbit etwa blockiert das Transportsystem und erhöht somit die Fruktosemenge im Dickdarm. Sorbit kommt in manchen Obstarten, wie Birnen und Pflaumen, von Natur aus vor, ist aber auch als Süßungsmittel beispielsweise in Desserts, Gebäck, Kaugummi und Speiseeis bekannt (Zusatzstoff E420). 

Schlau kombinieren 

Ist man von Beschwerden betroffen, muss man dennoch nicht komplett auf fruktosehaltige Lebensmittel verzichten. Denn abgesehen von einer Mengenreduktion lässt sich die Verträglichkeit durch kluge Kombinationen steigern. 

Erstens: Fruchtzuckerhaltige Speisen am besten erst als Dessert nach fett- und/oder eiweißreichen Mahlzeiten essen. Dadurch verzögert sich die Magenentleerung, die Transitzeit im Dünndarm verlängert sich, damit erhöht sich die Fruktoseaufnahme aus dem Darm und die Beschwerden fallen deutlich geringer aus. Zweitens: Gleichzeitig aufgenommener Traubenzucker stimuliert die Transportkapazität. Den Effekt kann man nutzen, indem man fruktosehaltige Speisen mit Traubenzucker süßt und Obstsorten auslässt, die ein ungünstiges Glukose-Fruktose-Verhältnis aufweisen (etwa Mango, Pfirsich, Birne, Apfel, Wassermelone, Honigmelone, Ananas, Orange, schwarze Johannisbeere und Heidelbeere). Haushaltszucker, Honig und Ahornsirup werden aufgrund des 1:1-Verhältnisses von Glukose zu Fruktose meist gut vertragen, Agavensirup dagegen, der hauptsächlich aus Fruktose besteht, nicht. Drittens: Auf den gleichzeitigen Konsum von sorbithaltigen Lebensmittel verzichten.  

Im Zweifel testen

Fruktosemalabsorption tritt nicht nur häufig gleichzeitig mit Laktoseintoleranz auf, sondern wird auch ebenso mit einem Wasserstoff-Atemtest diagnostiziert. Fällt der Test positiv aus, erfolgt eine Fruktose-Karenzphase von ein bis zwei Wochen, um die Beschwerden zu lindern. Danach wird die persönliche Verträglichkeitsgrenze ausgelotet. Auch Folsäure- und Zinkmangel kommen häufig bei Fruktosemalabsorption vor, ebenso wie depressive Verstimmungen. Letzteres liegt an einer simultanen Aufnahmestörung für die Aminosäure Tryptophan – die Ausgangssubstanz für den ­Neurotransmitter Serotonin. Bei Serotoninmangel wiederum treten vermehrt Depres­sionen und Heißhunger auf Süßes auf. Ein potenzieller Teufelskreis …


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Marlies Gruber
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