Die Tenuta Vallocaia ist weit mehr als eine Weinproduktionsstätte: Besucher kommen in den Genuss von Besichtigungen, Degustationen und feinem Essen.

Die Tenuta Vallocaia ist weit mehr als eine Weinproduktionsstätte: Besucher kommen in den Genuss von Besichtigungen, Degustationen und feinem Essen.
© Alessandro Moggi

Gepflegtes Paradies: Tenuta Vallocaia feiert 40-jähriges Bestehen

Die Unternehmerfamilie Bindella ist bekannt für ihre Restaurants und ihren Weinhandel, dass sie seit 40 Jahren auch ein eigenes Weingut in der Toskana betreibt, wissen nur wenige. Die Tenuta Vallocaia ist Rudi Bindellas «piccolo paradiso» und ein Vorzeigeprojekt für modernen Weinbau im 21. Jahrhundert.

Es war der Ausblick, der Rudi Bindella dazu bewog, 1983 einen Vorvertrag für den Kauf eines Landstücks bei Montepulciano zu unterschreiben. Auf dem Grundstück gab es damals ein baufälliges Bauernhaus, dazu gehörten 15 Hektar Land, wovon 2,5 Hektar mit Reben bestockt waren. «Der Blick gibt diesem Ort einen ganz besonderen Charme», sagt Rudi Bindella beim Empfang auf der Tenuta Vallocaia. «Darum nennen wir das hier auch unser ‹piccolo paradiso›

Von der grossen Empfangshalle sind es nur wenige Schritte bis ins Bistro des Weinguts, wo auch die Gäste den paradiesischen Ausblick über die hügelige Region geniessen. Das Bistro und der ganze Bau sind noch neu. Erst vor zwei Jahren wurde er eröffnet, in erster Linie als Weinproduktionsstätte, aber auch als Ort für Besichtigungen, Degustationen und natürlich auch feines Essen. Vom Frühling bis in den Herbst 2022 nahmen satte 5000 Gäste dieses Angebot in Anspruch, mit diesen Zahlen rechneten Bindellas erst für das Jahr 2024, ein voller Erfolg.

Der Einfluss der Umgebung

Rudi Bindella hat die operative Leitung für die Geschäfte in der Schweiz zu seinem 75. Geburtstag im Frühling 2023 seinem Sohn Rudi Bindella jr. übertragen, so war es schon lange ausgemacht. Pensioniert ist er deswegen aber nicht. «Ich arbeite genau gleich weiter in der Firma in Zürich, habe einfach keine Stimme mehr», erklärt er. «Ich könnte mir aber durchaus auch vorstellen, etwas öfter hier in der Toskana zu sein.»

Rudi Bindella ist mit seinem engen Vertrauten und wichtigsten Geschäftspartner, Bruno Orlandi, auf die Tenuta Vallocaia gereist, so wie sie es seit 40 Jahren tun. Pension hin oder her. Schliesslich gilt es, gemeinsam mit Weingutsleiter Giovanni Capuano die Jungweine zu verkosten und Entscheidungen für die Assemblagen zu treffen. Ein wichtiger Moment.

Bei uns ist alles auf die Langzeitachse ausgelegt. Gründlich, solid und dauerhaft – so verstehen wir Nachhaltigkeit.
Rudi Bindella

Die drei sind ein eingespieltes Team, auch Giovanni Capuano ist seit bald 25 Jahren im Unternehmen. «Giovanni arbeitet nicht hier, er ist Vallocaia», sagt Rudi Bindella. Der studierte Agronom Capuano ist ein belesener Weinmacher, weiss über die aktuellen Techniken und Trends Bescheid und führt uns sichtlich stolz durch das neue Weingut. Die Handschrift von Rudi Bindella ist hier überall zu spüren, mit natürlichen, angenehmen Materialien und vielen Kunstwerken in allen Räumen, sogar in denen, zu denen die Gäste keinen Zutritt haben. «Eine Umgebung wirkt sich auf die Leute aus, die dort arbeiten», sagt Rudi Bindella. «Man kann keinen schönen, eleganten, geschmeidigen Wein haben wollen und das dann in einer lieblosen Umgebung aufziehen.»

Nachhaltiger Weinbau

Giovanni Capuano führt uns hinter die Kulissen, präsentiert die Kellerei, den Fasskeller, die eigene Photovoltaikanlage, das ausgeklügelte Wasseraufbereitungssystem und zeigt uns sogar das Fundament, das für eine natürliche Kühlung der Räume sorgt. Die Bemühungen in Richtung Nachhaltigkeit sind bemerkenswert. Das bestätigt sich auch bei der anschliessenden Fahrt durch die Reben, sie alle sind dauerbegrünt.

Zwischen einigen Rebzeilen spriessen ­Leguminosen, Ackerbohnen, die dafür sorgen, dass sich Stickstoff im Boden anreichert. Eine Methode nahe an der Natur, biologisch zertifiziert ist das Weingut bis heute allerdings nicht, Capuano scheut die engen Vorgaben und die damit verbundene Bürokratie. «Wir halten viele der Vorgaben einer Biozertifizierung mehr als ein», sagt er. «Unser Ziel ist es, dass die Reben natürlich gedeihen können, wir wollen, dass sie möglichst alt werden.» Dafür setzen er und sein Team auf viel Handarbeit und versuchen, Mechanisierung zu vermeiden. «Das verdichtet nicht nur die Böden, die Gefahr, dabei die Reben zu ­verletzen, ist ebenfalls gross.»

Die Weine der Tenuta Vallocaia werden zum grössten Teil in die Schweiz exportiert, doch auch in Italien erfreuen sie sich grosser Beliebtheit. Weitere Märkte kommen stetig dazu, die USA etwa oder ­Deutschland. Die Tenuta Vallocaia ist zwar Teil der Unternehmungen der Familie ­Bindella, doch spürt man vor Ort, dass dieser Betrieb ein starkes Eigenleben hat. «Wir profitieren von den Erfahrungen hier als Weinbauern im Bereich des Weinhandels – aber auch umgekehrt», gibt Rudi Bindella zu Protokoll. Wegen der vielen Besucher hat das Weingut im letzten Jahr drei neue Mitarbeiter fest angestellt – für das ganze Jahr. «Im Winter, als es hier weniger zu tun gab, kamen sie in die Schweiz und haben uns in Betrieben dort unterstützt», erzählt Bruno Orlandi.

Die Tenuta Vallocaia ist ein fast perfektes Paradies. Wenn es noch etwas zu verbessern gäbe, dann wären es die Rahmenbedingungen für den Wein aus Montepulciano, laut Rudi Bindella befindet sich die Region noch heute in einer Art Dornröschenschlaf. Bindella war vor 40 Jahren der erste internationale Investor in der Region, heute gibt es weitere und auch die italienischen Weinfirmen Antinori und Frescobaldi sind hier aktiv. Rudi Bindella ist überzeugt, dass die Region in den nächsten Jahren weiteren Schub erhalten wird. «Bei uns ist alles auf der Langzeitachse ausgelegt», sagt er bestimmt, «gründlich, solid und dauerhaft – so verstehen wir Nachhaltigkeit.»


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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