Insekten könnten in Zukunft eine wichtige Rolle in der Ernährung spielen.

Insekten könnten in Zukunft eine wichtige Rolle in der Ernährung spielen.
@ Marie Berkmann

»Mikrokosmos«: In diesem Restaurant kommen Insekten auf den Teller

Beim Gedanken an Grillen, Mehlwürmer oder Heuschrecken läuft es den meisten kalt den Rücken runter. Im Berliner »Mikrokosmos« sind genau diese Insekten die Hauptzutat. Die südamerikanisch inspirierte Küche will die Zukunft der Ernährung bereits heute auftischen.

Das große Krabbeln

Bereits seit mehr als fünf Jahren hat sich Nicole Sartiranis Projekt der Herausforderung angenommen, den Verzehr von Insekten ansprechend zu gestalten. Während dies deutschlandweit als Nischenthema auf viel Skepsis und Ekel trifft, konnte sich der »Mikrokosmos« bereits in Form von Pop-ups, Caterings und auf Streetfood-Märkten einen Namen in Berlin machen. Folgerichtig nun also der Schritt zum eigenen Restaurant.

In den ehemaligen Räumen des beliebten Frühstückscafés »Bastard« steht Sartiranis Partner, der in Lima geborene Diego Castro, als Chefkoch in der Küche. Geblieben ist die charmant heruntergerockte Gemütlichkeit – dunkle Holzdielen und -möbel treffen auf viele Grünpflanzen und ein großes Regal mit vielfältiger Literatur zum Thema Ernährung der Zukunft. Und da diese nachhaltiger werden soll, können Insekten hier eine immer relevantere Zutat und Alternative sein. Darauf verweist der über der Küchenausgabe angebrachte Schriftzug »The future is now«.

Fusion 2.0: Südamerika meets Insekten

Das Speisenangebot ist übersichtlich und südamerikanisch beeinflusst. Gemüse aus der Region, oft fermentiert oder in Teilen zu Saucen und Dips verarbeitet, und vegetarisch-vegane Kreationen stehen im Fokus, bodenständige Preise laden zum Probieren ein. Es gibt vier kleinere Gerichte, die sich als Vorspeise oder zum Teilen eignen. So z.B. einen Eintopf, Endivien-Ceviche mit Kürbis-Mousse oder geröstete Karotten nebst Dill-Sour-Cream, Karottengrün-Pesto, Umeboshi und schwarzer Tahina. Als Hauptgericht bieten sich Sellerieschnitzel auf Kartoffelsalat und Erbsen-Pesto-Perlgraupen, nach Wunsch frittiert in Grillenmehl, oder geschmorte Ochsenbrust an. Die Karte wechselt nach saisonaler Verfügbarkeit. Toll: Auch weniger Experimentierfreudige werden hier satt und glücklich, denn alle Gerichte gibt es nur nach expliziter Bestellung mit Insekten-Zusatz.

Lokal gezüchtete Mehlwürmer, Grillen oder Heuschrecken kommen, frittiert oder in Mehl-Form, auf den Teller. So befremdlich sich das zunächst lesen mag – die Insekten schmecken recht neutral und gerade darin liegt ihr großes Potenzial als letztlich kaum merkliche Alternative in der Komposition von allerlei Lebensmitteln. Bester Beweis hierfür ist das hausgebackene Focaccia aus Grillenmehl, das für bescheidene 3,50 Euro den geschmacklichen Horizont erweitert oder ein French Toast mit Birnen-Kompott, der in Begleitung von herrlich crunchigen Schoko-Mehlwürmen mit Vorurteilen bricht.

Herzlich und mit viel Feingefühl

Denkbar herzlich sind übrigens Empfang und Service. Besitzerin Sartirani nimmt sich Zeit, berät und erklärt bei der Bestellung. Man spürt: Es steckt viel Herzblut in dem Restaurant und es herrscht Verständnis für Berührungsängste. Deshalb sind Insekten eben nur ein Teil dieses »Mikrokosmos« und ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Zukunft.

INFO

MikroKosmos
Reichenberger Straße 122
10999 Berlin
mikrokosmosberlin.com

Marie Berkmann
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