Mario und Ewald Plachutta: sagenhafter Aufstieg zu einer der erfolgreichsten Gastronomenfamilien Österreichs mit gekochtem Rindfleisch und legendärer Gastlichkeit.

Mario und Ewald Plachutta: sagenhafter Aufstieg zu einer der erfolgreichsten Gastronomenfamilien Österreichs mit gekochtem Rindfleisch und legendärer Gastlichkeit.
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Plachutta: Die Titanen des Tafelspitz

Start der neuen Falstaff-Serie über legendäre Restaurants in aller Welt. Teil 1: Die Rindfleisch-Tempel der Gastronomen-Familie Plachutta in Wien, seit mehr als 30 Jahren die erste Adresse, wenn es um Altwiener Küche geht.

Die renommierte »New York Times« verfasste nicht weniger als eine Hymne und bezeichnete das Restaurant als »eine Art Rindfleischakademie«. Auch die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) notierte überschwänglich, hier könne man »Tafeln wie Kaiser und Papst«. Die Rede ist vom »Stammhaus Plachutta« in Wien Hietzing, früher bekannt als »Hietzingerbräu«. 

Plachutta ist heute ein Name, den jeder Feinschmecker mit klassischen altösterreichischen Rindfleischspezialitäten verbindet, mit Tafelspitz und Hüferscherzel, mit Beinfleisch und Kruspelspitz, alles serviert in kupfernen Kesseln, Fleisch in dampfenden Suppen, mit Schnittlauchsauce, Gemüse und Markknochen. Dieses Bewirtungsmodell, bei dem jeder Gast schon im Vorhinein weiss, was ihn erwartet, hat sich weltweit herumgesprochen. Der Chef der Kette, Mario Plachutta: »Ich war erst unlängst in der ›Harry’s Bar‹ in Venedig. Selbst dort weiss jeder, was Plachutta ist und man hat mir zu unserem Konzept gratuliert.«

Tatsächlich sind die beiden wichtigsten Plachutta-Betriebe, das »Stammhaus« in Wien Hietzing und das »Plachutta Wollzeile« in der Wiener Innenstadt heute ähnliche Restaurant-Ikonen wie die legendäre »Harry’s Bar« in Venedig, in der einst Ernest Hemingway Stammgast war. Insgesamt besteht die Plachutta-Kette heute aus sechs Lokalitäten, eine siebente ist geplant und soll schon bald eröffnet werden. In Vor-Corona-Zeiten erwirtschaftete man mehr als 30 Millionen Euro Netto-Umsatz pro Jahr. Insgesamt arbeiten für die Rindfleischkette 270 Mitarbeiter, plus 40 Teilzeitbeschäftigte.

Liebling der Promis

Ein Wien-Besuch, ohne bei Plachutta gewesen zu sein, scheint heute für Otto Normalverbraucher ebenso undenkbar wie für die oberen Zehntausend. Wer im «Stammhaus» in Hietzing zu Besuch ist, der kann sich davon überzeugen, welche internationalen Celebrities hier schon alle zu Gast waren. An den Wänden finden sich zahlreiche Fotos von Prominenz, von den Film-Legenden Jerry Lewis und Woody Allen ebenso wie von Elton John und Bette Midler, von Otto Waalkes und Jon Bon Jovi bis zu Helene Fischer, die sich am Vorabend eines Konzerts in der Wiener Stadthalle an Tafelspitz und Kartoffelrösti delektierte. Als sie tags darauf auf der Bühne stand, meinte sie offenherzig und zum Gaudium ihres Publikums: «Ich bin heute nicht ganz so fit, denn ich war gestern bei Plachutta essen und habe dort, ich gebe es zu, ziemlich über die Stränge geschlagen.»

Plachutta steht allerdings längst nicht mehr nur für Gesottenes von Kalbinnen und Weideochsen. Auch in der Buchbranche ist der Name zu einem Synonym für Rekordauflagen geworden. Kochbücher unter dem Namen Plachutta verkaufen sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Allein vom ersten Buch «Die gute Küche» – in Österreich bis heute das erfolgreichste Sachbuch überhaupt – wurden bislang mehr als 500.000 Exemplare abgesetzt. Weitere Bücher folgten, insgesamt stiegen bis heute die Verkaufszahlen aller Plachutta-Kochbücher auf etwa 1,4 Millionen Exemplare.

Die Plachutta-Story ist im Grunde eine Familiensaga, in der vor allem «der Senior» Ewald Plachutta eine maßgebliche Rolle spielt. Von ihm stammt nämlich das genial ausgetüftelte Konzept. Der Altmeister der Wiener Küche und langjährige Küchenchef der legendären «Drei Husaren» wollte es auch, dass die Rindfleischspezialitäten in Kupferkesseln mit Suppe serviert werden. Denn Kupfertöpfe halten nicht nur länger warm, die in der Mitte des Tisches platzierten Töpfe erzeugen auch ein archaisches Gemeinschaftsgefühl, ähnlich wie in der chinesischen Küche. Jeder nimmt sich, wonach ihm ist. Überdies bleiben die Fleischstücke in der dampfenden Suppe mürb und saftig. Wolfram Siebeck, einst der wohl gewichtigste Restaurantkritiker deutscher Zunge, beschrieb es einmal so: «Allein schon die Brühe, in der das Fleisch serviert wird, hat lebensrettende Funktionen. So gut und so aromatisch gehört sie zu den unter Denkmalschutz stehenden Wundern Österreichs

Von Anfang an Erfolgreich

Den Grundstein für die Erfolgsgeschichte legte Plachutta senior bereits in den 1980er- Jahren, als er das «Hietzingerbräu» zu einem der beliebtesten Restaurants der Stadt machte. Davon profitierte auch der spätere Juniorchef Mario Plachutta, der zu Beginn der 1990er-Jahre als Abgänger der Hotelfachschule «Modul» von seinen Praktikanten-Lehrjahren in Kanada, Asien und Südfrankreich nach Wien zurückkehrte. Was danach folgte, ist einer jener Schlüsselmomente, die in jeder Erfolgsgeschichte vorkommen. Eine glückliche Fügung, sollte man es später nennen. Mario Plachutta bekam von der Ottakringer Brauerei als Hauseigentümerin das einstige Alt-Wiener Bierhaus «Koranda» in der Wollzeile angeboten. Das ehedem legendäre Künstler- und Journalisten-Beisl war zwischendurch zu einer lieblosen Ausspeisung verkommen, weshalb die Ottakringer-Bosse einen neuen Pächter mit einem charmanteren Konzept suchten. Der junge Plachutta sagte zu und eröffnete im Alter von 23 Jahren sein erstes eigenes Lokal, das «Plachutta Wollzeile» – vom Konzept her eine nahezu idente Kopie des Hietzinger Erfolgsmodells.

Das (eigentlich simple) Konzept: Tafelspitz und Hüferscherzel in kupfernen Kesseln, Fleisch in dampfenden Suppen, mit Schnittlauchsauce, Gemüse und Markknochen.
Foto beigestellt
Das (eigentlich simple) Konzept: Tafelspitz und Hüferscherzel in kupfernen Kesseln, Fleisch in dampfenden Suppen, mit Schnittlauchsauce, Gemüse und Markknochen.

Mario Plachutta setzte von Anfang an auf moderne Management-Methoden, eine ausgetüftelte Logistik – und auf Expansion. Weil das Lokal in der Wollzeile von Beginn an florierte, eröffnete er bereits ein Jahr später eine weitere Rindfleisch-Filiale in Nussdorf in Wien 19. 2002 kam in Wien Ottakring das Bierlokal «Grünspan» hinzu. 2006 wagte er erstmals ein völlig anderes Konzept: Gegenüber vom «Hietzingerbräu», dem heutigen «Stammhaus Plachutta», gründete er das «Mario», ein modernes Haus mit mediterraner Küche, danach folgte das «Gasthaus zur Oper» mit dem Hauptgericht Wiener Schnitzel in Originalversion. Und obwohl es zahllose Anfragen gab, eine Filiale im Ausland aufzusperren, lehnte Mario Plachutta jedes Angebot bislang ab «Ich bin nicht prinzipiell dagegen, aber es muss ein Angebot sein, bei dem alles passt.»

Das scheint bis heute nicht der Fall gewesen zu sein – dafür wagt der «Rindfleischkaiser» im Inland den nächsten Schritt: Aus dem ehemaligen Restaurant «Ferdinandt» am Neuen Markt in unmittelbarer Nähe zum Stephansplatz soll schon bald ein weiteres typisches Plachutta-Lokal werden. «Mit 50 Sitzplätzen ist es zwar relativ klein», so Mario Plachutta, «aber wir werden auch dort die Wiener Küche wie gewohnt hochhalten.»

Ewald Plachutta mit einem seiner Kochbuch-Bestseller: Ein unüblich gutes Verhältnis zwischen Vater und Sohn war und ist bis heute eine der wichtigsten Grundlagen für den anhaltenden Erfolg des Wiener «Rindfleisch-Imperiums».
© Stefan Fuertbauer / picturedesk.com
Ewald Plachutta mit einem seiner Kochbuch-Bestseller: Ein unüblich gutes Verhältnis zwischen Vater und Sohn war und ist bis heute eine der wichtigsten Grundlagen für den anhaltenden Erfolg des Wiener «Rindfleisch-Imperiums».

Zu Gast bei Plachutta

Zum Restaurant-Imperium der Plachuttas gehören heute sechs Standorte, ein weiterer ist geplant.

Stammhaus Hietzing
Auhofstraße 1, 1130 Wien
T: +43 1 87770870, plachutta-hietzing.at
Hier hat alles begonnen. Bereits in den 1990er-Jahren wurde der konkurrenzlose Rindfleischtempel unter der damaligen Bezeichnung «Hietzingerbräu» zu einer der begehrtesten kulinarischen Adressen im Land.Auch Prominenz aus Politik und Wirtschaft geht hier bis heute ein und aus.

Plachutta Wollzeile
Wollzeile 38, 1010 Wien
T: +43 1 5121577, plachutta-wollzeile.at
An Spitzentagen werden hier bis zu 1000 Gäste bewirtet. Damit gehört das Haus zu den erfolgreichsten Restaurant-Betrieben in Europa. Die Einrichtung wurde nach und nach modernisiert, die Zahl der Sitzplätze kontinuierlich erweitert. 

Plachutta Nussdorf
Heiligenstädter Straße 179, 1190 Wien
T: +43 1 3704125, plachutta-nussdorf.at
Gleiches Konzept, gleicher Erfolg. Die Plachutta-Filiale in Nussdorf versorgt seit Jahren Stammkunden im noblen 19. Bezirk .

Grünspan
Ottakringer Straße 266, 1160 Wien
T: +43 1 4805730,  gruenspan.at
Weitläufiges und typisches Bierlokal mit tollem Garten in Ottakring. Auch hier wird die gewohnte Plachutta-Qualität geboten. 

Mario 
Lainzer Straße 2, 1130 Wien
T: +43 1 8769090, mario-hietzing.at
Modern gestaltetes Lokal, diesmal mit mediterranen Gerichten und Grillküche samt Bar und Frühstücksangebot.

Gasthaus zur Oper 
Walfischgasse 5–7, 1010 Wien
T: +43 1 5122251, plachutta-oper.at
Optisch so, wie man sich ein Wirtshaus im neuen Jahrtausend vorstellt. Im Mittelpunkt des kulinarischen Interesses steht hier das Wiener Schnitzel – und das alles eine Gehminute von der Staatsoper entfernt.

Plachutta neuer Markt 
Neuer Markt 2, 1010 Wien
Aus dem ehemaligen Restaurant »Ferdinandt« wird schon bald ein Plachutta mit 50 Sitzplätzen und gehobener Wiener Küche.

Plachuttas «Gasthaus zur Oper»: Wichtigstes Gericht ist hier das Wiener Schnitzel vom Kalb. 
© Philipp Kreidl
Plachuttas «Gasthaus zur Oper»: Wichtigstes Gericht ist hier das Wiener Schnitzel vom Kalb. 

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2021

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Herbert Hacker
Herbert Hacker
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