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Krusten-Kult: Warum Österreicher belegten Brötchen nicht widerstehen können

Mit der anstehenden Eröffnung der neuen »Trześniewski« Filiale in Linz halten die beliebten Brötchen Einzug in ein weiteres österreichisches Bundesland. Wieso sind die belegten Brötchen so beliebt, was macht sie so besonders und woher kommen sie eigentlich?

Was vermissen Deutsche und Österreicher am meisten, wenn sie auf große Reise in andere Ländern gehen? Definitiv ihr Brot! In kaum einem anderen Land sind die Menschen so stolz auf ihr Roggen-, Schwarz- oder Sauerteigbrot. Sieht das Gebäck doch in Backstuben in Holland, Griechenland oder Italien schmackhaft aus, würde jeder Österreicher behaupten, dass das Brot »daheim« unschlagbar besser schmeckt.

Nachdem Brot ein essentieller Bestandteil der deutschen und österreichischen Küche ist, verwandelt sich die Begeisterung dafür nahtlos in die Faszination für belegte Brötchen. Ob Vormittags am Besprechungstisch, zum Aperitivo oder auf der Vernissage am Abend – die belegten Brote sind zu jeder Tageszeit genießbar. Doch was ist es, das die Brötchen so besonders macht und wieso stehen vor allem die Wiener so auf die raffinierten Brote? Wieso scheinen sie eine so lange Tradition zu haben und woher kommen sie eigentlich?

Auf den Spuren eines Brotkrumen

Der Weg führt ins 18. Jahrhundert – die Zeit der Perücken, aristokratischen Schnurrbärte und John Montagu, dem 4. Earl of Sandwich. Montagu war nicht nur ein britischer Diplomat und Staatsmann, sondern auch begeisterter Cribbage-Spieler. Während seiner intensiven Kartenspiele soll er keine Zeit für Mahlzeiten gehabt haben und so befahl er seinem Butler, belegte Brote zu reichen, die mit einer Hand verzehrt werden konnten.

Allerdings klafft zwischen dieser Legende und der historischen Realität eine beträchtliche Lücke so groß wie der Appetit des 4. Earls. Der Historiker Nicholas Rodger, der eine Biographie über John Montagu verfasste, zeigte auf, dass diese Geschichte bloß auf eine Quelle aus dem Reisebuch eines gewissen Pierre-Jean Grosley auftauchte. Es scheint wahrscheinlicher, dass der vielbeschäftigte Brite das Sandwich aus rein praktischen Gründen erfand – um während der Arbeit essen zu können.

Die Geschichte des Sandwiches, ob nun aus Zeitmangel oder kulinarischer Leidenschaft entstanden, wurde ein fester Bestandteil der Esskultur und ein Symbol für praktische Verpflegung in geschäftigen Zeiten. John Montagu, der Mann mit dem königlichen Namen und dem schnellen Snack, machte das belegte Brot berühmt. Und so erlangte das Brötchen endlich die Aufmerksamkeit, die es verdient hatte.

Aber wie kamen die Brote schlussendlich nach Österreich und wie vor allem wurden sie zu einem wichtigen Teil der Wiener Gastronomieszene und über ihre Stadtgrenzen hinaus?

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Wie das belegte Brötchen die Österreicher fand 

Nachdem der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe in »die Leiden des jungen Werther« darüber berichtete, dass er mit Kindern »das Butterbrot und die saure Milch teilte«, entwickelte sich die Idee, Brot mit einem anderen Geschmack zu verbinden. Über Deutschland nach Österreich hatten so, vor ungefähr 150 Jahren, findige Geschäftsleute die Idee, sich als professionelle Brötchenmacher in Wien zu versuchen. Das belegte Brot galt zu diesen Zeiten aber als absolutes Luxusprodukt, da man für relativ wenig Essen relativ viele Zutaten benötigte. Fehlende Kühlmöglichkeiten wirkten neben dem Geldaspekt zusätzlich herausfordernd.

Die Herausforderung, ein belegtes Brot zu genießen

Einmal nicht aufgepasst,  schon landet der halbe Kren auf dem Schoß, während der Schinken wie ein flüchtiger Gast von dem Brot herabgleitet. Viele belegte Brötchen sind ein wahrer Balanceakt zwischen Geschmacksexplosion und Kleckergefahr. Glücklicherweise hat sich aber auch für dieses tückische Problem eine Lösung gefunden: der Aufstrich. Diese genialen Kreationen bieten nicht nur eine breite Palette an Geschmacksmöglichkeiten, sondern auch eine weniger anpatz-anfällige Alternative zum traditionellen belegten Brot. Die wohl bekannteste Adresse – vor allem in Wien – für Brote mit allerlei Aufstrich ist »Trześniewski«. Bereits seit der Gründung des Betriebs zerkleinerte der Brötchenspezialist die Beläge, wie Schinken, Salami oder Ei, zu Aufstrichen und ermöglicht so einen unfallfreien und einfachen Verzehr.

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Die Brötchen mit dem unaussprechlichen Namen

Speck mit Ei, Matjes mit oder ohne Zwiebel oder Schwedischer Hering – die Brote der traditionsreichen Brötchenmanufaktur »Trześniewski« sind auf jeden Fall auch über die Wiener Stadtgrenzen hinaus bekannt.

Im Jahr 1902 eröffnete der Koch Franciszek Trześniewski die erste gleichnamige Filiale am Tiefen Graben im 1. Wiener Bezirk. Die Herausforderungen des Ersten Weltkriegs und der Zusammenbruch der Monarchie brachten schwierige Zeiten für viele Menschen mit sich. So kam der gebürtige Krakauer mit dem Brötchenladen auf die Idee, die Portionen zu verkleinern, um seine Brötchen erschwinglich für jeden zu machen.

Auch wenn dieser erste Laden mittlerweile leider aus der Wiener Innenstadt schwinden musste, bestehen heute in Österreich ingesamt dreizehn Filialen – elf davon in Wien und jeweils eine am Wiener Flughafen und in der SCS. Seit 1904 hat der Wiener Brötchenhersteller sein Stammhaus nun in der Dorotheergasse im 1. Bezirk. Alleine dort wandern täglich etwa 5.000 Brötchen über die Theke. Beim Standort Wien wird es allerdings in Zukunft nicht bleiben. Wie Falstaff bereits berichtete, öffnet ab März eine Filiale in Linz seine Türen. »Eine Expansion in eines der Bundesländer war schon länger ein Thema, mit dem sich die Geschäftsführung beschäftigt hat und da diese ein Freund von schnellen Entscheidungen ist, hat man eine unerwartete Chance kurzfristig wahrgenommen und freut sich nun sehr, dass dieser Schritt umgesetzt werden kann«, so Kathrin Teigschl von Trześniewski. Weitere Eröffnungen stehen heuer aber nicht mehr auf der Agenda, so Teigschl im Gespräch mit Falstaff.

Bis heute steckt in den mehr als 20 verschiedenen Varianten liebevolle Handarbeit. Jeder Aufstrich ist handgerührt, die Eier werden auf eine ganz spezielle Art gekocht (neben den Rezepten ist auch das seit Jahrzehnten ein wohlgehütetes Geheimnis) und jedes der Brötchen wird von Hand bestrichen. Neben dem Dauerbrenner und mit Abstand beliebtesten Brötchen »Speck mit Ei« werden mittlerweile aber auch vegetarische und vegane Variationen angeboten. Immer wieder gibt es auch saisonale Specials wie Festtagsbrötchen oder leichtere Varianten für den Frühling.

Die Wiener Welt der Brötchen

Doch »Trześniewski« ist nicht das einzige Traditionsunternehmen, das leckere belegte Brote anbietet. Auch in dem Kultrestaurant »Zum Schwarzen Kameel« finden sich neben der ein oder anderen Prominenz, ebenfalls Variationen an Brötchen. Um nur einige davon zu nennen: Handgeschnittener Beinschinken mit Kren, Mailänder Salami mit Gurkerl und Französischer Brie mit Nüssen. 

Auch die Brötchen von »Duran« sind mittlerweile stadtbekannt. Seit 1966 werden hier Brötchen liebevoll belegt, mittlerweile umfasst das Sortiment mehr als 60 verschiedene Brötchen. Die Produktion der Brötchen findet in Handarbeit direkt in den Filialen der bekannten Sandwich-Manufaktur statt. Handgemachte Brötchen aus der »Tauber Brötchen Manufaktur« gibt es seit 1987 in Wien. Canapés oder Aufstriche werden mit Schwarz- oder Weißbrot von Hand belegt und sehen aus wie kleine Kunstwerke. Beheimatet im 8. Wiener Gemeindebezirk findet man außerdem das Streetfood-Lokal »Brotkost«. Klassisch, kreativ, süß, pikant, von Lachs mit Pistazie und Breasola mit Mozarella bis Erdnussbutter-Heidelbeere: Bei dieser Brötchen-Vielfalt fällt die Entscheidung schwer.

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All over Österreich

Doch die Liebe zu den belegten Brötchen hat längst die Grenzen der Hauptstadt Wien überschritten. In Graz beispielsweise gibt es vor allem eine Adresse, die für ihre belegten Brote bekannt ist: Das »Frankowitsch«. Im Jahr 1932 begründete Herbert Frankowitsch mit der Eröffnung seines Geschäfts eine neue Institution in Graz und läutete somit das Zeitalter der legendären belegten Brote in der Hauptstadt der Steiermark ein. Auch in Klagenfurt am Wörthersee ist der Name »Pucher« untrennbar mit belegten Brötchen von höchster Qualität, die für jeden Anlass geeignet sind, verbunden. Während eines Sommer-Spaziergangs an der Bodenseepromenande in Bregenz holt man sich auch gerne mal ein belegtes Brötchen bei dem Kult-Kiosk »Milchpilz «. Und natürlich nicht zu vergessen sind die lebendigen Straßen von Linz, wo bald die neue »Trześniewski«-Filiale eröffnet.

Kurz gesagt, die Leidenschaft für belegte Brote erstreckt sich über die Grenzen Wiens hinaus und prägt die kulinarische Landschaft in ganz Österreich. Von Nord nach Süd, von Ost nach West – belegte Brote sind ein integraler Bestandteil der österreichischen Esskultur und erfreuen sich überall großer Beliebtheit.

Fast-Food in Gourmetversion

Der Besuch von Lokalitäten wie »Trześniewski« oder »Frankowitsch« ist nicht nur eine kulinarische Erfahrung, sondern ein regelrechtes »Happening«. Nach einem erfolgreichen Shoppingtag oder einfach, um den kleinen Hunger zwischendurch zu stillen, gönnen sich Gourmets gerne mal zwei, drei belegte Brote mit einem Glas Prosecco, einem Spritzer oder einem Pfiff.

Hier wird nicht einfach nur gegessen; es ist vielmehr ein gesellschaftliches Ritual, bei dem sich die Menschen Zeit nehmen, um die frischen, gesunden Leckereien zu genießen. Das belegte Brot wird dabei fast zum schickeren Pendant zum herkömmlichen Fast-Food.

In Österreich sind die Brötchen – egal von welchem Haus oder mit welchem Belag – nicht einfach nur Essen, sondern ein Ausdruck von Lebensart und Gemütlichkeit. Die Bewohner Österreichs verstehen es, sich inmitten des lebendigen Treibens der Stadt zu entspannen und den Genuss in vollen Zügen zu zelebrieren. Denn warum sollte man sich nicht zwischendurch mal ein paar köstliche Happen gönnen und das Leben genießen? Prost auf die Tradition der belegten Brote!


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Hannah Speyer
Autor
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