Der Blue Stilton in wird in England als der König der Käse angesehen.

Der Blue Stilton in wird in England als der König der Käse angesehen.
© Shutterstock

Die beliebtesten Käsesorten Englands

Satte Weiden, viel Vieh. Wo besondere Kuhrassen grasen, gibt es auch besondere Käse. Falstaff hat elf vor den Vorhang geholt.

BLUE STILTON RESERVE – Blauschimmelkäse

Nichts ist britischer als dieser Blue Stilton Reserve, nichts ist britischer als Stilton generell, dieser Blauschimmelkäse, den die Briten als ­einziges Käsemachervolk bis hin zur Genialität kultivierten. Der Umgang mit Schimmelkäse – eine Käsereimethode, die, so einige Quellen, aus den damals von England besetzten ­französischen Provinzen importiert wurde – war jahrhundertelang nicht immer so sauber und hygienisch, wie er seit rund siebzig Jahren nun vonstatten geht – es gab über die Zeiten auch Menschen, die an Stilton starben. Aber auch die Gefahr, die damals von Stilton ausging, hat die Liebe des britischen Bürgertums zu seinem Nationalkäse nie gemindert. Diese Reserve ist mindestens drei Monate gelagert worden und verblüfft vor allem mit ihrem intensiv nussigen Geschmack (Walnuss, Haselnuss), dann schmeckt man stark auch Waldpilze, die frisch aus der Erde geholt ­wurden. Blue Stilton Reserve wird seit dem 18. Jahrhundert in den englischen Grafschaften Leicestershire, Nottinghamshire und Derbyshire hergestellt und gilt als der große Käse Englands schlechthin.

STINKING BISHOP – Rotschmierkäse

Der Stinking Bishop (sechs bis acht Wochen Reife) ist ein geschichtlich und in der Machart maximal besonderer Käse. Geschichtlich deswegen, weil es den Stinking Bishop erst seit etwa 1994 gibt. Besonders deswegen, weil diese Kreation in England sehr schnell einen Markt eroberte. Und nun gibt es viele Legenden, die schlicht nicht stimmen. Eine Legende ist jene, dass der Stinking Bishop ein alter, traditioneller Käse ist – was stimmt, ist, dass er schnell Tradition gewonnen hat. Eine weitere Legende ist, dass der Käse wegen seines sicher einzigartigen Geruchs so heißt, er wurde aber nach einer lokalen Birnensorte benannt. Und das ganz Besondere zum Schluss. Zitat aus dem Online-Käselexikon »käsewelten.info«: »Der Stinking Bishop wird von Charles Martell & Son auf der Hunts Court Farm in Dymock, Gloucestershire hergestellt. Der ehemalige Lastwagenfahrer, Umweltschützer und Autodidakt Martell hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Rinderrasse Gloucester zu erhalten. Als er damit 1972 anfing, gab es noch gerade einmal 68 Tiere der Rasse. Um sein Anliegen der Öffentlichkeit bekannt zu machen, begann Martell damit, aus der Milch der Gloucester Rinder zunächst Single ­Gloucester herzustellen. Dieser war genauso im Aussterben begriffen wie die Rinderrasse. Später entwickelte er den Stinking Bishop. Er griff dabei auf alte Rezepte von Zisterziensermönchen zurück, die früher auf dem Gelände seiner Farm heimisch waren.« Der Geschmack des Bishop folgt nicht seinem intensiven Geruch, nein, er schmeck sogar ­buttrig-elegant mit viel Champignon am Gaumen.

CHEDDAR MONTGOMERY – Schnittkäse

Der Cheddar Montogomery ist, so sagt auch die Käsetheke bei Harrods in London, Englands elegantester und bester Cheddar. Wir zitieren die Erzeuger: »Dieser Cheddarkäse, der nach seinem Hersteller, James Montgomery, benannt ist, wird aus Rohmilch von Montgomerys eigenen Friesenkühen hergestellt. Die meisten ­dieser Käsesorten werden zwölf Monate lang in Musselintüchern gereift, während die extra gereiften Sorten 18 Monate lang reifen. Im reifen Zustand hat der Käse einen reichhaltigen und nussigen Geschmack, während die extra gereifte Version noch nussiger und noch viel würziger ist und pfeffrige Noten aufweist. Unter ­seiner natürlichen Rinde hat Montgomerys Cheddar eine bröckelige und körnige Textur, die auf der Zunge zergeht. Es wird empfohlen, ihn pur zu essen.« Wir aber wollen ergänzen, dass der Montgomery, der nach der Sonne des englischen Südens (einem Klima, wo selbst Palmen wachsen) schmeckt, auch ideal zu Pastagerichten passt und – Vorsicht, Sakrileg einen Grana vorzüglich ersetzten kann. Und nachher für immer ersetzen muss. Wer ihn einmal über eine Paradeissauce gerieben hat, am besten mit Oliven und Kapern, der wird nie wieder einen anderen Käse in die Reibe tun.

SINGLE GLOUCESTER – Hartkäse

Obacht bei Gloucester-Käse. Es gibt nämlich sowohl den Single als auch den Double Gloucester. Und wer annimmt, der Double wäre doppelt so gut, der irrt sträflich, denn die meisten Double Gloucester sind schnöde Industriekäse bar jeder Individualität. Käse wird in Gloucester schon seit dem 16. Jahrhundert hergestellt, Aufzeichnungen verweisen, weniger glaubhaft, sogar auf das achte Jahrhundert. Gloucester-Käse ist eng mit dem Gloucester-Rind verbunden, das eine Zeit lang als beinahe ausgestorben galt, heute aber wieder mit einem Bestand von etwa 650 Tieren nicht mehr unmittelbar vom Aussterben betroffen ist. Die Farmen, auf denen Single Gloucester produziert wird, müssen einen registrierten Bestand an Goucester-Rindern haben. Das bedeutet, dass Single Gloucester nur von wenigen Betrieben handwerklich hergestellt wird. Die Textur des Single Glouchester ist leicht und geschmeidig, der Geschmack ist ausgewogen, frisch und leicht säuerlich mit grasigen Noten.

AGED RUTLAND RED – Hartkäse

Ein britischer Traditionskäse, der heute leider sehr oft industriell hergestellt wird. Kluge Einkäufer wissen das natürlich und kaufen den Rutland Red vor allem »aged«, weil der Faktor Zeit Geld kostet, Geld, das sich die Industrie, immer aus auf schnellen Gewinn, nicht leisten will. Der nach einem traditionellen Rezept hergestellte Rutland Red wird gebuttert, in Tücher gebunden und sechs Monate lang gereift, um einen flockigen Käse mit offener Textur, leicht süßem, karamellisiertem Geschmack und satter goldorange Farbe zu erhalten. Der Rutland Red ist gerieben ein tatsächlich exzellentes Pastagewürz.

QUICKE’S (CLOTHBOUND) MATURE CHEDDAR – Schnittkäse

Schnell geht beim Quicke’s gar nichts – ganz im Gegenteil benötigt er bis zu 15 Monate zur Fertigstellung. Der ­Quicke’s Mature Clothbound Cheddar wird in Handarbeit aus der Milch grasgefütterter Kühe hergestellt, in Tücher (clothboud) gewickelt und in der »Catherdral of Cheese« auf Quicke’s Farm für normalerweise zwölf bis 15 Monate abgelegt und dem Reifeprozess überantwortet. Er ist ein im Mund intensiver und reichhaltiger, buttriger Cheddar, dessen Geschmack sich erst richtig im hinteren Teil des Gaumens entfaltet. Pumpernickel-, Weidegras- bis hin zu Karamellnoten. Großes Käsekino mit einer ebenfalls erst jungen Tradition. Viele Käsemacher in England, das ist schon auch anzumerken, haben erst dann begonnen zu käsen, als man unter perfekten hygienischen Bedingungen zu käsen beginnen konnte. Gut so!

WIGMORE – Weichkäse

Wieder eine dieser neuen erfolgreichen Käsekreationen, die am Beginn des kulinarischen Aufbruchs britischer Käsereien Anfang der 1990er-Jahre standen. Der Wigmore ist ein Käse aus gewaschenem Topfen, der nur von Anne Wigmore gekäst wird. 1986 gründete sie zusammen mit ihrem Mann Andy die Firma Village Maid Cheese in Riseley, ­Berkshire. Sie stellt ihn in einem Washed-Curd-Verfahren her, bei dem ein Teil der Molke während der Herstellung durch Wasser ersetzt wird, wodurch der Käse seine charakteristische weiche Textur erhält. Der Wigmore schmeckt mild nach Pilzen und nach der Schafweide, nach der er ­schmecken soll. Exzellent, singulär und individuell.

STICHELTON – Blauschimmelkäse

Sichelton: Das ist auch ein alter Name der Stadt Stilton. Und ­Stichelton ist wieder so ein neuer, junger britischer Käse (ihn gibt es erst seit etwa 2006), der im Land schnell an Ruf gewann, weil Jamie Oliver den Erfinder und Produzenten des Stichelton, Joe Schneider, in seinen Sendungen mehrmals und völlig zu Recht über den grünen Klee lobte. Schneider ist eingewanderter US-Amerikaner, der in Holland in einer Gouda-Produktion lernte und der, wäre das hier die Weinwelt, am besten mit einem grandiosen Naturweinwinzer zu vergleichen ist. Sein Stichelton ist ein englischer Blauschimmelkäse, der in Nottinghamshire gekäsert wird. Der Stichelton wird aus roher Kuhmilch und tierischem Lab hergestellt, genauso wie der traditionelle Blue Stilton. Da der ­Stilton aber geschützt ist und Schneider sich als Revolutionär erkennt, dessen Käse einen eigenen Namen haben sollten, haben Schneider und seine Käser beschlossen, ihren Käse Stichelton zu nennen – abgeleitet vom altenglischen »stichl«, was Stil bedeutet, und »ton«, was Dorf bedeutet. Die Textur dieses »Dorfkäses« ist halbweich und cremig, der Geschmack ist buttrig, nussig, süß und würzig, mit reichen Aromen und Noten von Karamell und Äpfeln. Sag es wie die Amis: »Go for it!«

LINCOLNSHIRE POACHER – Schnittkäse

Zwei Geschichten. Erste Geschichte: Der Lincolnshire Poacher ist der Welt als britischer Spionagesender auf Zypern bekannt, der der britischen NATO-Flotte Zahlenkombinationen sendete. Er wurde durch Satelliten ersetzt. Zweite Geschichte: Der ­Lincolnshire Poacher, Geschmacksbild: Wiesenblumen, Kräuter und vor allem Nuss, ist ein um 1917 von Simon Jones entwickelter Regionalkäse, der aus der Milch friesischer Kühe gewonnen wird. Zitat der Familie Jones, die den Poacher auch heute noch käst: »Beim Lincolnshire Poacher haben wir uns der Herstellung des bestmöglichen Käses verschrieben, wobei wir unsere eigene ­frische, nicht pasteurisierte Milch in traditioneller Methode ­verwenden. Wir müssen viel Geduld aufbringen, denn der Käse, den wir heute herstellen, wird wahrscheinlich erst in 18 Monaten verkauft werden.« Wir haben weniger Geduld und holen ihn uns einfach an der Käsetheke unseres Vertrauens.

RED WINDSORSchnittkäse

Einer der ungewöhnlichsten Käse der Welt. Und einer der wenigen Käse, die fast ausschließlich zu Rotwein passen, denn dieser Cheddar aus Leicestershire wird beim Käsen mit Rotwein, oft einem Bordeaux, nicht selten auch mit Portwein vermischt. Manchmal sieht er danach aus wie eine Käsewurst oder eine Salami mit Käsestücken, also nicht so, wie wir in unseren Breiten Käse als Käse erkennen würden. Beim Geschmack kommt es darauf an, welcher Wein verwendet wurde. Wurde Portwein verwendet, hat der Red Windsor mehr florale und süße Noten. Bei Bordeaux schmeckt man mehr ­Cassis und Blaubeeren. Und wenn der Cheddar mehr in den Hintergrund tritt, dann ist der Red Windsor ein echtes Geschmackserlebnis.

BLACKSTICKS BLUE – Blauschimmelkäse

House of Lords. Und nicht House of Commons. Kein Scherz: Der Blacksticks Blue ist einer der meistverzehrten Käse der britischen Oberschicht – obwohl er nicht zu den teuersten der Insel zählt. Blacksticks Blue ist ein goldfarbener Blauschimmelkäse mit einer cremigen Textur und einem ausgeprägten Buttergeschmack (und etwas Kamille, Heu und Weidekräuter). Hergestellt wird er aus pasteurisierter Milch, die oft von hofeigenen Herden stammt. Der Blauschimmelanteil des Käses ist nicht riesig groß, und so spricht der Blacksticks Blue auch jene Menschen an, die eigentlich keinen Blauschimmelkäse mögen. Ideal zu einem bisschen altem Portwein in einem kleinen Glas.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

© StockFood / Ramanauskiene, Justina

Liebe zum Käse - Alles aus der wunderbaren Käsewelt
Julius Meinl am Graben
Falstaff Verlag, 2023
168 Seiten
29,90 Euro

Redaktion
Mehr zum Thema
Rezept
Bergkäse-Croque Monsieur
Paris meets Vorarlberg oder ein Schinken-Käse-Toast wie in der französischen Schweiz. Nach dem...
Von Redaktion
Opernball
Fondue Moitié-Moitié
»Die Frage nach dem Ursprung des Fondue au Fromage bleibt ein stetiger Kampf zwischen Frankreich...
Von Bertrand de Billy