Christian Michor und Matthias Balgavy mit Küchenchef Sebastian Wandl (Mitte).

 Christian Michor und Matthias Balgavy mit Küchenchef Sebastian Wandl (Mitte).
© Falstaff

»Heuer am Karlsplatz«: »Ein Schnitzel zu Mittag wird es bei uns nie geben«

Falstaff hat das neue Management-Duo Matthias Balgavy und Christian Michor sowie Küchenchef Sebastian Wandl zum Interview getroffen.

Andreas Wiesmüller hat das Zepter des »Heuer am Karlsplatz« an das Manager-Duo Christian Michor und Matthias Balgavy übergeben. Die Beiden haben die Vision einer niederschwelligen Verbindung zwischen Kunst, Kultur und erstklassiger Küche herzustellen. Kunst deshalb, weil sich das Restaurant selbst in einer idealen Lage am Karlsplatz, einem kulturellen Knotenpunkt in Wien, befindet.

»Wir kennen uns schon länger und freuen uns sehr, dass sich hier in einer neuen Konstellation unsere Wege wieder kreuzen. Ich komme aus der Gastronomie, Matthias aus der Eventbranche – wir ergänzen uns also sehr gut. Beide haben wir auch sehr hohe Qualitätsansprüche«, so Christian Michor im Gespräch mit Falstaff. Sebastian Wandl haben die beiden sozusagen hier vorgefunden: »Ja ich bin schon seit zwei Jahren da, das Casual Fine Dining Konzept war auch damals schon im Einsatz. Ich habe unter Markus Höller angefangen, mich hochgearbeitet und leite seit einem Jahr die Küche.«

Die vergangenen Jahre seien nicht geradlinig verlaufen und waren von Unsicherheiten geprägt. »Es waren Zeiten von regelmäßig wiederkehrenden Neustarts«, blickt Matthias Balgavy zurück. »Jetzt wollen wir in Richtung Zukunft blicken, stabil abliefern, das Rad aber nicht neu erfinden. Es wird zurück zum Ursprung gehen«, verrät Balgavy.

Eine Manufaktur für die ganze Stadt

Das Management-Duo hat evaluiert, was das »Heuer« so speziell macht und will weiterhin auf das setzen, was es so groß gemacht hat: »Eine Manufaktur für die ganze Stadt: Das wollen wir forcieren«, kündigt Balgavy an. Dazu kommt aber auch der neue Claim »Der, die, das Heuer«. »Der Garten, die Bar, das Restaurant«, erklärt er. Denn im Heuer könne man den ganzen Tag verbringen.

Aktuell wird um 14 Uhr geöffnet, künftig soll das schon früher geschehen. »Aber es fehlen uns noch rund 20 Prozent der Mitarbeiter, um das umsetzen zu können«, sagt Michor. Auch beim Mittagsgeschäft will man sich positionieren, die Konkurrenz rundherum mit den Naschmarkt Lokalen sei eine große, von der es sich abzuheben gilt.

Die Gastronomen wollen »weg vom klassischen Restaurantdenken. »Bei uns findet man Kleinigkeiten für den Nachmittag, Kaffee und Kuchen in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle, Schmankerl, die man als Brunch, Snack und Lunch genießen kann sowie Casual Dining«, so Balgavy, der noch weiter herausarbeiten will, wie man Gastronomie zeitgemäß und zwanglos umsetzen kann, ohne dabei an Genuss zu verlieren.

»Es geht zurück zum Ursprung, egal ob Butterbrot oder eingelegtes Gemüse, bei uns ist die Qualität extrem hoch«, so Wandl. Das sei wichtiger als es jedem recht zu machen. Ein Schnitzel zu Mittag wird man daher im »Heuer« nie finden.

Zwischen Oase und Party

Der USP ist für die Gastronomen ganz klar: Der Standort. Denn es gibt kaum ein Lokal in innerstädtischer Lage auf einer grünen Insel. Diese ist nicht nur als Ruhepol zu sehen, sondern auch ganz im Gegenteil: Durch die alleinstehende Lage kann man bis spätnächtens Party machen und Konzerte veranstalten.

Apropos veranstalten: Die Eventschiene will das umtriebige Trio weiter ausbauen. Am Programm stehen unterschiedlichste Formate, die die Zukunft abbilden sollen. Die Bandbreite reicht von Food-Pop-Ups über Weinverkostungen mit Fokus auf Naturwein, Zero-Schwefel-Wein bis zu Events mit Kultur-Fokus.

Dabei spielt natürlich  auch die Nähe zu vielen Wiener Museen eine große Rolle. »Wir befinden uns ja an einem Knotenpunkt der Kultur«, so Michor. »Unser Lokal ist nicht nur deshalb besonders bunt, ein Ort für alle, die hier zusammenkommen – von Bankangestellten, über Studenten bis hin zu Touristen. Daher wollen wir auch die Preisgestaltung moderat halten. Mit den Events und unser Kreativität können wir einen Ort bieten, der über uns hinausgeht. Ein inklusiver Ort, wo man auch als Wiener:in sehr gerne hingeht, wo man was entdecken kann«, ergänzt Balgavy.

Kulinarisch gibt es auch sehr viel zu entdecken. Das fängt damit an, dass die Bereiche Terrasse, Bar und Casual Dining ineinander fließen. »In der Küche setzen wir auf Nose to Tail: Wir beziehen die Tiere großteils im Ganzen, zwei Jäger versorgen uns mit Wild, das wir dann selber verarbeiten, selchen und räuchern. Daraus ergeben sich dann verschiedenste Gerichte, auch für Leute mit wenig Zeit: Hausgeräuchertes Wildschwein, eingelegter Fisch, fermentiertes Gemüse«, führt Wandl aus.

Die Karte ist sehr klein, damit sich die Küche in höchster Qualität den Speisen widmen kann. Zusätzlich werden wöchentlich drei Specials angeboten: »Hier toben wir uns aus«, schmunzelt der Küchenchef. Signature-Gerichte wird man aufgrund des lokalen, saisonalen Ansatzes nicht finden. »Es ist ja nicht immer alles verfügbar, auch nicht beim Gemüse«, so Wandl.

Das Tier wechselt, die Philosophie bleibt

Einen Wiedererkennungswert gebe es natürlich trotzdem: Das Tier wechselt, aber die Philosophie bleibt. »Jetzt haben wir Mangalitza und das nächste wird’s dann erst im August geben«, so Wandl. Alles wurde verarbeitet: gesulzter Kopf, die Zunge gibt’s zum Waller, und Grammeln und Co. kommen großzügig zum Einsatz.

Auch beim Gemüse setzt sich die Philosophie fort: »Wir versuchen banal wirkende Zutaten spannender zu machen. Das ergibt sich durch Saures einlegen, Fermentation und Marinaden, die ein spannendes Geschmacksspektrum ergeben. Alles wird in Szene gesetzt, landet aber nicht entfremdet am Teller«, so der Küchenchef abschließend.

»Französischer Wein spielt hier keine Rolle«

Wein hat einen großen Stellenwert im Heuer. »Wir sind immer auf der Suche und wollen die Weinkarte bewusst lebendig halten«, erzählt Michor. Er sei kein Fan davon, ein Weindepot anzulegen. Um die Philosophie auch hier weiterzuführen, gibt es Weine aus Österreich und den Nachbarländern Deutschland, Südtirol, Ungarn und Slowenien. Naturwein wird rund die Hälfte des Angebots einnehmen, ein Naturwein-Hotspot will man nicht werden. Was man nicht auf der Karte finden wird? »Französischer Wein wird bei uns keine Rolle mehr spielen. Aufgrund unseres Konzepts passt der einfach nicht mehr hierher«, so Michor.

Wein soll im »Heuer« ganz leger gelebt werden, das startet schon beim »Easy Drinking« auf der Terrasse.

Aktuelle Debatten

Von Timeslots bis zum Zwangstrinkgeld und der veganen Kochlehre gibt es derzeit viele Themen, die die Branche beschäftigen.

»Ich bin kein Fan von Zwangstrinkgeld. Es ist schon eine individuelle Angelegenheit und auch Feedback für das Personal. Mitarbeiter:innen, die auf Zack sind, können ihr Gehalt oftmals verdoppeln. Diese Dynamik ist für das Gesamtgefüge  sehr wichtig«, sagt Balgavy und Michor ergänzt: »Auch steuertechnisch könnte es Probleme geben . Bei Firmenveranstaltungen kann ich mir eine Fixabgabe schon vorstellen, aber im Restaurantbereich halten wir nichts davon.«

Auch Timeslots lehnen die Gastronomen ab. »Wir praktizieren das nicht so, obwohl wir sagen könnten, ihr könnt ja nach dem Essen an die Bar gehen. Bei kleinen Lokalen kann das natürlich ganz anders aussehen, wenn zwei Tische ausfallen, kann das schon große Folgen haben«, überlegt Balgavy.

Ein weiteres Thema, über das man sich in der Gastronomie-Szene austauscht, ist die vegane Kochlehre. »Der Lehrplan hat sich in den vergangenen 40 Jahren nicht verändert und das ist sowieso nötig«, ist sich Wandl sicher. Man müsse sich aber auch vor Augen halten, dass die Lehre nur ein Bruchteil der Ausbildung sei. Denn erst im »richtigen Berufsleben« kann man sich weiterentwickeln. »Es würde jedenfalls vielen Köch:innen einmal gut tun, hin und wieder vegan oder vegetarisch zu kochen«, meint er.

Die Nachfrage der Gäste sei jedenfalls schon da: »Glutenfrei, vegan, vegetarisch. Rund ein Viertel der Gäste erkundigt sich danach«, so Wandl abschließend.

Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Chefredakteurin Online
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