Die rein pflanzliche Ernährung wird immer beliebter.

Die rein pflanzliche Ernährung wird immer beliebter.
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Mit pflanzlichen Lebensmitteln in die Zukunft

60 Kilogramm Fleisch. So viel isst jeder Österreicher und jede Österreicherin jährlich im Durchschnitt. Mit Blick auf die globalen Ressourcen, das Tierwohl und eine nachhaltige Landwirtschaft ist das zu viel. Pflanzliche Lebensmittel könnten die Lösung sein.

Fleischersatzprodukte wie Tofu werden beispielsweise in China seit Jahrhunderten als alternative Proteinquelle genutzt. In Europa hat man dennoch oft den Eindruck, es würde sich bei Sojaschnitzeln, -nuggets und -würsten um eine neue Erfindung handeln. Ein Trend, der stetig wächst, keine Frage – aber einer mit viel Tradition. Das weiß auch Prof. Dr. Konrad Domig. Er ist Leiter des Instituts für Lebensmittelwissenschaften an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und forscht bereits seit Jahren an pflanzlichen Alternativen zur Ernährung durch tierische Produkte.

Keine Alternative – eine eigene Produktkategorie

»Wichtig ist schon einmal, dass wir pflanzliche Lebensmittel nicht als Alternative oder Ersatz für Fleisch begreifen, sondern als eigenständige Produkte. Ich wundere mich im Supermarkt schon manchmal, warum die vegane Wurst neben der tierischen im Kühlregal steht. Da muss das Marketing auch ein bisschen mutiger werden«, erklärt Domig sein Verständnis einer Produktgattung, die in den letzten Jahren extrem an Breite gewonnen hat. Dass das Angebot veganer und vegetarischer Produkte in Österreich sich in den letzten Jahren so viel Zuwachs erfreute, hat den Grund, dass auch die Anzahl der Vegetarier (840.000, Stand 2021. VGÖ) und Veganer (106.000) gestiegen ist. Die interessanteste Zielgruppe dieser Produkte ist aber deutlich größer: 4,6 Millionen Flexetarier leben in Österreich – also Menschen, die gerne in der Kantine mal auf das fleischlose Menü zurückgreifen und auch beim Grillen nicht immer ein Steak brauchen. Gerade von ihnen werden die »Fleischalternativen« vermehrt nachgefragt.

Vegane Fleischersatzprodukte kommen dem »Original« immer näher. Aber müssen sie das überhaupt?
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Vegane Fleischersatzprodukte kommen dem »Original« immer näher. Aber müssen sie das überhaupt?

Blick auf die Inhaltsangabe wichtig

Geht es um pflanzliche »Ersatzprodukte« zum tierischen »Original« wie zum Beispiel bei Schnitzeln oder Milch, ist im Sinne der Nachhaltigkeit aber immer ein Blick auf die Inhaltsangabe zu empfehlen. Bei zu vielen geschmacksverstärkenden Substanzen und einem hohen Salzgehalt in den Inhaltsstoffen sollten man einen Kauf überdenken. Beispielsweise empfiehlt die WHO maximal 5g Salz pro Tag. Und auch in Sachen Nachhaltigkeit bewegen sich die Produkte laut Domig in einer breiten Range: »Die Mandel wird beispielsweise oft genau in den Gegenden gezogen, in denen wir ein massives Wasserproblem haben. Dazu kommen relativ wenig Inhaltsstoffe im Vergleich zu einem sehr hohen Zuckeranteil.« Viel besser sei beispielsweise die Umweltbilanz der Hafermilch. »Zu kommunizieren, dass es auch innerhalb dieser Alternativen massive Unterschiede gibt, was die Nachhaltigkeitsaspekte angeht, CO2-Abdruck und Wasserverbrauch, das ist eine Riesenaufgabe«, erklärt der Lebensmittelwissenschaftler.

Mehr zu fermentieren könnte die Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln erhöhen.
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Mehr zu fermentieren könnte die Vielfalt an pflanzlichen Lebensmitteln erhöhen.

Fermentieren und Omas Rezepte als Lösungsoptionen

Und obwohl Domig, als Leiter des Instituts für Lebensmittelwisschenschaften der BOKU, selbst an neuen pflanzlichen Lebensmitteln forscht, sieht er einen erfolgsversprechenden Lösungsansatz mit einem Blick in die Vergangenheit: »Wenn wir ein, zwei Generationen zurückdenken, da haben wir uns eigentlich auch schon ganz gut ernährt und hatten nicht so viele tierische Produkte in der täglichen Mahlzeit.« Wichtig sei es, bei der Jugend anzusetzen. Wie können Fleisch, Butter, andere tierische Fette und Milch beim Kochen ersetzt werden? »Wir müssen das Kochen neu lernen. Letztendlich ist das ein Bildungsauftrag, den nachher jeder in seiner eigenen Küche umsetzen kann.«

Einen weiteren Lösungspfeiler sieht Domig in der Fermentierung: »Das wäre natürlich eine große Chance, was die Vielfalt von pflanzlichen Lebensmitteln angeht.« Hier sei zwischenzeitlich, abgesehen von Sauerkraut und Salzgurken, Vieles in Vergessenheit geraten. »Das wichtige ist, dass es kein Trend bleibt, sondern verankert werden kann. Dann sehe ich hier gute Chancen«, erklärt der Lebensmittelwissenschaftler. Es gäbe bereits Projekte in denen beispielsweise Kasein (der Proteinanteil in der Milch der zu Käse verarbeitet wird) biotechnologisch hergestellt werden soll – beziehungsweise durch pflanzliche Proteine ersetzt werden soll.

Ukraine-Krieg zeigt Grenzen auf

»Auf lange Sicht werden wir einen Großteil unserer tierischen Lebensmittel ersetzen müssen«, wagt Domig einen Blick in die Zukunft. Bereits Corona habe es der Lebensmittelindustrie an der einen oder anderen Stelle schwer gemacht. Spätestens Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine mache nun aber deutlich, wie fragil die globale Versorgungssicherheit und wie diffizil die Lieferketten seien. Österreichische Bauern erwarten im Herbst einen Ernteausfall von bis zu 25 Prozent, weil dringend benötigtes Düngemittel bereits im Frühjahr fehlte. Und die spanische Schweinezucht muss gerade auf fast 80 Prozent ihres Futtermittels verzichten, das nicht über den Seeweg aus der Ukraine nach Spanien kommt. Hier hofft der Experte zumindest auf einen wachrüttelnden Effekt und plädiert: »Aus Nachhaltigkeitsgründen müssen wir viel weniger Fleisch essen.«

Mit Blick auf die Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte bleibt für Domig abschließend vor allem eine Frage: »Es wäre sicher einfacher, Eiweißalternativen anzubieten, wenn man nicht irgendwas nachbauen müsste. Ist der blutige Burger aus Fleischalternativen wirklich notwendig?« Eine Entscheidung die zuallererst jeder und jede für sich treffen muss. Die Frage ist nur, wie lange noch.

Felix Moßmeier
Felix Moßmeier
Digitalredakteur
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