Das Hotel »Terra Dominicata« in Escaladei befindet sich in einem ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb des hier einst ansässigen Klosters.

Das Hotel »Terra Dominicata« in Escaladei befindet sich in einem ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb des hier einst ansässigen Klosters.
Foto beigestellt

Priorat: Eine Weinreise durch die spektakulär felsige und fast vergessene Region

Das felsige Priorat gehört zu den spektakulärsten Weingegenden Spaniens. Einst in Vergessenheit geraten, verhalfen ihm visionäre Weinmacher in den 80er- und 90er-Jahren zu unvergleichlichem Glanz. Für Reisende besonders schön: Die ursprüngliche Abgeschiedenheit konnte sich die Region nordwestlich von Tarragona bewahren.

Für Weinfreaks ist das Priorat eine perfekte Destination. Vom Flughafen Barcelona dauert die Fahrt in diesen Hotspot der Spitzenweine nur rund 90 Minuten. Am einfachsten leiht man sich einen Wagen, denn der ist auch unentbehrlich, um sich in der Region von Winzerdorf zu Winzerdorf zu bewegen. Das Priorat ist schon optisch ganz anders als die meisten Weinregionen Spaniens – die Naturschönheit wurde hier mit der großen Kelle angerührt. Das Priorat befindet sich auf einem Hochplateau, die kargen Böden sind großteils aus verwittertem Schiefer. Neben spektakulären Weinlagen mit uraltem Rebbestand – insbesondere Garnacha und Cariñena – findet man hier atemberaubende Aussichtspunkte, historische Stätten und viel unberührte, wilde Natur. Schon seit dem 12. Jahrhundert bauten hier im Süden Kataloniens Mönche unter größten Mühen Wein an. Doch über die Jahrhunderte geriet die Region in Vergessenheit.

Gerade einmal 600 Hektar Reben waren übriggeblieben, als Weinmacher wie Alvaro Palacios und René Barbier Ende der 80er‑, Anfang der 90er-Jahre begannen, hier Wein zu erzeugen. Die uralten Rebbestände sorgten für ungeahnt dichte, komplexe und entwicklungsfähige Weine. Die Fachwelt war mit gutem Grund begeistert. Weine wie der L’Ermita von Palacios gehören heute zu den kostbarsten und rarsten der Welt. Heute stehen immerhin wieder rund 1800 Hektar im Priorat unter Reben, durch Neugründungen ist die Tendenz steigend, eine Goldgräberstimmung jedoch kam nie auf. Zu aufwendig ist die Arbeit in den steilen Rebbergen, um schnell Profit zu schlagen. Der Region kommt das zugute. Sie ist heute noch so ursprünglich wie zu Zeiten der Klöster.

Der Weinbau im Priorat verteilt sich auf elf Gemeinden, die alle relativ nahe bei­einander liegen. Zu den Hotspots gehört das 200-Seelen-Dörfchen Gratallops. Hier steht etwa Alvaro Palacios Kellerei, die allerdings nicht besucht werden kann. Einen Blick darauf erhascht man im Vorbeifahren. Etwa auf dem Weg zum nicht minder legendären Weingut Clos Mogador, das dreimal die Woche Führungen für Kleingruppen von maximal acht Personen anbietet. Clos Mogador gehört seit den Anfängen zu den Schlüsselbetrieben des Priorats.

Es begann mit neun Hektar

Den Grundstein legte der visionäre Winzer René Barbier, der hier 1979 eine Ruine und neun Hektar Land erwarb. Er war sich sicher, einen großen Wein herstellen zu können. Barbier holte von Anfang an Mitstreiter ins Boot, was dafür sorgte, dass die Weingüter in der Region bis heute eng verknüpft sind. Beim ersten offiziellen Priorat-Jahrgang 1989 handelte es sich dann um ein Gemeinschaftswerk: Barbier produzierte gemeinsam mit den Besitzern von Clos Erasmus, Clos de l’Obac, Mas Martinet, Finca Dofi und Clos Mogador einen einzigen Wein, den alle mit unterschiedlichen Etiketten vermarkteten. Dies illustriert eindrücklich, wie eng die Produzenten hier verbunden waren – und es bis heute sind. René Barbiers Sohn – ebenfalls René getauft – verantwortet heute den Keller auf Clos Mogador.

Doch nicht nur das. Barbier bildet mit seiner Frau Sara Pérez, die wiederum die Tochter von Josep Luis Pérez von Mas Martinet ist, das wohl einflussreichste Önologenpaar Spaniens. Die beiden leiten Clos Mogador und Mas Martinet. Quasi nebenbei haben sie 1999 in der unmittelbar benachbarten Weinregion Montsant das Weinprojekt »Venus La Universal« ins Leben gerufen. Und wenn man schon mal hier ist, sollte man dieses Erlebnis auf keinen Fall verpassen.

Denn die Region Montsant, die das Priorat förmlich umschließt, wurde lange zu Unrecht als Priorat für Arme verschrien. Barbier und Pérez gehören zu den Vorreitern des konsequent biologischen Anbaus und der zurückhaltenden Vinifikation – im Priorat und in Montsant. Gerade auf »Venus La Universal« loten sie die Möglichkeiten aus; ein spannender Besuch, der auf Voranmeldung möglich ist.

Viele Weingüter im Priorat setzen auf kleine Besuchergruppen, die man nur auf Voranmeldung empfängt, für alles andere sind die Betriebe zu klein. Neben der Naturschönheit gibt es auch für Architekturfans Trouvaillen zu entdecken. Eindrücklich sind etwa die Kellerbauten von Mas Doix oder dem jungen Projekt Ferrer Bobet, das 2005 seinen ersten Wein abfüllte. Spannend ist auch die Geschichte von Alfredo Arribas, der 2001 als Architekt ins Priorat kam und es sich zur Aufgabe gemacht hat, verlassene Weinberge wiederzubeleben; heute ebenfalls mit einer zweiten Kellerei in der DO Montsant.

Leibliches Wohl

Bei einer Weinreise sollte auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen. Passend zur ursprünglichen Landschaft ist auch das gastronomische Angebot im Priorat eher bodenständig. Zu den beliebten Adressen der Einheimischen gehört das »La Cooperativa« im malerischen Dorf Porrera. Weingüter wie Vall Llach oder Nin-Ortiz haben den Ort bei Weinfreaks berühmt gemacht, für Reisende sind neben der Kulinarik auch die 14 im Ort verteilten Sonnenuhren einen Blick wert. Im »La Cooperativa« kommen beste Produkte aus der Region auf den Tisch. Die zugegebenermaßen eher deftigen und fleischlastigen Teller verlangen nach entsprechender Begleitung – die der Keller des Lokals problemlos bietet.

Um das Priorat richtig auf sich wirken zu lassen und den langsamen Rhythmus der Region zu spüren, sollte man mindestens zwei Tage einplanen. Hotels gibt es hier nicht viele. Mehrere Unterkünfte verschiedener Klassen findet man aber etwa im Örtchen Torroja del Priorat, wo sich auch das Weingut Terroir al Limit des aus Bayern stammenden Weinmachers Dominik Huber befindet. Luxuriöser und gar mit eigenem Weingut und Restaurant ausgestattet ist das »Terra Dominicata«. Dieses befindet sich in einem ehemaligen Kloster und bietet alle Voraussetzungen, um das rurale Priorat in all seinen Facetten kennenzulernen.

Eine Reise ins Priorat ist nicht komplett, ohne mindestens einen der atemberaubenden Aussichtspunkte in der Region besucht zu haben. Das Dörfchen Siurana ist in dieser Hinsicht kaum zu toppen. Umgeben von hohen Felsen und tiefen Schluchten, scheint dieses Dorf mit gerade mal 35 Einwohnern fast unerreichbar zu sein. Kurvenreich windet sich die Straße den Felsen hoch. Am Rande des Dörfchens steht die romanische Kirche Santa Maria de Siurana. Ein beliebtes Fotomotiv mit dem Zeug zum Sehnsuchtsort in einer der eindrücklichsten Weingegenden Spaniens.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2023

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
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