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Bordeaux: Feuer ausser Kontrolle

Südlich und westlich von Bordeaux sind in den letzten Tagen 20.000 Hektar Wald abgebrannt. Eines der beiden grossen Feuer steht inzwischen wenige Kilometer vor Sauternes.

Am Montag, den 18. Juli stieg das Thermometer fast überall im Bordelais auf über 40 Grad Celsius. Dies in einem Moment, in dem zwei grosse Waldbrände Bevölkerung und Feuerwehr schon eine ganze Woche lang in Atem halten: Am Nachmittag des Dienstag, 12. Juli, gab es die ersten Meldungen über Feuer in La Teste-de-Buch, nahe des als Naherholungsgebiet bekannten Bassin d’Arcachon, und quasi zeitgleich in Landiras, direkt an der Appellationsgrenze der Süsswein-Herkunft Sauternes.

Obwohl inzwischen 2000 Feuerwehrleute aus ganz Frankreich im Einsatz sind, trotz zweier Dash-8-Turbopropflugzeuge und acht Canadair-Löschflugzeugen, die Wasser über den Flammen abwerfen, haben sich die Feuer in den letzten Tagen immer weiter ausgebreitet. Nach Angaben der zuständigen Präfektur mussten bis Dienstagmittag 37.000 Menschen ihre Wohnungen und Häuser verlassen, um in Sicherheit gebracht zu werden. Mehrere Campingplatze sind komplett niedergebrannt, und als der Zoo von La-Teste-de-Buch evakuiert wurde, verendeten zahlreiche Tiere durch Hitze, Stress und Rauchvergiftungen.

Kritische Situation in Sauternes

Für den Wein-Planeten Bordeaux gibt vor allem die Situation im Süden bei Landiras Grund zur Besorgnis: Die Feuer stehen derzeit nur noch etwa sieben oder acht Kilometer vor der Ortschaft Bommes, die zur Appellation Sauternes zählt. Klassifizierte Güter wie La Tour Blanche, Sigalas-Rabaud, Lafaurey-Peyraguey, Clos Haut Peyraguey und La Rayne Vigneau sind jedem Liebhaber der Vins Liquoreux ein Begriff. Noch sind sie nicht direkt vom Feuer bedroht, aber bereits jetzt zieht je nach vorherrschender Windrichtung Rauch über die Weinberge. «Wir sind sehr beunruhigt», vertraute der Inhaber eines Châteaus Falstaff am Telefon an, «heute morgen herrschte Westwind, der die Feuer in unsere Richtung treibt, inzwischen hat der Wind Gott sei Dank gedreht, aber wer weiss, wie lange?»

Die Mitarbeiterin eines anderen Châteaus äussert sich ebenso besorgt über den Rauch. Und sie ärgert sich über die öffentliche Wahrnehmung der Katastrophe: «Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung, aber mich bringt es auf die Palme, wenn es in der Zeitung und im Fernsehen heißt, dass die Feuer durch eine ‹außergewöhnliche Hitzewelle› verursacht wurden. Nein, es ist eben keine ‹außergewöhnliche Hitzewelle›, es ist der Klimawandel

Die Châteaux beherbergen Feuerwehrleute

«Ich denke zuerst an all die Menschen, die jetzt ihr Haus verlassen mussten», äussert sich Pierre-Baptiste Fontaine, Direktor der AOC Sauternes-Barsac. Hinsichtlich der Konsequenzen für die Ernte 2022 sei es noch zu früh, zu Einschätzungen zu kommen. Doch alle Weingüter in der AOC seien sehr besorgt: «Sie tun alles in ihrer Macht stehende, um die Löscharbeiten zu unterstützen – etwa, indem sie Schlafplätze für die aus ganz Frankreich angereisten Feuerwehrleute zur Verfügung stellen und indem sie sie mit Wasser und Essen versorgen». Auf Château La Tour Blanche beispielsweise, das nicht nur ein klassifiziertes Weingut, sondern auch eine Weinbauschule ist, seien zudem gerade Sommerferien, so dass es hier reichlich freie Zimmer gebe.

«Natürlich hoffen wir, dass der Wind den Rauch von den Weinbergen fernhält», so Fontaine am Ende des Telefonats. Das beste wäre ein ergiebiger Regen. Doch die Prognosen der Meteorologen von MeteoFrance geben hierfür wenig Anlass zur Hoffnung: Sie sagen für die nächsten zehn Tage sonniges und trockenes Wetter voraus, mit Temperaturen zwischen 28 und 33 Grad.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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