Der Douro schlängelt sich auf knapp 900 Kilometern Länge durch den Norden der iberischen Halbinsel.

Der Douro schlängelt sich auf knapp 900 Kilometern Länge durch den Norden der iberischen Halbinsel.
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Douro: Im Tal der roten Urkraft

Jahrhundertelang wurden die Trauben aus dem Douro-Tal im Norden von Portugal nahezu ausschliesslich für die Herstellung von Portwein verwendet. Erst in jüngster Zeit hat die Produktion von trockenen Tafelweinen an Bedeutung gewonnen – und bildet heute die Speerspitze der portugiesischen Weinkultur.

Was in Bordeaux die En-Primeur-Verkostungen sind, wurde vor einigen Jahren mit der «Primeira ­Prova» auch für das portugiesische Douro-Tal ins Leben gerufen. Die besten Winzer und Kellermeister der Region kommen zusammen, um ihre neuesten Weine zu präsentieren. Es ist eine einzigartige Mischung aus Schieferböden, den zahlreichen autochthonen Rebsorten und uralten Stöcken, welche die Trauben für die besten Kreszenzen liefern, die dafür sorgt, dass man heute die Rotweine aus dem Douro-Tal zu den besten Weinen Europas zählt.

Der vielleicht legendärste Weinbaubetrieb im Douro-Tal ist die Quinta do ­Noval, seit 1993 im Besitz der französischen AXA-Versicherungsgruppe. Der Managing ­Director der Weinbesitzungen des Konzerns, ­Christian Seely, ist nicht nur für die 143 Hektar Weinberge in Portugal, sondern auch für zahlreiche Güter im Bordelais, im Burgund, in Ungarn und im Napa ­Valley verantwortlich. Berühmt ist die Quinta do ­Noval für ihren Portwein, allen voran den Vintage Port mit der Zusatzbezeichnung Nacional, der aus wurzelechten Reben erzeugt wird, die nur zwei Hektar des Betriebs ausmachen. Entsprechend rar und teuer ist dieser Wein, dem der «normale» Vintage in den meisten Jahrgängen qualitativ allerdings nur wenig nachsteht.

Neben diesen Port-Ikonen hat sich Noval dank seines Know-hows inzwischen aber auch bei den Stillweinen einen exzellenten Ruf erworben. Bei den trockenen Rotweinen reift der Quinta do Noval Douro DOC ­Reserva ein Jahr im Holzfass, 50 Prozent des Weins in neuen französischen Barriques. Neu ist ab dem Jahrgang 2021 ein eleganter Weisser, der Douro DOC Reserva Vinho Branco, eine Cuvée aus 60 Prozent Viosinho und 40 Prozent Gouveio. Der Wein wurde ebenfalls im Holz vergoren wie ausgebaut.

Im Rotweinsektor gibt es unter dem Quinta-Label noch drei reinsortige Rebsortenweine aus Syrah, Touriga Nacional und Petit ­Verdot, aktueller Jahrgang ist hier wie bei der roten Reserve 2019. Darunter angesiedelt sind der rote und weisse Cedro do Noval, alltagstauglich sind die rote und die weisse Cuvée Maria Mansa. Im Sommer 2019 hat AXA mit der Quinta do Passadouro einen ­weiteren 36 Hektar grossen Topbetrieb von der ­belgischen Familie Bohrmann erworben. Und Noval-Direktor Seely ist nebenbei auch Mitbesitzer der Quinta da Romaneira. Hier wie da werden die Weine von Carlos ­Agrellos gemacht. Neben Portweinen erzeugt die Quinta ausserdem ein breites Spektrum an trockenen Douro DOC aller Couleurs.

Family and friends

Ein grosses Sortiment an trockenen Tafelweinen kommt aus den Besitzungen der Winzerfamilie Symington, die insgesamt 27 Quintas ihr Eigen nennt und auch die Porthäuser Graham’s, Dow’s, Warre’s, Cockburn’s und Quinta do Vesuvio hält. Dazu kommen im Stillweinbereich die Quinta do Ataíde mit dem Vinha do Arco, die alltagstauglichen Weine von Altano und andere mehr. Der beste Rotwein entsteht hier in einem Joint Venture, das man 1999 mit Bruno Prats gegründet hat. Prats & Symington brachte im Jahr 2000 erstmals eine Assemblage namens Chryseia heraus, bis heute einer der erfolgreichsten Rotweine der Appellation. Dieser entsteht auf der legendären Quinta de Roriz. Der Zweitwein von Chryseia ist der Post Scriptum, aus jungen Reben wird ausserdem der rote Prazo de Roriz hergestellt.

Auf der wunderschönen Quinta do Vesúvio wachsen nicht nur die Trauben für die gesuchten Vintage-Port­weine, sondern auch für einen tollen Rotwein. Für diesen Douro DOC Quinta do ­Vesuvio greift man auf die besten Trauben aus Touriga ­Nacional, Touriga Franca und Tinta ­Amarela zurück. Deutlich stärker vom floralen Touriga Franca geprägt ist die Cuvée des roten Zweitweins namens ­Pombal do Vesuvio. Unkompliziertes Trinkvergnügen garantiert schliesslich der rote Comboio do Vesuvio, der ohne Holzfass­ausbau auskommt.

Ein echtes Urgestein in Sachen Rotwein aus dem Douro-Tal ist die Casa ­Ferreirinha, ein Weingut, das heute zur grossen Sogrape-­Gruppe gehört und dessen Weine unter der Aufsicht des begabten Wine­makers Luís Sottomayor entstehen. Der berühmteste und bekannteste rote Stillwein mit DOC Douro, der Barca-Velha, gehört ebenso zum Portfolio der Casa ­Ferreirinha wie Quinta da Leda und ­Callabriga. ­Barca-Velha wurde 1952 erstmals gekeltert und kommt nur aus den allerbesten Jahren auf den Markt. Aktuell ist dies der Jahrgang 2011, und mit Preisen von etwa 630 Franken ist dies auch der teuerste Rotwein des Tals und wird bei den Portweinen nur von Noval Nacional übertroffen. Sehr gute Tafelweine von Casa ­Ferreirinha in Weiss und Rot kommen ­unter dem Namen Antonia Adelaide ­Ferreira auf den Markt. Preiswert und gut sind auch die Weine von Vinho Grande und Papa Figos.

Von Barca-Velha zu Meão

Zu den Stars bei den trockenen Weinen zählt die Quinta do Vale Meão. ­Francisco «Xito» Olazabal ist nicht nur einer der begabtesten Önologen des Landes, er kann auch auf die besten Weinberge zurückgreifen. Sein Vater, Vito Olazabal, war General­direktor des Portweinhauses A. A. Ferreira. Dessen Weingärten verblieben bis heute im Besitz der Olazabals und bilden die Basis für die grosse Qualität. Neben dem stets überragenden roten Douro DOC Quinta do Vale Meão erzeugt «Xito» einen Zweitwein namens Meandro – diesen gibt es auch in Weiss. Hinter den Etiketten der Serie Monte Meão stehen Rotweine aus Versuchsanlagen, etwa Monte Meão Cabeço Vermelho aus Tempranillo, Monte Meão Casa das Máquinas aus 80 Prozent Touriga Franca und 20 Prozent Tinta Barroca, Monte Meão Vinha dos Novos (100 Prozent Touriga ­Nacional) oder Monte Meão Vinha da ­Cantina (100 Prozent Baga).

Die Familie Roquette von der Quinta do Crasto erzeugt 15 verschiedene Stillweine, dazu gesellen sich Portweine und Olivenöl. 2002 ist man zudem eine Kooperation mit der Bordelaiser Familie Cazes eingegangen. 2003 erschien erstmals der Xisto von Roquette & Cazes, vinifiziert von Manuel Lobo und Daniel Llose, den Kellermeistern der Domänen. Auf Crasto führen zwei Lagenweine das Douro-DOC-Sortiment an. Der Vinha da Ponte wird wie der Vinha Maria Teresa aus durchschnittlich hundert Jahre alten Rebstöcken gewonnen und nur in Topjahren erzeugt. Und selbst dann kommen kaum 4000 Flaschen zustande. Ein toller Preis-Leistungs-Wein ist der Reserva Old Vines, fast burgundisches Trinkvergnügen bietet der Altitude 430.

Wie Crasto und Meão gehört auch die Quinta do Vallado zur Gruppe der «­Douro Boys», die sich einst um den visionären Dirk van der Niepoort gebildet hat. Wer bei Vallado zu den Topweinen Adelaide oder Vinha da Granja greift, muss sich auf Preise wie bei Deuxièmes Grands Crus im Médoc einstellen. Wer aber zur Reserva Field Blend oder Vallado Touriga Nacional tendiert, ­bekommt viel Wein für vernünftiges Geld.

Tiago Alves de Sousa ist ein Vertreter der jungen Weinmachergeneration Portugals. Seine Familie verarbeitet in fünfter Generation ausschliesslich Trauben aus den eigenen Weinbergen. Als Pionierbetrieb in Sachen trockener Tafelwein ist die Palette hier sehr breit. Ein sehr spezieller Rotwein trägt etwa den Namen Abandonado, er kommt aus einer kargen Höhenlage und ist ein Field Blend aus bis zu 30 Rebsorten.

Cristiano, der Vordenker

Cristiano van Zeller erwarb 1996 die Quinta Vale D. Maria und entwickelte das Weingut zu einem der besten der Region Cima Corgo im Herzen des Douro-Tals. Im Jahr 2017 verkaufte er den Betrieb an die Aveleda-Gruppe, ist aber weiterhin für die Vinifikation verantwortlich. Bereits 2007 übernahm er die alte Portweinfirma Van Zellers & Co, baute diese wieder auf und entwickelte zwei neue Stars am Himmel der trockenen Douro-Weine: weissen und roten CV – «Curriculum Vitae» – kraftvolle ­Speiseweine mit grossem Potenzial.

Sandra Tavares da Silva, als Kellermeisterin auch für den CV mitverantwortlich, hat gemeinsam mit ihrem Gatten, Jorge ­Serôdio Borges, der zunächst bei Dirk van der Niepoort arbeitete und dann die Quinta do Passadouro leitete, das Projekt «Wine & Soul» gegründet, das neben feinem Portwein auch klassische Tafelweine erzeugt. Ihr roter Pintas ist eine Cuvée von Trauben aus rund 30 Sorten von bis zu 80 Jahre alten Reben und geniesst heute ebenso Kultstatus wie der seidige Quinta da Manoella VV aus den ältesten Rebstöcken.

Jorge Moreira arbeitete zunächst als Önologe für die Real Companhia Velha, bevor er für die Quinta de la Rosa die Verantwortung übernahm. Dieses Weingut zählt neben Niepoort zu den Vorreitern der Entwicklung des klassischen Rotweins im Douro-Tal. Als sich für Moreira 2001 die Chance ergab, einen eigenen Weingarten zu erwerben, schlug er zu – das Weingut Poeira war geboren. Der Stil seiner Rotweine ist geprägt von Frucht, Frische und Delikatesse – und gemessen an ihrer Güte sind die Poeira-Weine noch dazu ausgesprochen preiswert.

Auch bei Ramos Pinto, dem bekannten Port Shipper, der seit 1990 zum Imperium des Champagnerhauses Louis Roederer gehört, spielt der trockene Rotwein eine immer wichtigere Rolle. Mit der Marke Bons Ares und den Reserven von Duas Quintas ist man international erfolgreich – die eleganten Rotweine von der Quinta de Ervamoira spielen in der Oberliga des Douro-Tals mit. Dazu kommen noch die schwergewichtigen Roten von der Quinta de Urtiga, erzeugt in limitierten Mengen aus über 100 Jahre alten Reben. In diesem Field Blend sollen nicht weniger als 63 Rebsorten enthalten sein. Vom Jahrgang 2018 wurden ­gerade einmal 3100 Flaschen mit stattlichen 15,6 ­Volumenprozent Alkohol erzeugt.

Niepoort, next generation

Am Weingut Niepoort selbst, dem Ausgangspunkt für die Entwicklung der trockenen Tafelweine in den letzten drei Jahrzehnten, scheint man bereits wieder einen Schritt weiter zu sein. Mit Daniel van der Niepoort ist hier inzwischen der Junior zugange – und setzt die Familientradition fort, das niederzureissen, was die Generation davor entwickelt hat. So erscheint es nur folgerichtig, wenn die roten ­Klassiker wie der Redoma, der Batuta oder der Charme, mit denen Vater Dirk die Revolution der Douro-Weine seinerzeit eingeleitet hat, nun scheinbar als Karikaturen dieser einst grossen Terroirweine auf die Flasche kommen. Und das liegt nicht etwa daran, dass diese Weine weniger Alkohol haben als jene der Winzerkollegen im Tal, sondern hier fehlt es eindeutig an Substanz.

Dass dieser Stil nicht passiert, sondern gewollt ist, beweist der Rotwein namens Turris 2018 aus den Trauben uralter Stöcke, der ebenso wie der Eduardo’s von 2015 aufzeigt, warum Niepoort bei Freunden des klassischen Rotweins einen guten Ruf ­genossen hat: Beide sind zwar schlank, ­haben aber Tiefgang und Charakter.

Fazit: In kürzester Zeit hat sich das Douro-Tal in eine Kernzone der allerbesten Rotweine verwandelt, die es qualitativ mit Giganten wie Bordeaux oder der Toskana aufnehmen kann. Die Hitze und Trockenheit trotzenden uralten Rebsorten bilden hier einen weiteren Pluspunkt in Zeiten des Klimawandels. Sicher scheint auch, dass das vorhandene Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft ist. Und fest steht jedenfalls, dass hier einige der besten Rotweine der Welt entstehen, die zumeist auch preislich noch sehr attraktiv gestaltet sind.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2022

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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