©️ Barbara Fienhold

Durbach: Ein Fass ohne Boden

Das möglicherweise schönste Weindorf Deutschlands ist eine Destination für Gourmets. Man ist sich einig, wo es den besten Wurstsalat, die frischesten Brötchen und die feinsten Torten gibt – ein halbes Dutzend Winzer ergänzen das Bild des kulinarischen Füllhorns.

Der Ritter in Durbach hat seine Rüstung abgelegt, ein lässiges Jäckchen angezogen und hört inzwischen auf den Namen Makidan, was so viel wie kleine Köstlichkeiten in geselliger Runde bedeutet. Neben des klassischen Menükonzepts werden vor allem Delikatessen im Zwischenspeisenformat von 8 bis 22 € pro Teller serviert, die man nach Gusto kombinieren kann. Der gastronomische Leiter André Tienelt hat unter anderem bei Sterne-Koch Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach gearbeitet und weiß, dass die Gäste keine Lust mehr auf große Menüs haben.

Die Küche spielt gerne mit asiatischen Zutaten, wie beim dezent exotischen Beeftatar mit Ingwer und Yuzu oder beim würzigen Iberico-Bäckchen, das durch Kokos und Soja pointiert wird. Tienelt richtet die Teller ansprechend an, will aber keine »Instagram-Handy-Küche« präsentieren. Die Produkte kommen weitgehend aus der Region. Sympathisches Memorial: Der selige Chef des Ritters, Wilhelm Brunner,  gehörte zu den Sterneköchen der ersten Stunde in Deutschland, seine badische Schneckensuppe ist als Evergreen immer noch zu haben.

Der Ritter versteht sich als Weinhotel, selbst im Spa gibt es vorzugsweise Kosmetika aus Weinbeeren und Traubenkernen. Im Restaurant »Makidan« sind über 700 Weine gelistet, wobei die lokalen und regionalen Spitzen von Alexander und Andreas Laible oder Andreas Männle auch deshalb besonders interessant sind, weil sie in Deutschland keineswegs überall zu haben sind. Zum Hotel-Repertoire gehört auch eine kleine Flotte an Oldtimern, die man mieten kann. Mit einem Austin Healey Mille Miglia wird eine Tour durch die Weinberge noch mehr zum Erlebnis. Als Hochsaison gilt für Durbach übrigens keineswegs der Sommer, sondern die abgekühlte Zeit zwischen September und November.

Im Winzerdorf

In Durbach scheint jeder Dritte von den 3.800 Einwohnern Winzer zu sein, tatsächlich aber machen den guten Ruf ein halbes Dutzend aus. Und von denen heißen auch viele noch ähnlich, Laible oder Männle. Alexander Laible ist ein dynamischer Typ, der sehr offensiv und selbstbewusst antritt. Sein Rosé »Unterm Radar« ist eine Kampfansage an die Übermacht aus Frankreich. »Ich will ein Zeichen setzen, dass nicht nur die Franzosen gut sind.« Der famose Rosé aus Spätburgunder und etwas Blaufränkisch ist so satt saftig und feinfruchtig, dass man das Glas immer halbvoll sehen möchte. Alexander Laible steht aber vor allem für Rieslinge und Burgundersorten. Schon der Basis-Riesling zeigt Qualität, was stets die Grundlage für Vertrauern in ein Weingut schafft. Der Riesling »Tausend Sterne« gehört mit Finesse und Extrakt zur Spitze des Sortiments. Chardonnays können fett, laut und überflüssig sein, der wunderbare »SL« von Laible ist frisch, leicht salzig und von leiser Art. Die ganze Kollektion zeichnet sich durch feingliedrige Leichtigkeit und scharfsinnige Präzision aus. Man erlebt die pure Frucht der Traube. Ganz oben in der Liga der besten Rotweine spielt der trockene Spätburgunder Reserve mit.

Auf einem anderen Planeten

Der Bruder Andreas Laible, der namentlich immer wieder zu großen Verwechslungen führt, aber inhaltlich von anderer Stilistik ist, befindet sich nur einen Kilometer weiter entfernt und doch auf einem anderen Planeten. Schon das Etikett signalisiert eher Tradition als Moderne. Das Weingut hat sich auf Rieslinge spezialisiert, die eine gewisse Reife brauchen, um ihre ganze Größe zu zeigen. Paradepferd ist der großartige Riesling Achat, der aber auch jung hervorragend schmeckt.

Laibles gibt es zwei, Männles recht viele. Das 1919 gegründete Weingut Andreas Männle hat nicht nur den modernsten Weinkeller und die schönste Vinothek für Verkostungen und Verkauf weit und breit zu bieten, sondern auch ein blitzsauberes Sortiment aus Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling, Spätburgunder und anderem mehr. Der »Klingelberger« ist eine lokale Besonderheit. Die Lage Klingelberg wird seit 1782 ausschließlich mit Riesling bestockt und ist der älteste reinsortige Rieslingweinberg Badens. Die 2,5 Hektar große Steillage bringt beachtliche Rieslinge hervor, weshalb der »Klingelberger« als Synonym für Güte steht. Thomas Männle, der das Weingut inzwischen in der vierten Generation führt, glänzt mit einem »Klingelberger 1782«, der ungemein frisch, filigran und saftig über die Zunge rollt. Für 17 € ein ganz großes Vergnügen. Eine spannende Eigenwilligkeit ist Männles »Generationenwein«, eine im Grunde ziemlich gewagte Cuvée der Lieblingsweine aller vier Männle-Generationen aus Weißburgunder, Klingelberger, Scheurebe und Clevner (Traminer). Das ausbalancierte Ergebnis ist glasklar, saftig, würzig und ziemlich geschmeidig.

Besser als jedes italienische Tiramisu

Kaum sonst in Deutschland finden sich auf kleinem Terrain so viele gute Adressen wie in Durbach. Das Café Müller, Bäckerei und Konditorei, hat Weltklasseformat. Torten, Kuchen, Pralinen und Schokoladen sind allesamt hausgemacht. Die famosen Torten fallen weder süß noch schwer aus, sondern schweben geradezu wölkchenleicht in den Mund. Die Himbeer-Charlotte aus hellem Biskuit, Vanille, Sahne, Eiweißmasse und aromatischen Himbeeren on top bekommt man im Umkreis von hunderttausend Kalorien nicht in dieser Finesse. Besser als jedes italienische Tiramisu ist die von ihr inspirierte Torte, die von einer solch unglaublichen Leichtigkeit ist, dass man glaubt, sich damit schlank essen zu können. Der Bestseller ist seit über vierzig Jahren die unwiderstehliche Grand Marnier Torte. Und wer einmal einen richtig guten Baumkuchen probieren will, sollte es in Durbach im Café Müller tun.

»Es braucht nur wenige Komponenten, die aber geschmacklich auf den Punkt kommen müssen«, meint Inhaber und Konditormeister Stephan Müller, so wie dies auch bei seinem Freund, dem Sternekoch Christian Müller vom legendären Adler im badischen Oberbergen der Fall sei. Des Müllers und der Kunden Lust sind außerdem Bauernbrot, Durbächerle-Brötchen und Baguette. »Wir gönnen unseren Produkten bis zu 72 Stunden Ruhezeit und verwenden keine Fertigmittel.« Das macht, wie jeder erleben kann, alles sehr bekömmlich und steigert den Geschmack. Sehr wenig Hefe und lange Ruhezeit zeichnet auch die Hausspezialität, das Paillasse-Brötchen aus. Paillasse heißt die Strohmatte, auf der sich der Bäcker einst während der Gärzeit des Teigs ausruhen konnte. Diese Anekdote ist indes nur halbgar.

©️ Barbara Fienhold
©️ Barbara Fienhold

Durbach ist eine Destination für Gourmets. Hier findet man noch Adressen, die der Stadtmensch selten erleben kann, schon gar nicht in dieser Qualität. Dazu gehört auch die Metzgerei Spinner, Prädikat regional genial. Im Laden hängt eine Widmung des Entertainers und gelernten Metzgers Stefan Raab, der die Mettbrötchen lobt, die er sich für Drehtage in der nahen Burda-Stadt Offenburg abholen ließ. Aber es gibt noch weit mehr, was gepriesen werden kann: Die dünne Salami namens Kirschbeißer mit Kirschwasser vom Edelbrenner Joachim Gmeiner, den satten Leberkäs, die feine Fenchelsalami, die Pasteten und Sülzen. Und, welch Seltenheit, Schweineschnauze. Alles hausgemacht. Bevor der Laden eröffnet, wird von den Waren die erste Scheibe abgeschnitten, damit alles wieder appetitlich aussieht.

»Den Unterschied schmeckt man«

Der schlaksige Fleischermeister Lars Spinner, der in der vierten Generation den Betrieb führt, nascht mit großen Augen beim gemeinsamen Verkosten gerne mit. Er mag, was er macht. Bei ihm wird  auch noch naturgeräuchert und nicht eben mal schnell ein Produkt in den Rauch gestellt, wie dies industriell geschieht. »Den Unterschied schmeckt man.« Sein Schwarzwälder Schinken wird in der Räucherkammer im Kaltrauch vier bis fünf Wochen lang schonend mit Fichtenholz und Tannenreisig geräuchert. Lars Spinner ist aber mehr noch für seinen Fleischsalat berühmt. Auf den Genussgipfel wird dieser im Lokal »Rebschenkel« getrieben, wo er in einer köstlichen Vinaigrette mit Senf und in Begleitung von delikatem Krautsalat als »kleiner badischer Wurstsalat« auf den Tisch kommt. Noch Wochen nach dem Rausch der Sinne im bacchantischen Durbach denke ich immer wieder an diesen göttlichen Wurstsalat.


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Ludwig Fienhold
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