Futter für die Seele
FOOD ZURICH möchte die Vielfalt der Schweizer Esskultur erlebbar machen. Nachhaltigkeit und coole Events ergänzen einander dabei prächtig.
Essen ist längst ein Lifestyle-Segment geworden, in dem es auch darum geht, Erfahrungen zu sammeln. Man möchte als Konsument schliesslich wissen, woher die Produkte kommen, die man gerade verspeist. Das Schweizer Festival FOOD ZURICH (dieses Jahr vom 7. bis zum 17. September) versteht es bestens, Kulinarik als grossen Abenteuerspielplatz zu begreifen, auf dem sich Alt und Jung gemeinsam vergnügen können. So kann man dieses Mal mit Experten in den Zürcher Stadtwald Pilze suchen gehen, Kinder kreieren mit Profis eigene Cocktails, Würste werden selbst hergestellt. Insekten, die Proteinbomben der Zukunft, werden zubereitet und alte Traditionsrezepte, bei denen möglichst wenig Abfall entsteht, neu interpretiert. Und natürlich dürfen auch Burger, die zu coolen Hip-Hop-Beats serviert werden, nicht fehlen. Ausserdem kann man in einem Schloss oder im Thermalbad fein dinieren.
Reste zum Feste
Das Line-up ist beeindruckend: 150 Events an elf Tagen. Der Fokus liegt auf Produkten aus der Region, dem Fördern von Nachwuchs und innovativem Kochen. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. «Wir haben ein wenig in den Norden geschielt und uns an der ‹Copenhagen Cooking› orientiert», erzählt Simon Mouttet, der das Festival gemeinsam mit Alexandra Heitzer im Vorjahr initiierte. 40 Prozent der Besucher seien junge Leute, die es toll fänden, dass bewusster Lebensstil grossgeschrieben wird. «Resteküche ist heuer ein grosses Thema, die Arme-Leute-Küche aus den Alpen wird gerade wieder entdeckt. Unter dem Stichwort «lunchen statt brunchen» werden alte Rezepte vom Grosi für den Sonntagsbraten ausprobiert», schwärmt Mouttet. Der Gastro-Manager Nicolas J. Maeder bestätigt diesen Trend zur Achtsamkeit: «In Zürich kann man als Gastronom auch in Bioqualität arbeiten, denn der Konsument ist bereit, für ein Top-Produkt Geld auszugeben. Die Systemgastronomie boomt – und ein Gebot der Stunde lautet: frisch, gesund, schnell. Dies stellt natürlich gerade mittags für klassische Restaurants eine grosse Herausforderung dar.»
Authentizität auf dem Teller
Die Schweiz ist zwar flächenmässig klein, aber ihre höchst unterschiedlichen Landschaften garantieren ein reiches kulturelles Erbe, gerade was die Küche betrifft. «Authentische traditionelle Lebensmittel aus der Region werden als Kulturgut wertgeschätzt. Köchinnen und Köche sind sich des Werts der Vielfalt der Arten und Geschmäcker mehr und mehr bewusst», erzählt Patrick Honauer, ein Urgestein der Szene. Er hat den ersten Bergkartoffelmarkt in Rapperswil ins Leben gerufen, arbeitet bei seinen Projekten mit Lebensmittelüberschüssen, kocht gemeinsam mit Flüchtlingen und betreibt ein regionales Food-Netzwerk. Ihm geht es darum, das Bewusstsein für die Herkunft täglich konsumierter Produkte zu schärfen. «Junge Menschen wollen vermehrt Essen teilen, partizipieren und kollaborieren – man kennt das Ganze auch unter dem Stichwort: solidarische Landwirtschaft. Gutes und nachhaltiges Essen wird zur Normalität; bewusstes Einkaufen zur Kultur, oft sogar zum Kult.»
Für Honauer ist die FOOD ZURICH diesbezüglich ein «Thinktank mit Praxis». In den angebotenen Workshops sollen Grund- und Spezialwissen vermittelt werden, dem klassischen Käsefondue wird ebenso Platz eingeräumt wie jungen wilden Kreationen. Die Innereien-Küche wird gewürdigt, und Sterneköche arbeiten gemeinsam mit Kindern. Weintouren, Barista-Kurse und die Geheimnisse des Fermentierens, Grillierens, Niedriggarens oder Smokens sollen auch verstärkt Hipster ansprechen. Die Schweizer Slow-Food-Gastronomin Laura Schälchli sieht in dem Festival «eine wunderbare Chance der Wissensvermittlung rund um Essensthematiken». Zürich scheint dieser Spagat erstaunlich gut zu gelingen: Man schaut auf seine Wurzeln, blickt aber gleichzeitig nach vorn. «Wir hinken im Slow-Food-Bereich zwar etwas hinterher, aber in den letzten drei Jahren hat sich viel getan», sagt Schälchli.
Und was hat Co-Festivalleiter Simon Mouttet im Vorjahr am meisten beeindruckt? «Kochen und Backen mit Blut», sagt er, ohne zu zögern. Als Kind wollte er selbst Koch werden. Mittlerweile ist er glücklich, dass er zumindest eine Bühne schaffen kann für die vielfältige Küche der Schweiz.
Weitere Impressionen finden Sie in der Bildgalerie:
Aus dem Falstaff FOOD ZURICH Spezial 2017