Tobias Hoesli: Der grüne Chef
Die vegane Küche ist seine Leidenschaft. In seinem Restaurant «Marktküche» in Zürich hebt Tobias Hoesli sie auf Gourmetniveau und beweist damit, dass vegan weitaus mehr ist als nur ein vorübergehender Hype.
Bereits beim Betreten der «Marktküche» fragt man sich, ob man hier wirklich bei einem Veganer gelandet ist. Das edle Ecklokal mit seinen weiss gedeckten Tischen und den coolen Lampen wirkt ganz anders als der stadtbekannte alternative Veganer. Ein Blick in die Karte bestätigt den ersten Eindruck. Was hier aufgetischt wird, hat mit der herkömmlichen vegetarischen Küche wenig zu tun: Frisch gehobelte weisse Alba-Trüffel über hausgemachten Spinat-Ravioli an Weinschaumsauce oder aromatische Selleriesuppe mit süsser Aprikosenkonfitüre.

Mit seinen gerade einmal 27 Jahren weiss Gastgeber und Küchenchef Tobias Hoesli bereits ganz genau, auf was er Wert legt. Fleischersatzprodukte sucht man in seinem Restaurant vergeblich, denn bei Hoesli wird Fleisch nicht einfach imitiert, sondern es werden mit saisonalen Produkten ganz neue Kreationen geschaffen, ohne dass der Gast dabei das Gefühl hat, dass irgendein Bestandteil fehlt. «Um dies zu erreichen, experimentiere und hantierte ich mit alten Gemüsesorten und Kräutern, nehme Gerichte auseinander und setze sie wieder komplett neu zusammen», erklärt uns der Jungkoch. Das Ergebnis: spannende, ungewohnte Geschmackskombinationen und eine gehobene Kochkunst ohne tierische Produkte im grossen kulinarischen Stil.
Bereits während seiner Kochlehre schaute Hoesli hinter die Kulissen der Massentierhaltung und wollte diese nicht weiter unterstützen: «So wurde ich Vegetarier und später sogar Veganer. Trotzdem war es mir wichtig, weiterhin gut und abwechslungsreich zu essen. Dies war als Veganer fast nur im privaten Bereich möglich.» Dadurch entstand die Grundidee zum Restaurant «Marktküche»: veganes Essen mit Genuss, wobei der Genuss immer im Vordergrund stehen sollte.
Der Erfolg gibt ihm Recht. Mit seiner «Marktküche» hat er sich bereits eine grosse Fangemeinde erkocht, die nicht ausschliesslich aus Veganern besteht. Hoesli schätzt, dass lediglich zehn bis 20 Prozent seiner Gäste Veganer sind und 30 bis 40 Prozent Vegetarier. Mit kreativen und spannenden Ideen zaubert Hoesli ein neues Geschmackserlebnis, das auch Fleischliebhaber begeistert.

Kulinarischer Wetterfrosch
Seinen momentanen Kochstil beschreibt er als «modern und europäisch, mit dem Fokus auf französischer und Schweizer Küche». Dabei haben saisonale und lokale Produkte oberste Priorität. «Gerne koche ich mit Zutaten, die nicht immer verfügbar sind, wie zum Beispiel frische Waldpilze oder Spargeln. So bestimmen die Jahreszeit und das Wetter, was am Abend auf der Karte steht. Im Frühling und Sommer experimentiere ich häufig mit frischen Kräutern und Blumen. Im Winter hingegen mit Gewürzen wie Zimt und Sternanis.» Viele seiner Gerichte sind spielerisch, aber ohne Chichi – vom Brot bis zur Pasta wird alles selber hergestellt.Tobias Hoesli will mit seiner Arbeit jedoch vor allem dem Essen ein Gewicht schenken. «Essen ist etwas sehr Intimes und Persönliches. In der heutigen Zeit verkommt Essen mehr und mehr zur schlichten Nahrungsaufnahme; dem möchte ich in meinem Restaurant ein Stück weit entgegenwirken.» Seine Kreationen drücken daher stets Genuss, Freude und Leidenschaft aus. Nach einem stressigen 16-Stunden-Tag ist das Lob seiner Gäste die grösste Belohnung für Tobias Hoesli, «dann weiss ich, dass sich all die Mühen und Anstrengungen gelohnt haben, denn ich möchte nicht nur auf das Stichwort vegan reduziert, sondern als guter Koch wahrgenommen werden». Das hat er längst geschafft.
