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Die Schokorevolution

Der Schweizer Tausendsassa Dieter Meier ist Künstler, Visionär und Biobauer. Nach Weinbau und Rinderzucht widmet er sich nun der Kakaobohne.

Dieter Meier ist immer für eine Überraschung gut. Als Stimme des Schweizer Kult-Duos Yello hat er eine eigenständige Form von Popmusik kultiviert und im Vorbeigehen mit dem Stück «The Race» einen Welthit gelandet. Die Musik ist freilich nur eine von vielen Leidenschaften des facettenreichen Mannes aus Zürich. In jungen Jahren war er professioneller Pokerspieler, auch als Golfer und im Polo hat er es zu einiger Meisterschaft gebracht.
In den letzten Jahren nahm das Thema Essen und Trinken einen immer grösseren Stellenwert in seinem Leben ein. 1997 kaufte er in Argentinien erstmals Land, mittlerweile züchtet er auf einer 100.000 Hektaren grossen Ranch Rinder und baut Wein an. Beides verkauft er in seinen «Ojo de Agua»-Restaurants in Zürich, Frankfurt und Berlin.

«Am Anfang stehen immer Neu­gier, Leidenschaft und eine Idee. Bei allem, was ich mache, geht es mir darum, die bestmögliche Qualität zu liefern», Dieter Meier, Unternehmer & Künstler

Dieter Meier raste mit seiner Band Yello durch die Charts. Der Zürcher Globetrotter ist auch erfolgreicher Unternehmer. 
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Dieter Meier raste mit seiner Band Yello durch die Charts. Der Zürcher Globetrotter ist auch erfolgreicher Unternehmer. 

Unternehmergeist

«Am Anfang stehen immer Neugier, Leidenschaft und eine bestimmte Idee», erklärt er, was ihn antreibt. «Bei allem, was ich mache, geht es mir darum, die bestmögliche Qualität zu liefern. Das Fleisch, das wir produzieren, ist ganz unbescheiden gesagt das beste Fleisch der Welt. Das Ganze muss aber auch kommerziell funktionieren. Es geht mir nicht primär da-rum, Geld zu verdienen, aber ich denke immer unternehmerisch.
»Der Unternehmergeist wurde Meier in die Wiege gelegt, die Genussfähigkeit nicht. Sein Vater war einer der reichsten Banker der Schweiz, als Selfmade-Millionär lebte er jedoch bescheiden. «Er hat nicht gegessen, sondern eigentlich nur Nahrung aufgenommen», erinnert sich der Sohn. «Essen war für ihn einfach unwichtig. Wir gingen auch nie in Gourmet-Restaurants».
Er selbst schätzt am Essen im Grunde die einfachen Dinge, erzählt er, freilich in höchster Qualität. Wenn sich Dieter Meier an einem seiner fünf Wohnsitze – Zürich, Los Angeles, Argentinien, Ibiza, Berlin – in die Küche stellt, dann geht es ihm darum, «die natürlichen Aromen der Produkte herauszuarbeiten. Ich verwende kaum Gewürze. Man soll Nahrungsmittel nicht durch irgendwelche Schmähs verändern, sondern den natürlichen Charakter schmecken. Mein Motto lautet: ‹Honouring the Product›.»

An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (u.) wurde ein neues Verfahren für Schokolade entwickelt. Kakaobohnen werden ungeröstet zu Pulver gemahlen.  
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An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (u.) wurde ein neues Verfahren für Schokolade entwickelt. Kakaobohnen werden ungeröstet zu Pulver gemahlen.  
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Mehr Geschmack aus der Bohne

Mit diesem Anspruch tritt er nun auch an, um die Welt der Schokolade zu revolutionieren. Meiers jüngste Mission ist es, die Kakaobohne zu ehren. Vor Jahren kam ihm zu Ohren, dass an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Wädenswil eine neue Extraktionsmethode entwickelt wurde, «die hundert Mal mehr Geschmack aus der Kakaobohne herauszieht. Bisher wurde sie ja malträtiert und bei hohen Temperaturen geröstet. Dadurch sind der gesamte Geschmack und die Komplexität der Aromen verschwunden. Das Kakaoaroma ist bei konventioneller Schokolade nur noch hinter einer Mauer aus künstlichen Aromen und Bitterkeit erfahrbar.»
Bei der Meier-Methode wird die Bohne ungeröstet zu Staub zermahlen, dann kommt Wasser hinzu. Die entstandene Masse durchläuft anschliessend einen komplizierten Extraktions- und Filterprozess. Das Resultat: «Unsere Schokolade schmeckt überraschend anders, sie bietet ein natürliches, ursprüngliches Geschmackserlebnis.» Wie beim Wein soll es in Zukunft sogar möglich sein, die Herkunft der Kakaobohnen zu schmecken. Von «leicht und blumig duftend» bis «erdig und rauchig» reicht das Bukett der aus Grenada, der Dominikanischen Republik oder Kuba stammenden Früchte.

«Der schonende Erzeu­gungs­prozess ergibt eine Schoko­lade, die nur einen Bruchteil des heute üblichen Zuckers enthält», Dieter Meier über seine Schoggi-Revolution

Mit seinen Restaurants «Ojo de Agua» trifft Meier nicht nur den Geschmacksnerv der Zürcher. Ableger davon gibt es auch in Buenos Aires, Berlin und Frankfurt.  
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Mit seinen Restaurants «Ojo de Agua» trifft Meier nicht nur den Geschmacksnerv der Zürcher. Ableger davon gibt es auch in Buenos Aires, Berlin und Frankfurt.  

Dieter und die Schoggi-Fabrik

Für September und Oktober kündigt Meier die offizielle Präsentation seiner Schokolade in Zürich an. Alle bislang zu Rate gezogenen Vortester hätten mit Begeisterung reagiert. Auch die grossen Schokoladenfirmen seien inzwischen «sehr interessiert. Die wollen das weltweit lancieren und mit mir zusammenarbeiten. Momentan wird von einer exklusiven Übernahme des Verfahrens bis zu Beteiligungen alles erörtert.» Die jetzt schon existierende kleine Fabrik möchte Meier aber auf jeden Fall weiterhin selbst führen.
In zehn Jahren werde Schokolade nur noch nach seinem Verfahren hergestellt werden, ist er überzeugt. Als keineswegs nebensächlichen Aspekt führt er das Thema Gesundheit an: «Der schonende Erzeugungsprozess ergibt eine Schokolade, die nur einen Bruchteil des heute üblichen Zuckers enthält. Mein Credo lautet, dass man Genuss zu einer gesunden Sache machen soll. Ich spreche hier von einer Schoggi-Revolution.»
Dieter Meier ist mit seinen jugendlichen 72 Jahren ein rastloser Geist, der ständig neue Ideen ausbrütet und auf vielen Baustellen gleichzeitig arbeitet. Die nächsten Monate versprechen, besonders arbeitsintensiv zu werden. Yello geht wieder auf Tournee. Und in Argentinien entsteht gerade – «hoch oben in den Anden» – eine neue Bodega. 
Wie der Meier das alles koordiniert? «Da geht es mir wie einem chinesischen Teller-Jongleur», lacht er – «manchmal gerät die ganze Konstruktion ins Wackeln. Dann muss man wieder am Stecken schütteln, damit die Teller nicht runterfallen.»

Erschienen in
Food Zurich Spezial 2017

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Sebastian Fasthuber
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