Die Whisky-Industrie erwirtschaftet heute rund 60 Milliarden Dollar pro Jahr. Dieser riesige Markt zwingt die Unternehmen und Brennereien dazu, sich von den anderen abzuheben – das lässt neue Trends entstehen.

Die Whisky-Industrie erwirtschaftet heute rund 60 Milliarden Dollar pro Jahr. Dieser riesige Markt zwingt die Unternehmen und Brennereien dazu, sich von den anderen abzuheben – das lässt neue Trends entstehen.
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State of the Malt: Acht Whisky-Trends die man kennen sollte

Rund 40 Whiskynationen bringen heute Abwechslung ins Glas. Die einst konservative Branche zeigt sich aber auch generell experimentierfreudig: Acht Trends in Sachen Single Malt, Bourbon und Co.

1. Das Ende des «Fünfer-Clubs»

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass die Whiskywelt in Bewegung ist, lieferte ihn die US-Behörde «TTB»: Geht ihr Entwurf durch, wird es im Land des Bourbons demnächst eine neue Kategorie geben, nämlich «American Single Malt». Immerhin wünschen sich das 130 Brennereien, die auf Gerste statt Mais setzen. Zwar gehörten die USA immer schon dem Club der fünf Whiskynationen (neben Schottland, Irland, Kanada und Japan) an, doch der Single Malt regiert längst global. Unter den 38 Whisky-Erzeugerstaaten finden sich neben allen deutschsprachigen Ländern etwa auch Bolivien, Mexiko, Taiwan oder Neuseeland.

Was sie destillieren, sind keine Kuriositäten. Denn die neuen Whisky-Länder bereichern die Geschmackswelt zum einen durch bislang ungekannte Reifebedingungen – etwa im tropischen Klima Indiens («Paul John») oder der feuchten Hitze Taiwans («Kavalan»). Die Verdunstung, der berühmte Anteil der Engel («angels’ share»), liegt aber auch bei Newcomern wie der israelischen Whiskydestillerie «Milk & Honey» bei satten sieben Prozent im Jahr, wogegen Schottland auf bescheidene zwei Prozent kommt. Dass hier andere Geschmacksprofile bereits bei jüngeren Abfüllungen vorliegen, spielt den Newcomern in die Karten.

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2. Bourbon-Fass? Wie fad!

Weinfässer sind die österreichische Antwort auf die weltweit gebrauchten, ausrangierten Bourbon-Fässer. Dem Whisky final andere Quartärnoten aus dem Fassholz angedeihen zu lassen, ist seit 40 Jahren etablierte Praxis. Abseits von Schottland fällt ein solches «Finish» noch bunter aus, da es keine Eichenfässer sein müssen: Kastanien- oder Akazienholzfässer sind also im kleinen Stil auch möglich, berühmt wurde die «Wassereiche» alias Mizunara als spezifisches japanisches Fass-Holz. Der erste irische Whiskey etwa, den Glendalough in Japan-Eiche reifen ließ, wurde zur ­Sensation.

Dazu kommen nationale Getränke als Vorbelegung der Gebinde – und das bis an die Grenze der Skurrilität. So hat sich die schwedische Destillerie Mackmyra für ihren «Moment Jakt» des traditionellen Fruchtweins aus Preiselbeere und Heidelbeere («Jaktvin») besonnen. Denn für neue Produktionsländer sind solche Fässer eine Möglichkeit, Whisky-Nerds neugierig zu machen. Oder sie stellen einen simplen Logistikvorteil dar. Etwa, wenn man in Melbourne bei «Starward» mehrheitlich Rotwein-Barrels aus dem berühmten Barossa Valley einsetzt.

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3. Wer knackt den 100er?

Whisky ist immer eine Art Zeitkapsel. Doch der inoffizielle Wettbewerb um die am längsten gereifte Abfüllung bewegt sich längst abseits der 20- oder 30-jährigen Single Malts. Aktuell hat Macallan im «Race for 100», dem Streben nach einem 100-jährigen Whisky, die Nase vorne. «The Reach» hiess der 81 Jahre gelagerte Malt, der heuer um 92'000 Pfund pro Flasche auf den Markt kam. Kurz zuvor hatte der unabhängige Abfüller Gordon & MacPhail seinen «80 years» (ein «Glenlivet») vorgestellt. Seine Frische überraschte bei der Verkostung in Frankfurt.

Doch es geht bei diesen Methusalems nicht nur um den Geschmack. Anders als etwa beim Cognac, wo die weitere Veränderung der ältesten Qualitäten in Glasballons gestoppt wird, muss Scotch im originalen Fass bleiben – und weiter langsam verdunsten. Technisch gilt es dabei zu beachten, dass der alte «Stoff» nicht unter 40 Volumsprozent fällt. Denn dann wäre er zwar 100 Jahre alt, dürfte sich aber nicht mehr «Scotch Whisky» nennen. «Ein volles Warehouse fungiert wie eine Abdichtung», erklärte Stephen Rankin (Gordon & MacPhail) den Weg zu Whiskies wie dem «80 years», der noch 44,9 Volumsprozent aufweist. Der wichtigste Punkt dürften aber die Fassdauben gewesen sein: «Sie waren doppelt so stark wie heute üblich». Gute Karten für den ersten «100er»?

4. Strenge nach dem Boom

Wie etabliert ein Whisky-Land ist, zeigt sich auch an den Regelungen, die man sich für den Getreidebrand auferlegt. Das bekannteste Beispiel stellt wohl Japan dar, das nach Preisexzessen, die einer unerwarteten Nachfrage nach den «Exoten» aus Fernost geschuldet waren, die Notbremse gezogen hat. Spätestens ab 31. März 2024 darf «Japanese Whisky» nicht mehr mit importiertem (meist schottischem) Destillat erzeugt werden. Vorgeschrieben ist dann eine verpflichtende Destillation im Inselreich sowie drei Jahre Mindestlagerung der Destillate in Fässern unter 700 Litern. Auch japanische Symbole, Schriftzeichen oder Namen sind dann nur für regelkonform gebrannte Whiskys erlaubt.

Auch Neuseeland schiebt mit einem neuen Vorstoß dem Verschnitt mit Whisky-Importen, der schneller die Menge an Output erhöht, einen Riegel vor. Auch hier waren die Produzenten, konkret die Vereinigung «Distilled Spirits Aotearoa», die treibende Kraft. Immerhin ist man beim Benamsen «down under» liberal. Ob «Whisky» oder «Whiskey» auf den Labels steht, überlässt man den Brennern.

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5. Whisky als Fan-Artikel

Von James Bonds Aston Martin «DB5» können die meisten nur träumen. Doch mit einer Investition von rund 300 Euro kommt ein Aston Martin ins Wohnzimmer. Genauer gesagt, der Bowmore «Masters’ Selection», der in Partnerschaft mit der britischen Nobelmarke entstand. Seit 2019 stellt die Whiskybrennerei auf Islay Abfüllungen mit mehr oder weniger starkem Bezug zu den Sportwägen her. Jüngster Streich mit 100 Flaschen weltweit: «ARC-52», ein 52-jähriger Whisky im futuristischen Dekanter.

Das Prestige von Lifestyle-Marken zu verknüpfen, bringt dabei eine Reihe ungewöhnlicher Kombinationen für Single-Malt-Fans hervor. So können Fans der poppigen Agentenfilmreihe «The Kingsman» von Matthew Vaughn einen 25-jährigen Glendronach zur DVD trinken. Und soeben hat «Bushmills» zur letzten Staffel der BBC-Serie «Peaky Blinders» einen an die 1920er-Jahre angelehnten Whiskey vorgelegt.

Selbst die Hochkultur hat den Whisky längst als Vehikel entdeckt, wie die exklusiv für die Bayreuther Festspiele gefüllte limited Edition von «Highland Park» beweist. «Wotan» – wie auch die Vorgänger «Erda» und «Brunhilde» nach Wagner-Figuren benannt – stellt die bislang rauchigste Version der Orkney-Destillerie dar.

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6. Runter vom Gas

Die massiven Anstrengungen der Destillerien in Sachen Energiewende und -autarkie gingen bislang eher an den Whisk(e)y-Fans vorbei. Ab und an eine PR-Aussendung zur Umrüstung grosser Destillerien auf nachhaltige Brennstoffe, das war es schon. Doch während über die Rohstoffe – siehe auch unsere anderen Trends! – viel diskutiert wird, ist für die Destillation auch die Energiefrage entscheidend. Die historische Kohlestaub-Feuerung, auf die etwa «Nikka» noch in seiner Yoichi-Destillerie im fernen Japan setzt, ist längst (meist) mit Gas betriebenen Dampfsystemen gewichen.

Dass es auch anders geht, zeigen nicht erst seit dem Ukraine-Konflikt viele «Farmhouse»-Brennereien. So befeuern die Waldviertler Whisky-Brenner Oswald Weidenauer und Hermann Rogner ihre Brenngeräte nur mit Holz aus dem eigenen Wald. Osttirols Whisky-Brüder Florian und Johannes Kuenz setzen auf Hackschnitzel und Hannes Wakolm verwendet nicht nur die Asche seiner Holzfeuerung als Dünger, auch die Reste der Getreidemaische aus Bad Leonfelden nutzt er: Als Futter für die passenderweise «Whisky-Sau» genannten Schweine.

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7. Biodynamisch gemälzt

Mit den ersten Abfüllungen der Destillerie «Nc’nean» in den Highlands kam ein Trend im Herzen der Whiskyproduktion an, der global bereits länger umgesetzt wird. Annabel Thomas reiht sich mit ihrer ausschließlich mit Biogetreide produzierten Linie in eine Reihe ein, in der etwa auch der Mostviertler Josef Farthofer (mit alten Sorten wie Schlägler Roggen oder Nackthafer) steht. Parallel stellte auch der irische Whisky-Revoluzzer Marc Reynier den ersten Demeter-zertifizierten Brand aus seiner «Waterford»-Brennerei vor. Während deren «Luna» die aus dem Weinbau vertrauten biodynamischen Prinzipien auf den Irish Whiskey übertrug, kommt die generelle Hinwendung zum Biogetreide kleinen Produzenten in aller Welt zugute – speziell in einem Land der Kornvielfalt wie Österreich.

Doch auch in den USA hat sich die Suche nach nachhaltigen und in diesem Falle auch nicht-genmodifizierten Getreiden unter den Brenner-Start-ups etabliert. «Heirloom grain» nennt sich diese Bewegung, die im Brennkessel auf das setzt, was man hierzulande als «alte Landsorten» bezeichnen würde.

8. Je jünger, je besser

Mit dem Boom von Whisky-Destillerien kam auch Bewegung in die teuerste Facette dieser Spirituose: die langen Lagerzeiten. Unter drei Jahren gibt es – zumindest in der EU – schließlich die Bezeichnung Whisky nicht. Dabei blieben lange «8 years» die tatsächliche Untergrenze am Etikett. Mutige Abfüllungen wie der «5 years» der Islay-Destillerie Laphroaig zeigen hier den Wandel, der sich auch besseren Einblicken in die Reifeprozesse, das so genannte Fass-Management, verdankt. Selbst der «new make», also noch unter dieser Dauer gelagerter Whisky, wird heute als purer Ausdruck des Destillerie-Stils nachgefragt, wie etwa Peter Affenzellers «White» aus Oberösterreich beweist.

Dazu kommen innovative Schnell­reife-Verfahren, deren Methoden von Ultraschall bis zu möglichst viel Holzkontakt in kurzer Zeit reichen. Neben den USA findet sich ein Pionier dieses technischen Zugangs mit «Seven Seals» in Schweizer Hand; Dolf Stockhausens Verfahren «Fast-Forward-Finishing» hat den Whiskys schon etliche Preise eingebracht. Mit dem neuen Partner «Dunrobin Distilleries» in Kanada soll das Verfahren auch dort zum Einsatz kommen. Ganz nach dem Motto: «Nicht Zeit zählt, sondern Geschmack.»


Roland Graf
Autor
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