Die eindrücklichen Rebterrassen des Lavaux gehören seit 2007 zum UNESCO-Welterbe.

Die eindrücklichen Rebterrassen des Lavaux gehören seit 2007 zum UNESCO-Welterbe.
© Schweiz Tourismus / Marcus Gyger

Waadtland: Weinbau mit Panorama

Spektakuläre Rebterrassen, terroirgeprägte Weissweine und rote Spezialitäten wie Plant Robert machen den zweitgrössten Weinbaukanton des Landes zu einem Paradies für Weinliebhaber.

Unter den Weinanbaugebieten der Schweiz nimmt der Kanton Waadt eine Sonderstellung ein: Der zweitgrösste Weinbaukanton des Landes ist der einzige, in dem weisse Trauben­sorten dominieren. Fast 60 Prozent der Rebflächen sind mit Chasselas bestockt. Die Sorte bildet die DNA der gesamten Region, wobei sich deren Anteil je nach Anbauregion unterscheidet. Das ­Waadtland wird unterteilt in die unweit des Genfersees gelegenen Regionen Lavaux, Chablais und La Côte, Côtes de l’Orbe und Bonvillars zwischen Neuenburgersee und Jura sowie Vully am Murtensee.

Um den Ursprungsort des Chasselas – der meistangebauten weissen Rebsorte der Schweiz – ranken sich zahlreiche Legenden. 2009 konnten die Rebenforscher José Vouillamoz und Claire Arnold im Rahmen einer historisch-genetischen Studie an der Universität Neuenburg seine Herkunftsregion auf den Genferseeraum eingrenzen. Hier weist die Sorte ihre grösste biologische Vielfalt auf.

Ein Konservatorium für den Chasselas

Im Jahr 1820 verzeichnete der Botaniker Augustin-Pyrame de Candolle 42 unterschiedliche Chasselastypen in seiner Sammlung, die heute leider verschwunden ist. Um einen Teil der biologischen Vielfalt des Chasselas in der Neuzeit zu erhalten, wurden alte Rebberge durchforstet und über 300 unterschiedliche Klone oder Biotypen des Chasslas aufgespürt. 19 davon finden sich heute in den Chasselas-Konservatorien von Rivaz und Mont-sur-Rolle. Die Idee zur Gründung eines Chasselas-Konservatoriums hatte der Waadtländer Ausnahmewinzer Louis-Philippe Bovard, als er zusammen mit dem damaligen Leiter der Önologie der Forschungsstation Agroscope das Terroir der Region studierte. 2010 errichtete Bovard das erste Conservatoire Mondial du Chasselas oberhalb von Rivaz, 2017 folgte jenes in Mont-sur-Rolle, das von der Winzerin Laura Paccot vom Weingut La Colombe geführt wird. Beides Betriebe, die mit ihren Chasselas-Gewächsen seit langer Zeit zu den Aushängeschildern der Region gehören.

Die weisse Waadtländer Leitsorte ist subtil und spiegelt ihr Terroir wie kaum eine andere Traube wider – und im Waadtland ist dieses besonders divers. Diesem Umstand tragen die Waadtländer Weinproduzenten Rechnung, indem sie ihre Weine gerne mittels Herkunft und ohne Rebsortenangabe vermarkten: Yvorne, Saint-Saphorin oder Féchy sind nur drei von rund 150 erfassten Chasselas-Produktionsorten. Besonders heraus stechen hierbei die beiden Grands Crus Calamin und Dézaley im Lavaux, die unter Chasselas-Liebhabern Legendenstatus besitzen. Dank besonders günstiger Bedingungen besitzen die Chasselas-Trauben hier eine höhere phenolische Reife als anderswo im Waadtland. Die Gewächse sind kraftvoller und opulenter – aber auch deutlich langlebiger. Dies gilt insbesondere für Weine aus der 54 Hektar grossen Lage Dézaley, die wegen ihres Renommees immer wieder mit Lagen im Burgund verglichen wird. Die typischen Rebterrassen im Dézaley erstellten Zisterziensermönche bereits im zwölften Jahrhundert. Und auch wenn sich rund 2000 der insgesamt 3782 Hektar Waadtländer Rebfläche in La Côte befinden, bildet das Lavaux zwischen Montreux und Lausanne das Herz der Region. Die eindrückliche Weinbauregion mit ihren etwa 10.000 ­Rebterrassen ist zweifelsohne eine der schönsten der Schweiz, wenn nicht ganz Europas und zählt seit 2007 zum UNESCO-Welterbe. Die Reben profitieren hier von den sogenannten «drei Sonnen», womit die direkte Sonneneinstrahlung, die ­Reflexion des Genfersees und die Abwärme der ­unzähligen Trockensteinmauern gemeint sind. Während die Böden im Lavaux vom Rhônegletscher geprägt sind, sind sie in La Côte zwischen Lausanne und Nyon leicht und kiesig, an den Hängen der Juraausläufer eher schwer. Im Chablais wiederum, das sich zwischen Villeneuve und dem Wallis befindet, bestehen sie teilweise aus Schutt von Bergstürzen. Klimatisch ­begünstigt hier der Föhn die Traubenreife.

Heimat des Eidechsliwy

Der Kanton Waadt ist auch die Heimat des Aigle les Murailles – des wohl bekanntesten Schweizer Weins überhaupt. Der Weisswein besteht ebenfalls aus Chasselas. Den namensgebenden Rebberg erwarb Henri Badoux im Jahr 1908, das legendäre Etikett kreierte der berühmte Waadtländer Maler Frédéric Rouge im Jahr 1919. Seitdem ziert den Wein die im Chablais beheimatete Smaragdeidechse, was dem Chasselas Aigle les Murailles den Spitznamen «Eidechsliwy» einbrachte. Heute umfasst die Linie von Badoux gleich vier Varianten, darunter auch einen Schaumwein und eine rote Version.

Klar dominiert die Rebsorte ­Chasselas das Waadtland, Rotweine aus dem Weinbaukanton machen aber immer mehr von sich reden. Neben klassischen roten Sorten wie Pinot Noir und Gamay existieren einige Spezialitäten im Kanton: Servagnin etwa, eine uralte Pinot-Noir-Mutation aus der Region von Morges, für die unter anderem das Weingut Henri Cruchon bekannt ist, oder Plant Robert, ein alter Gamay-Klon der ausschliesslich im Lavaux angebaut wird und dem unter anderem Winzer Blaise Duboux wieder Leben einhaucht. Das Zentrum der Waadtländer Rotweinproduktion befindet sich aber nicht am ­Genfersee, sondern im sogenannten Jura-Nord ­vaudois mit den beiden weniger bekannten Anbaugebieten Côte de l’Orbe und ­Bonvillars zwischen dem Neuenburgersee und den Jurahängen.

In der Côte de l’Orbe finden sich kalk- und tonhaltige Böden sowie Molasse und das Klima ist trockener als anderswo im Waadtland, was den Anbau von roten Sorten begünstigt. In Bonvillars ist das Klima mild und es finden sich Kies- und Kalk­böden – ebenfalls ideal für rote Sorten. Etwa 70 Prozent der 170 Hektar der Orbe sind mit roten Sorten bestockt, in Bonvillars sind es 60 Prozent von 180 Hektar. Hauptdarsteller sind hier Gamay, Pinot Noir, Merlot und die Schweizer Neuzüchtungen ­Gamaret, Garanoir, Mara oder Galotta. Auch wenn das Waadtland vom Chasselas dominiert ist, für Vielfalt hat es auch in diesem Teil der Schweiz mehr als genug Platz.

beigestellt

Waadt auf einen Blick

Geografie

Mit seinen 3782 Hektar Rebfläche ist der Kanton Waadt der zweitgrösste Weinbaukanton der Schweiz. Unterteilt wird die Region in acht AOCs: Bonvillars zwischen Yverdon und dem Neuenburgersee, La Côte zwischen Nyon und Lausanne, Lavaux zwischen Lausanne und Montreux mit den Grands Crus Dézaley und Calamin, Côtes de l’Orbe rund um die Stadt Orbe und Chablais zwischen Villeneuve und dem Wallis und Vully zwischen den Ufern des Murtensees und dem Mont Vully.

Böden und Klima

Das Waadtländer Terroir ist äusserst vielfältig. In La Côte kommen schwere bis leichte kiesige Böden vor, während das Lavaux stark vom Rhônegletscher geprägt ist. Im Chablais sind die Böden steinig und der Föhn beeinflusst die Traubenreife. Besonders trocken ist es in den Côtes de l’Orbe, wo Kalk, Molasse und Ton zu finden sind. Bonvillars hingegen zeichnet sich durch mildes Klima und Kies- sowie Kalkböden aus.

Traubensorten

Als einzige Weinbauregion der Schweiz wird das Waadtland klar von Weisswein dominiert. 60 Prozent der gesamten Rebfläche des Weinbaukantons sind mit der Sorte Chasselas bestockt. Die meistangebaute weisse Rebsorte der Schweiz ist per se eher subtil und spiegelt ihr Terroir wie kaum eine andere wider, weshalb die Chasselas-Weine aus dem Waadtland hauptsächlich mit Herkunftsnamen vermarktet werden. Neben dem klassischen Pinot Noir und Gamay werden mittlerweile auch alte rote Sorten wie Plant Robert und neue wie Gamaret kultiviert.


Auswahl wichtiger Produzenten

Bernard Cavé
bernardcavevins.ch

Blaise Duboux
blaiseduboux.ch

Château de Châtagneréaz
chatagnereaz.ch


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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