© Ulrike Sahm

Christian Lohse: Von der Provinz zum Sternenhimmel

Christian Lohse, der rebellische Ostwestfale, hat sich zu einem der gefeiertsten Namen der Kochwelt hochgearbeitet. Von den Ursprüngen in der französischen Provinz bis zu den Höhen und Tiefen der internationalen Sterneküche – Lohses Weg ist geprägt von Erfahrungen, die seinen kulinarischen Werdegang einzigartig machen.

»Lohses Mundwerk« heißt das vielbeachtete erste Kochbuch von Christian Lohse, das vor rund zehn Jahren auf den Markt kam. Ein bunter Mix aus biografischen Bekenntnissen des 1967 in Bad Oeynhausen geborenen Kochs, handschriftlichen Kritzeleien, frechen Sprüchen, abgefahrenen Fotos und natürlich aus Rezepten, die eigentlich gar nicht zu einem Spitzenkoch passen. Lohses Erstlingswerk dreht sich um Suppen und Eintöpfe, von bewährten Klassikern bis zu Kreationen nahe am kulinarischen Wahnsinn. Alles reine »Topf-Sache«, gewürzt mit einer Prise Provokation und Humor, die immer mit dabei sind, wenn Christian Lohse zum Kochlöffel greift.

Dass er das tut, ist Onkel Willi zu verdanken. Bei ihm verbringt Lohse die Sommerferien, unbeschwerte Tage in der französischen Provinz, wohin der aufmüpfige Ostwestfale vor den Nationalsozialisten geflohen ist. Onkel Willi ist Gourmet und Gourmand gleichermaßen. Gutes Essen, mal einfach, mal aufwendig, aber immer frisch aus regionalen Produkten und Fleisch aus dem eigenen Stall zubereitet, ist für ihn »täglich Brot«. La France profonde auf dem Teller hinterlässt bei Christian Lohse einen bleibenden Eindruck und es reift in ihm die Idee, nach dem Abitur eine Kochlehre anzutreten. Die beginnt Lohse, begleitet von der Lektüre einschlägiger Kochbücher von Paul Bocuse und Gaston Lenôtre bei Jean-Pierre Billoux. Dessen Restaurant in Dijon ist damals eine burgundische Institution, die Küche eine Kaderschmiede für angehende Sterne-Köche. In der strengen Hierarchie erfährt Christian Lohse, was Verlässlichkeit, Zusammenhalt, Teamgeist und kreative Freiheit auch in Stresssituationen bedeuten, und erlebt, wie wichtig Demut und Respekt vor der eigenen Kunst sind. Tugenden, die Lohse bis heute lebt.

Das Motto: »think big«

Erste Station nach der Lehre ist das Pariser Restaurant von Guy Savoy, einem der Väter der Nouvelle Cuisine, und dekoriert mit drei Michelin-Sternen. Ein Jahr später wechselt Lohse zu Charles Barriere nach Tours, dessen Restaurant ebenfalls mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Danach folgt ein kurzes Gastspiel im Gourmet-Restaurant »Schwarzer Hahn« im Deidesheimer Hof, bevor es ihn nach London ins »The Dorchester« zieht. Rund 140 Köche arbeiten hier nach dem Motto »think big«, wenn Caterings für mehrere tausend Personen anstehen. Lohses Talent und das Gespür für französische Kochfinesse befördern ihn schnell zum Leibkoch des Sultans von Brunei, einem der reichsten Männer der Welt und Eigentümer der Londoner Luxusherberge. Tag und Nacht bereit zum Kochen, lautet jetzt das Motto.

Doch London ist für den jungen Koch nur eine spannende Durchgangsstation in seiner bewegten Karriere. Ihn zieht es auf den Kontinent zurück und er heuert bei Marc Meneau in Vézelay an, der im Jahre 1983 mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet, und im gleichen Jahr vom Restaurant-Guide Gault & Millau zum Koch des Jahres gekürt wurde. Bei Meneau taucht Christian Lohse noch einmal tief in die französische Kochkunst ein, bevor es ihn endgültig in die deutsche Heimat verschlägt. Zunächst wird er Küchenchef in »Schu‘s Restaurant« im Schweizerhof in Hannover, im Jahre 1992 eröffnet Lohse in seiner Heimatstadt Bad Oeynhausen in einer alten Windmühle sein eigenes Restaurant. Schnell sind Gäste und Kritiker von seiner Kochkunst begeistert, es hagelt Lob und Auszeichnungen. Nach dem ersten folgt der zweite Michelin-Stern. Christian Lohse ist der neue Star am Kochhimmel, doch der Erfolg zeigt bald seine Schattenseiten. Lohse kommt an seine Belastungsgrenze, nach und nach schwindet die Kreativität am Herd. Ein Teufelskreis beginnt. Als die Bank den Kredit kündigt, ist das Abenteuer Windmühle nach fast zehn Jahren vorbei. Christian Lohse ist pleite, aber nicht am Ende.

Ein fünfstündiges kulinarisches Menü-Feuerwerk

Sein neues Kochleben beginnt 2002 in Berlin, der boomenden Hauptstadt, die mit ihrer vielseitigen Gastronomie, dem bunten Nachtleben, der skurrilen Szenewelt und dem kosmopolitischen Kunst- und Kultur-Angebot so ganz nach dem Geschmack des französischen Ostwestfalen ist. Im Schlosshotel im Grunewald, wo bereits in den 1960er und 1970er Jahren Promiente, Stars und Sternchen verkehren, dirigiert Christian Lohse die Küchenbrigade. Geleitet wird das Luxushotel von Uta Felgner, einer schillernden Persönlichkeit aus der ehemaligen DDR. Dass Felgner nicht nur ihren Lebenslauf gefälscht, sondern als Stasiagentin auch westliche Geschäftsleute und selbst DDR-Funktionäre ausspioniert hat, ahnt noch niemand. Lohse ist gegenüber Felgner von Anfang an skeptisch und er verlässt Ende 2004 das Haus. Erst einige Jahre später platzt die Bombe und die wahre Geschichte der einstmaligen Vorzeigefrau kommt ans Tageslicht.

Derweil ist Christian Lohse mitten im Zentrum Berlins aktiv und hat für das Restaurant »Fischer Fritz« im Regent-Hotel zwei Michelin-Sterne erkocht. Doch Ende 2017 zieht er die Kochjacke aus und verlässt für viele überraschend die Luxusherberge am Gendarmenmarkt. Statt ein neues Restaurant-Engagement folgen Auftritte in verschiedenen TV-Formaten wie »Kitchen Impossible«, »Die Küchenschlacht«, »Game of Chefs« und »The Taste«, dazu beratende Tätigkeiten in der Industrie, Kochkurse und Caterings, Vorträge, und nicht zuletzt hält ihn die eigene Saucen-Produktion auf Trab.

Sein neuster Coup ist »Lohses Salon«, ein fünfstündiges kulinarisches Menü-Feuerwerk bei Rike und Christian Lohse zu Hause in Falkensee bei Berlin, oder im eigenen trauten Heim. Möglich ist das auf Vorbestellung ab vier bis maximal zehn Personen an sieben Tagen. Angeboten wird ein Menü für alle, wahlweise auch vegetarisch, zubereitet aus besten Produkten aus dem Havelland, Brandenburg und ganz Europa. Alles nur vom Feinsten, nichts anderes kommt Lohse in Töpfe und Pfannen. Rund um das »privacy only event« können eine ganze Reihe an Leistungen zugebucht werden: vom Baby- und Hundesitting, privatem Shuttle und Zigarrenservice bis zur live Musik und, wem Christians Lohses Unterhaltungskünste nicht genügen, einem variablen Entertainment.


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Ingo Swoboda
Autor
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