Erwin Wagenhofer wurde mit seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm «We Feed the World» bekannt.

Erwin Wagenhofer wurde mit seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm «We Feed the World» bekannt.
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Erwin Wagenhofer im Falstaff-Talk

Sagen Sie einmal, Erwin Wagenhofer … ändert der Klimawandel unser Essen?

Erwin Wagenhofer

Der in Amstetten geborene Filme­­macher wurde mit seinem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm «We Feed the World» bekannt. Darin hinterfragt er die Praktiken der Nahrungs­mittel­industrie. Weitere Erfolgsfilme: «Let’s Make Money» über die Finanzwirtschaft, «Alphabet» über Bildungs­sys­teme und «But Beautiful» über alternative Lebensmodelle.


Mit Ihrem Dokumentarfilm «We Feed the World» haben Sie einen Blick hinter die Kulissen der Nahrungs­mittelindustrie geworfen. Wie sehr wird der Klimawandel unsere Ernährungsgewohnheiten in Zukunft verändern?
Erwin Wagenhofer: Man muss sich zunächst eines bewusst machen: Die Landwirtschaft ist einer der drei wesentlichen Faktoren für den Klimawandel, die anderen sind die Bauwirtschaft und der Verkehr.

In der Landwirtschaft ist es primär die immer weiter fortschreitende Industrialisierung der Produktion, die den Klimawandel befeuert: Massentierhaltung, Monokulturen, der Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden, um den Böden noch mehr Ertrag abzuringen. Landwirte sind ja oft schon mehr Maschinisten als Bauern, die mit immer riesigeren Geräten immer grössere Anbauflächen nach vorgegebenen Plänen der Saatguthersteller bewirtschaften. Die alte Kunst, den Boden nicht auszubeuten, sondern aufzubauen, geht verloren.

Heisst mit anderen Worten, die Massenproduktion von Nahrungsmitteln ist für das Klima schädlich. Aber was ist die Alternative? Sollen wir alle wieder Bauern werden und jeder bewirtschaftet seine eigene, kleine Scholle?
Nein, aber die Bauern müssen sich spezialisieren. Der Klimawandel könnte jener Faktor sein, der uns erkennen lässt, dass wir auf einem Irrweg sind. In den USA und in Deutschland ist bereits ein Wille zum Wandel spürbar.

Dort entschliessen sich immer öfter junge Menschen, Landwirte zu werden und einen alternativen Weg zur Massenproduktion einzuschlagen. Und jene, die auf Konzepte wie Demeter oder humusbasierte Landwirtschaft setzen, werden zwar noch ausgelacht, ihre Produkte landen aber überdurchschnittlich häufig in der Top-Gastronomie.

Weniger Industrialisierung und mehr Individualität verbessern also die Qualität der Lebensmittel und helfen gegen den Klimawandel. Aber können so acht Milliarden Menschen satt werden?
Die Ernährungsorganisation der UNO geht davon aus, dass bis zu zehn Milliarden Menschen mit humusbasierter Landwirtschaft, also ohne Kunstdünger, ernährt werden könnten. Aber dafür müssten wir unseren Umgang mit der Natur grundlegend ändern. Der Klimawandel und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, könnten der Game-Changer dafür sein.


Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2021

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Martin Kubesch
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