Der Rebbau beginnt in Genf unmittelbar vor den Toren der Stadt.

Der Rebbau beginnt in Genf unmittelbar vor den Toren der Stadt.
© GenèveTourisme / geneve.com / Loris von Siebenthal

Genf: Weinstadt Deluxe

Genf ist die zweitgrösste Stadt der Schweiz, ein internationales Zentrum für Handel und Diplomatie und – wen wundert’s? – eine Fine-Wine-Stadt. Der Konsum bester Weine ist hier rekordverdächtig hoch, ebenso der Absatz lokaler Crus, und obendrein ist Genf ein Eldorado für Naturwein-Fans.

Luxus wird in Genf in all seinen Facetten gelebt. Am Quai du Mont-Blanc direkt am Genfersee reihen sich die Grandhotels förmlich aneinander – alle mit einem standesgemäss ausgestatteten Keller natürlich. Zu den Ikonen der Stadt gehört unter anderem das «Beau-Rivage». 1865 erbaut, ist es das älteste Hotel in Genf, das sich in Privatbesitz befindet. Die Weinkarte im Fünfsternehaus, in dem auch das Sternerestaurant «Chat-Botté» untergebracht ist, lässt keine Wünsche offen, wie es sich für ein Haus dieser Liga gehört.

Bemerkenswert jedoch ist die Reihung und damit Gewichtung der Crus auf der Weinkarte. Nach den Offenweinen folgen die Schaumweine und Champagner, und gleich dann beginnt ein langer Reigen von regionalen und überregionalen Schweizer Weinen. Das «Beau-Rivage» ist hier nicht die Ausnahme. Der Genfer Wein wächst vor den Toren der Stadt und wird zum grössten Teil in eben dieser konsumiert. Nicht nur in den Luxushäusern, aber eben auch dort – neben vielen Flaschen Champagner, Bordeaux, Burgunder & Co.

Wie Wein in Frankreich

Der Genfer Wein wächst im Hinterland der Stadt, unweit der Metropole – einer idyllischen Landschaft mit weitläufigen Reblagen und intakten kleinen Dörfern. Nichts erinnert hier an die Enge, die sonst in vielen Teilen der Schweiz zu spüren ist. Man wähnt sich in Frankreich. Geschweige denn erahnt man, dass die Weinregion Genf der drittgrösste Weinbaukanton der Schweiz ist und etwa zehn Prozent der Gesamtfläche ausmacht. Zu den Hotspots des lokalen Weins gehört das Winzerdorf Satigny. Hier sind einige der besten Winzer der Region zu finden. Jean-Michelle Novelle etwa, die Domaine du Paradis oder das Weingut Les Perrières, um nur einige Beispiele zu nennen.

Eine förmliche Speerspitze der Region ist Jean-Pierre Pellegrin, ein Winzer, der weit über die Grenzen Genfs hinaus bekannt ist. Damit ist aber vor allem die Deutschschweiz gemeint, denn Genfer Weine schaffen es kaum in den Norden des Landes. Mit seiner Domaine Grand’Cour gehörte Pellegrin zu den ersten Mitgliedern der 2002 gegründeten Vereinigung Mémoire des Vins Suisses. Diese lagert jährlich Weine von ihren rund sechzig Mitgliedern in der gesamten Schweiz zentral ein, um den Beweis anzutreten, dass Schweizer Wein reifen kann. Pellegrins Flaggschiff Grand’Cour hat das bereits mit 17 Jahrgängen bewiesen. Die Cuvée aus 70 Prozent Cabernet Franc und 30 Prozent Cabernet Sauvignon ist auf den ersten Blick vielleicht nicht sehr schweizerisch – zur durch und durch international geprägten Stadt Genf passt sie aber wie kaum ein zweites Gewächs.

Genf ist Standort des europäischen Hauptsitzes der Vereinten Nationen, Sitz von rund 100 internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO), von mehreren Hundert NGOs und fast 200 diplomatischen Vertretungen. Die internationale Gemeinschaft in der zweitgrössten Stadt der Schweiz umfasst rund 40.000 Personen.

Vielfältiges Genf

So weltoffen wie die Stadt sind auch die Winzer der Region, und die Bordeaux-Cuvée von Jean-Pierre Pellegrin ist in diesem Sinne keine Ausnahme. Verbindendes Element der Genfer Weinproduzenten ist die Sortenvielfalt. Hier wird mit allem experimentiert, das vielversprechend scheint. Erwähnenswert sind hierbei auch teilweise abenteuerliche aber durchaus gelungene Assemblagen. Etwa der Wein Bertholier Rouge der Domaine Les Hutins in Dardagny, der aus Gamaret, Merlot und Cabernet Sauvignon assembliert wird.

Einer der kulinarischen Hotspots für Weinfreaks in der Region Genf ist die «Domaine de Châteauvieux». Umgeben von Weinbergen, fernab des Trubels der Stadt, wirkt der zweifach besternte Ausnahmekoch Philippe Chevrier. Der Weinkeller der Domaine lässt keine Wünsche offen. Hier sind die besten Genfer Crus ebenso zu finden wie Weine unter eigenem Etikett, gereifte Raritäten oder auch Weine, die im Naturweinspektrum anzusiedeln sind – in der Region und insbesondere der Stadt kein Novum.

Die internationale Gemeinschaft in Genf sorgt mit ihrer Kaufkraft nicht nur für ein grosses Interesse an der lokalen Produktion, sondern auch für eine unglaubliche Dynamik in der Weinmetropole, und das betrifft eben auch die alternative Weinbereitung oder den Hang zu Raritäten. Der Weinhändler Passeur de Vin verbindet quasi beides. Dieser gehört zu den Vorreitern der naturbelassenen Weine in der Schweiz und importiert einige der gefragtesten Winzer in diesem Bereich – etwa die Jura-Domänen Overnoy und Ganevat.

Und so ist es in Genf durchaus im Bereich des Möglichen, diese Weine auf den Weinkarten zu finden. Zu den Hotstpots für Naturweinfreaks gehört etwa das «Bombar» das 2019 von Gastronom Marc Popper eröffnet wurde. Das Lokal ist nicht nur der gut bestückten Weinkarte wegen einen Besuch wert: Auch die Küche ist exzellent. Koch Victor Freiburghaus kombiniert hochwertige Zutaten zu stimmigen Gerichten ganz ohne Chichi.

Ein ganz neuer Food- und Wein-Hot­spot in Genf ist das «Natürlich» des jungen Küchenchefs Jonas Bolle. Er arbeitet mit Produkten aus der Region, auf der Weinkarte sind rund 120 wechselnde Positionen zu finden. Einerseits Naturweine, aber auch Raritäten, etwa aus dem Sortiment des Raritätenhändlers Baghera Wines. Seit 2019 eröffnet dieser den Gastronomen der Stadt die Möglichkeit, zusätzlich zur existierenden Weinkarte einige rare und teure Weine anbieten zu können. Ein blühendes Konzept in einer Stadt wie Genf, wo die edelsten Tropfen gerade gut genug sind. Egal, ob aus heimischer oder internationaler Produktion.


Die besten Winzer aus Genf

Jean-Michel Novelle
Ins Leben gerufen wurde das gleichnamige Weingut im Jahr 1984 vom international tätigen Öno­logen Jean-Michel Novelle. Auf sieben Hektar Rebfläche produziert er heute jährlich mehr als 35 verschiedene Weine aus siebzehn unterschiedlichen Rebsorten. Novelles Steckenpferd ist die Kreation von aussagekräftigen Assemblagen.
153 rte du Mandement, 1242 Satigny
T: +41 (22) 7531230, novelle.wine

Domaine Grand’Cour
Jean-Pierre Pellegrin auf seiner Domaine Grand’Cour in Peissy gilt als zurückhaltend – hat man aber sein Vertrauen gewonnen, erhält man Einblicke in eine Weinwelt von höchster Komplexität. Pellegrin pflegt auf sanft geneigten Hängen 25 Rebsorten – das ist rekordverdächtig. Er keltert sie einfühlsam und baut sie sortenrein oder in Assemblagen zu präzisen, subtilen Weinen aus.
Route de Peissy 48, 1242 Satigny
T: +41 (22) 7531500

Domaine Les Hutins
Emilienne Zumbach-Hutin führt die Domaine Les Hutins in fünfter Generation. Das Familienweingut zählt seit Langem zu den sicheren Werten im Genfer Weinbau. Müsste man aus dem breiten Sortiment einen Wein herauspflücken, wäre das wohl die Cuvée Bertholier Rouge, in der die Schweizer Neuzüchtung Gamaret im gemischten Satz mit Cabernet und Merlot beweist, dass sie in Genf zu Recht hohe Wertschätzung besitzt.
Chemin de Brive 8, 1283 Dardagny
T: +41 (22) 7541205, domaineleshutins.ch

Cave & Domaine les Perrières
Das traditionsreiche Weingut mit über 220-jähriger Geschichte wird heute in der achten Generation von der Familie Rochaix geführt. Getreu dem Motto der geschichtsträchtigen und gleichzeitig pulsierenden Stadt Genf verbindet das Weingut die hiesige Tradition mit modernsten önologischen Kenntnissen und kreiert aus den gängigen Rebsorten Weine, die durch ihre Fülligkeit und moderne Ausrichtung bei gleichzeitig moderaten Preisen glänzen.
Route de Peissy 54, 1242 Satigny
T: +41 (22) 7539000, lesperrieres.ch

Cave de Genève
Die bewegte Geschichte der Cave de Genève beginnt Ende des Ersten Weltkriegs. 1929 gründeten einige Winzer der Region Arve et Lac eine Kooperative, die sich bis in die 1970er zum grössten Produzenten der Region entwickelte. Damals verarbeitete man nahezu 80 Prozent der gesamten Genfer Produktion. Seit 2007 ist sie in Satigny ansässig, wo immer noch die Ernte von satten 350 Hektar verarbeitet werden. Und das auf erstaunlich hohem Niveau.
Rue du Pré-Bouvier 30, 1242 Satigny
T: +41 (22) 7531133, cavedegeneve.ch

Domaine du Paradis
Auf 45 Hektar produziert das in den 1980ern gegründete Weingut zahlreiche Tropfen aus über zwanzig Rebsorten. Steckenpferd des Hauses sind Rhône-Sorten wie Viognier, Syrah und Grenache. Zudem produziert man auch einen für unsere Breiten seltenen Zinfandel, der vom vorherrschenden warmen Seeklima profitiert. Neben kalk- und ­tonreichen Böden verfügt das Weingut auch über Lagen mit Molasse-Sedimentschichten, die sich besonders im Vorland des Juragebirges finden.
Rte du Mandement 275, 1242 Satigny
T: +41 (022) 7531855, domaine-du-paradis.ch

Domaine de la Comtesse Eldegarde - Nicolas Bonnet
Nicolas Bonnet ist Genossenschaftsmitglied bei der Cave de Genève, keltert aber aus einem Teil seiner Trauben selber Wein. Die kleine Anzahl Flaschen ist meist schon vor der Füllung ausverkauft. Wer sie kosten will, bestellt am besten in der Genfer ­Gastronomie eine Flasche. Der geniale Önologe Bonnet zeichnet auch verantwortlich für die Weine von Spitzenkoch Philippe Chevrier.
Chemin Bornalet 17, 1242 Satigny
T: +41 (22) 7530665

Domaine du Clos des Pins
Der damals schon sehr erfahrene Marc Ramu übernahm das Familienweingut Clos des Pins im Jahr 2000. Er setzt auf einen naturnahen Anbau und viel Begrünung im Rebberg sowie auf eine breite Produktpalette. Sogar die in der Region eher seltene Sorte Scheurebe kultiviert Raum erfolgreich.
Route du Mandement 458, 1283 Dardagny
T +41 (22) 7541457, closdespins.ch

Domaine Villard & Fils
Philippe Villard ist ein Bilderbuchwinzer: ehrlich, bescheiden, selbstkritisch. Seine Rebflächen fallen sanft zum Genfer See hin ab. Gerade mal rund sechs Hektar bewirtschaftet er. Seine Gewächse zeigen musterhaft, wofür Genfer Weine stehen: Sie verbinden Eleganz mit einer schon fast französisch anmutenden Souplesse, Finesse und Trinkigkeit.
Rue Centrale 46, 1247 Anières
T +41 (22) 7512556, vinsvillard.ch


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2022

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