Mark Stüttler – der Tiroler Pilz Visionär

Mark Stüttler – der Tiroler Pilz Visionär
Foto beigestellt

Passion Pilze: Mark Stüttler von «Tyroler Glückspilze» im Interview

Von Gourmetpilzen, über Vitalpilze bis hin zu Zauberpilzen – wir haben den Gründer des grössten Pilzzucht-Anbieters in Mitteleuropa nach dem geheimen Potenzial der Pilze gefragt.

Pilze haben Mark Stüttler schon immer fasziniert. Seine Mission ist es, diese fantastischen Lebewesen für uns Menschen nutzbar zu machen. Denn Pilze bergen ein enormes Potenzial, das bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Sowohl kulinarisch als auch medizinisch, pharmazeutisch, wirtschaftlich, ökologisch und spirituell eröffnen Pilze ungeahnte Lösungen zu den drängendsten Krisen der Menschheit.  

Als gesundes und nachhaltiges Nahrungsmittel sind sie eine Delikatesse, die die Landwirtschaft revolutionieren könnte, als die grossen Recycler der Natur kommt ihnen eine Schlüsselrolle zur Lösung der Umweltverschmutzung zu und als Medizin können sie chronische Krankheiten heilen und psychische Leiden wie Depressionen lindern.

Sind Pilze – diese dritte grosse Lebensform auf unserem Planeten – also die Antwort auf die existenzielle Sinnkrise, die Sackgasse, in die wir Menschen geraten sind?

Bio-Pilz-Spezialitäten «Made in Austria»

Der Tiroler Mark Stüttler glaubt fest an das Potenzial von Pilzen. Seine Vision ist es, mit Gourmet- und Vitalpilzen unsere Ernährung gesünder zu gestalten und dafür die Pilzzucht als landwirtschaftlichen Zweig zu etablieren. Dafür ist er gemeinsam mit seinem Bruder rund um die Welt gereist, um altes und neues Wissen über Pilze zusammenzutragen. Seit 2012 vertreibt er über «Tyroler Glückspilze» Bio-Speise- und Vitalpilze für den Lebensmittelhandel sowie Myzelien, Sporen und Substrate für kommerzielle und private Züchter.

Die Basis dafür schafft er mit seinem Pilzforschungsinstitut MRCA GmbH («Mushroom Research Center Austria»): Durch bahnbrechende Forschungs- und Zuchtergebnisse wurde sein Unternehmen zum renommierten Partner der Universität Innsbruck und richtungsweisend für Mikrobiologie, Pharmazie und Botanik. Mit seinem Know-How, der umfangreichen Pilzkulturensammlung und dem 800 m2 grossen Pilzzuchtlabor in Innsbruck hat er die Grundlage für eine landwirtschaftlich relevante Pilz-Produktion in Österreich geschaffen.


Von Gourmetpilzen, über Vitalpilze bis hin zu Zauberpilzen – wir haben mit dem passionierten Visionär über das gigantische Potenzial von Pilzen gesprochen.

«Es wird höchste Zeit, dass die Menschen ihr Hirn endlich auch nutzen!»

Falstaff: Warum bringen Pilze Glück?
Mark Stüttler: Dies geht wahrscheinlich auf unsere germanischen und keltischen Vorfahren zurück, die Pilze rituell als Rauschmittel verwendeten. So konnten sie eine Verbindung zur Welt ihrer Götter und Ahnen herstellen und waren durch die hervorgerufenen Glücksgefühle auch noch mutiger im Kampf. Pilze dienten in alten Zeiten quasi als Mittler zwischen den Welten – zwischen der materiellen Welt und der Welt des unterbewussten Geistes.

Wie ist Ihre Liebe zu den Pilzen entflammt? Gab es da ein einschlagendes Erlebnis?
Obwohl mein Bruder und ich schon von klein auf im Wald unterwegs waren und Pilze sammelten, entwickelte sich der Wunsch, diese faszinierende Spezies zu erforschen und zu züchten, erst während unseres Studiums – in einigen «langen Studentennächten»… In endlosen philosophischen Diskussionen fragten wir uns, wie es sein kann, dass diese intelligenten Wesen, die schon seit ca. 1,2 Mrd. Jahren unseren Planeten bewohnen und all unsere Lebensbereiche beeinflussen, so wenig erforscht sind; während gleichzeitig unzählige Studien über die «niederen Pilze», wie Hefe- und Schimmelpilze existieren. In dieser Zeit wurde unsere Pilz-Mission geboren: In die wundersame Welt der «höheren Pilze» vorzudringen, von ihnen zu lernen und zu erforschen, in welchen Bereichen sie für uns Menschen einsetzbar und nützlich sein könnten.

Der wohl bekannteste Pilz in unseren Breiten ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria). Bis heute gilt dieser – auch in vielen Märchen vorkommende rot-weiß gepunktete Pilz – immer noch als Glücksbringer und wurde heuer sogar zum Pilz des Jahres gekürt.
© Shutterstock
Der wohl bekannteste Pilz in unseren Breiten ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria). Bis heute gilt dieser – auch in vielen Märchen vorkommende rot-weiß gepunktete Pilz – immer noch als Glücksbringer und wurde heuer sogar zum Pilz des Jahres gekürt.

Haben Sie einen Lieblingspilz?
Jeder Pilz ist ein grosses Wunder – mit seinen ganz individuellen Eigenschaften und Aufgaben. Jedoch gibt es einen Pilz, der meiner Meinung nach am besten in unsere heutige Zeit passt: es ist der Hericium erinaceus ­­­– Igelstachelbart, Pom Pom oder auch Löwenkopfpilz (Lion´s Mane) genannt. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) findet er Anwendung bei Niedergeschlagenheit und Stress, zur Regeneration der Nerven- und Gehirnzellen sowie bei Alzheimer und Demenz. Neueste Forschungen haben gezeigt, dass dieser Pilz das Nervenwachstum anregt, die Gehirnfunktion bis ins hohe Alter gesund erhält und die Zelldegeneration verlangsamt.

Angesichts der gegenwärtigen gesellschaftlichen Herausforderungen scheint mir der Gebrauch eines klaren Verstandes besonders wichtig: Es wird höchste Zeit, dass die Menschen ihr Hirn endlich auch nutzen!

«Pilze sind das Lebensmittel der Zukunft.»

Ihre Vision ist es, die Pilzzucht als landwirtschaftlichen Zweig in Österreich zu etablieren. Wieso?
Pilze sind unglaublich gesunde Lebensmittel und für mich das Lebensmittel der Zukunft. Sie ergänzen unseren Speiseplan, der ja heutzutage vorwiegend aus pflanzlichen und tierischen Produkten besteht, optimal. Daher ist es zu unserer Mission geworden, das Pilzwissen, das in Österreich noch wenig verbreitet ist, in die Gesellschaft zu bringen und es besonders für unsere Landwirtschaft nutzbar zu machen. Leider werden immer noch mehr als 90% der in Österreich verzehrten Pilze im Ausland produziert. Das wollen wir ändern – vor allem mit Schulungen zur Pilzzucht von Landwirten in ganz Österreich. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie wichtig es ist, unsere Nahrungsmittel regional anzubauen und uns nicht von Importen aus dem Ausland abhängig zu machen. Zudem ist der Pilz-Anbau sehr ressourcenschonend, bei einer gleichzeitigen hohen biologischen Effizienz; so können bis zu 1,5 kg Frischpilze von einem Kilo Trockensubstratmasse geerntet werden.

«Hier geht es um echte Nachhaltigkeit.»

Auch beim Aufbau von geschlossenen Kreislaufsystemen leisten Pilze einen unschätzbaren Beitrag. Während Pflanzen in diesem Kreislauf Produzenten sind; Tiere, Insekten und der Mensch Konsumenten, spielen die Pilze als Bio-Chemiker und Fundament der Natur hierbei die Hauptrolle. Sie zerlegen, zersetzen und transformieren alle anfallenden Stoffe der anderen Beteiligten (bspw. deren Kot oder Zellulose) und produzieren wieder fruchtbare Erde (Humus). Hier geht es nicht um Ausbeutung, sondern um echte Nachhaltigkeit.

Der Igelstachelbart gehört zu den erstaunlichsten Heilpilzen.
Foto beigestellt
Der Igelstachelbart gehört zu den erstaunlichsten Heilpilzen.

«Pilze haben das Potential die Viehzucht zu revolutionieren, um so gesündere tierische Lebensmittel zu produzieren.»

Gerade in der veganen Ernährung kommt Pilzen als Fleischersatz eine Schlüsselrolle zu. Kann die Pilzzucht die Viehhaltung ersetzen?
Die Pilzzucht soll die Viehhaltung nicht ersetzen, sie kann sie aber optimal ergänzen. So benötigt bspw. unser beliebtester Speisepilz, der Champignon, Dung als Zusatzstoff für sein Substrat. Mithilfe effizienter Kreislaufsysteme – in denen Pilze eine entscheidende Rolle spielen – kann die Viehzucht sogar viel gesünder, artgerechter und CO2-neutraler gestaltet werden. Die Verwendung von Pilzen hat das Potential die Viehzucht zu revolutionieren, den Einsatz von Antibiotika und Medikamenten zu verringern, um so gesündere tierische Lebensmittel zu produzieren.

Möchte man Pilze als gesunde und natürliche Fleischalternative sehen, so gibt es Pilze, deren Geschmack von Natur aus an Hummer, Schrimps, Meeresfrüchte, Geflügel, Kalbfleisch, Knoblauch oder Marzipan erinnern. Kreative Köche zaubern bereits heute aus Pilzen vegane oder vegetarische Varianten von typischen Fleischgerichten, wie zum Beispiel «Pulled-Mushroom» (ein Burger mit gezupften Austernpilzen) oder «Sparerips» aus Kräuterseitlingen.

Pilze sind nicht nur eine Delikatesse, sie haben auch ein gigantisches Heilpotenzial. In der TCM werden Pilze schon seit Jahrhunderten als Heilmittel eingesetzt, und auch die moderne westliche Medizin entdeckt heute zunehmend ihr Potenzial. Über Ihren Shop «Tyroler Glückspilze» beliefern Sie Apotheken und Reformhäuser mit Vitalpilzen. Über welche Heilkräfte verfügen Pilze?
Der griechische Arzt Hippokrates hat es perfekt zusammengefasst: «Unsere Nahrungsmittel sollen Heilmittel, unsere Heilmittel Nahrungsmittel sein.» Im Pilzreich gibt es eine enorme genetische Vielfalt und genauso vielfältig sind deren Wirkungsweisen und Anwendungsgebiete. Als Meister der natürlichen Biochemie produzieren Pilze ein breites Spektrum an Inhaltstoffen: z.B. Proteine und komplexe Aminosäuren, Polysaccharide, Beta-Glucane, Phenole, Steroide, Flavonoide, Triterpene, Vitamine aus dem B-Komplex, Vitamin D und E sowie Mineralstoffe.

Vitalpilze regeln effektiv die so genannte Homöostase – also das Gleichgewicht sämtlicher im Organismus ablaufender Prozesse, wie das Mineralstoff-, Enzym-, Hormon-, Wasser-, Elektrolyt- oder Immunzellengleichgewicht. Diese Wirkungsweise bilden die Grundlage für die Mykotherapie – eines der ältesten Naturheilverfahren. Durch ihre regulierende und ausgleichende Wirkung, können Pilze beispielsweise bei einem Menschen mit Bluthochdruck diesen senken, bei einem anderen mit niedrigem diesen erhöhen. Auch bei Verdauungsbeschwerden, psychischen Problemen, Allergien oder bei Krebstherapien finden Heilpilze seit Jahrhunderten Anwendung. Die Inhaltsstoffe der Vitalpilze sind hochwirksame Bio-Chemikalien (Mykochemikalien) mit teils antimikrobiellen, antiinflammatorischen, antioxidativen, antikanzerogenen oder antimutagenen Wirkungen. Die Erforschung des unglaublich breiten Wirkungsspektrums von Pilzen steht aber erst am Anfang. Fast wöchentlich erscheinen neue Studien.

«Vitalpilze regeln effektiv die so genannte Homöostase – also das Gleichgewicht sämtlicher im Organismus ablaufender Prozesse.»

Mark Stüttler der Gründer von «Tyroler Glückspilze» und dem österreichischen Pilzforschungsinstitut «MRCA GmbH».
Foto beigestellt
Mark Stüttler der Gründer von «Tyroler Glückspilze» und dem österreichischen Pilzforschungsinstitut «MRCA GmbH».

Psychoaktive Pilze werden seit Urzeiten rituell eingesetzt. Ihr Wirkstoff Psilocybin ist heute in den meisten Ländern der Welt jedoch illegal. Dabei belegen immer mehr Studien, dass kaum eine andere Substanz im psychotherapeutischen Rahmen verabreicht, so effektiv gegen Süchte, Zwangsstörungen und Depressionen wirkt. Wie ist Ihr Standpunkt in der aktuellen Zauberpilz-Diskussion? Sollte Psilocybin legalisiert werden?
Das Psilocybin ist nur eine Substanz von mehreren, die in den «narrischen Schwammerln» enthalten ist. Diese Substanzen sind für die Psychiatrie das, was das Mikroskop für die Biologie oder das Teleskop für die Astronomie darstellt. Warum die Politik im 21. Jahrhundert immer noch an der Prohibition solcher Stoffe festhält, müssen Sie unsere Politiker schon selber fragen. Vielleicht können sie Ihnen ja erklären, warum sie psychoaktive Stoffe verbieten, obwohl auf der ganzen Welt psychoaktive Pilze und Pflanzen in der Natur frei pflückbar sind. Was für einen Wahnsinn haben wir erreicht, wenn inzwischen Naturgewachsenes durch die Politik verboten wird?

«Psilocybin ist für die Psychiatrie das, was das Mikroskop für die Biologie oder das Teleskop für die Astronomie darstellt.»

Heutzutage gibt es bereits gute Erfahrungen beim Einsatz psychotroper Substanzen bei neurologischen Erkrankungen, wie bei Clusterkopfschmerzen, Migräne, Angstzuständen oder Depressionen. Bereits bei traditionellen Zeremonien, die seit Jahrhunderten Bestandteil von Heilungsritualen der Urvölker waren, wurden diese Pilze immer unter Aufsicht von Schamanen angewendet und begleitet. Es ist schade, wenn dieses traditionelle Wissen zur Heilung des Menschen nicht mehr genutzt werden darf und auch noch verboten wird. Ich wünsche mir, dass diese faszinierende Spezies ihren angestammten Platz in unserer schönen Welt wieder findet; die Regierungen den therapeutischen Wert psychotroper Substanzen anerkennen und sie auch in unsere westliche Medizin integrieren.

«Was für einen Wahnsinn haben wir erreicht, wenn Naturgewachsenes durch die Politik verboten wird?»

Können Pilze die Welt retten?
Eines ist klar: Wenn es in den letzten Jahrzehnten nicht immer nur um Gewinnmaximierung einiger Wenige gegangen wäre, sondern wirklich um das Wohl und die Heilung der Menschen und unseres Planeten, dann wären die Pilze bereits jetzt ein fester Bestandteil in vielen unserer Lebensbereiche.

Denn Pilze sind wahre Meister der Biotechnologie: sie produzieren hochwirksame Enzyme und Bio-Chemikalien, die Stoffe in ihre molekularen Bestandteile zerlegen und daraus wieder neue, völlig andere Stoffe hervorbringen. Dies eröffnet mit zunehmendem Verständnis und der nötigen Forschung ein immer grösser werdendes Portfolio von Anwendungsmöglichkeiten beispielsweise in den Bereichen Chemie, Pharmazie, Bau-, Land- und Forstwirtschaft, Recycling, Life-Science oder im Nahrungsmittelbereich. Pilze könnten die Lösung für viele Probleme auf unserem schönen Planeten sein und dazu beitragen, wieder eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu schaffen, die die Begriffe ökologisch und nachhaltig wirklich verdient.

Auch beim Umgang miteinander können wir von den Pilzen noch vieles lernen – beispielsweise von der Art und Weise, wie Pilze leben und über ihr einzigartiges Myzelnetzwerk kommunizieren ­– ja sogar kooperieren, wie sie in Gemeinschaft mit Bäumen und anderen Lebewesen zusammenleben und sich gegenseitig unterstützen.

«Wenn es nicht immer nur um Gewinnmaximierung einiger Wenige gegangen wäre, sondern wirklich um das Wohl der Menschen und unseres Planeten, dann wären Pilze bereits jetzt ein fester Bestandteil in vielen unserer Lebensbereiche.»

Mark Stüttler glaubt fest an die Heilkraft von Pilzen.
Foto beigestellt
Mark Stüttler glaubt fest an die Heilkraft von Pilzen.

Nähere Informationen zu Mark Stüttlers Pilz-Mission unter: 

Paula Pankarter
Paula Pankarter
Redakteurin Online
Mehr entdecken
Shiitake ist einer der bekanntesten Heilpilze.
Pilze
Die Heilkraft von Pilzen
Wie Pilze uns und unseren Planeten heilen können und warum unsere Zukunft in den Pilzen steht.
Von Paula Pankarter
Mehr zum Thema
Rezept
Steinpilze à la crème
Ein Rezept aus dem Kochbuch »Anton Schmaus kocht« von Anton Schmaus, Sternekoch und Koch der...
Von Anton Schmaus