Mozzarella kostet in dieser Woche 1,55 Euro

Mozzarella kostet in dieser Woche 1,55 Euro
© PENNY Markt GmbH

»Wahre Kosten«: Betreibt Penny diese Woche Greenwashing?

Preiserhöhung
Lebensmittel

6,01 Euro statt 3,19 Euro für Wiener Würstchen: Seit Montag rechnet die Handelskette Penny bei neun seiner Produkte die Kosten für Klimaschäden mit ein – ein Aufpreis von bis zu 94 Prozent. Nicht alle sind begeistert.

Die Meinungen gehen auch im Düsseldorfer Szeneviertel »Unterbilk« auseinander. Da ist die Studentin, die bewusst zum 1,55 Euro teuren Mozzarella greift, weil es immer noch »ein fairer Preis« für sie sei – vor dem Kühlregal ein paar Meter weiter herrscht indes Kopfschütteln. Das Rentnerpaar findet die Aktion prinzipiell gut, »aber doch nicht im Discounter und bei der Inflation«. Sie achten auf jeden Cent, »die Würstchen bleiben deshalb heute da, wo sie sind«.

Der Hintergrund: Seit Montag verlangt »Penny« für neun seiner mehr als 3000 Produkte eine Woche lang die »wahren Kosten« – also den Betrag, der bei Berücksichtigung aller durch die Produktion verursachten Umweltschäden eigentlich berechnet werden müsste. Dazu zählen nicht nur die Folgen für das Klima, sondern auch für den Boden und das Wasser durch Pestizide und Düngemittel – und die Gesundheit. Andreas Krämer, Penny-Pressesprecher, erklärt im Falstaff Interview: »Jede Form von Produktion – nicht nur von Lebensmitteln – erzeugt Umwelt-Folgekosten. Wir zahlen und tragen sie als Gesellschaft, aber sie sind nicht transparent – diese Transparenz wollen wir mit der Aktion schaffen.« Sie spiegelt sich durch eine Preiserhöhung von bis zu 94 Prozent wider. So kostet beispielsweise eine Packung Wiener Würstchen statt 3,19 Euro nun 6,01 Euro, Mozzarella steigt von 89 Cent auf 1,55 Euro und für Fruchtjoghurt muss 1,56 Euro statt 1,19 Euro bezahlt werden.

Klimaschutz und Lebensmittelpreise

Die Technische Hochschule Nürnberg und der Universität Greifswald begleiten das Experiment: Sie wollen mit den gewonnenen Daten und Erkenntnissen die Grundlage schaffen, um die Diskussion über Lebensmittelpreise breiter zu fassen. »Gemeinsam wollen wir herausfinden, wie man den Aspekt »soziale Gerechtigkeit« behalten kann und Lebensmittel bezahlbar bleiben und nicht zum Luxusgut werden«, so Krämer.

 

»die Würstchen bleiben deshalb heute da, wo sie sind«

Wie passt das zum Discounter, wo Menschen häufig jeden Cent umdrehen müssen? Andreas Krämer antwortet mit der Gegenfrage: »Warum sollte das kein Thema für den Discounter sein?«. Auch wenn der Kunde eventuell über ein geringeres Einkommen verfüge, hieße das nicht, dass er sich nicht für die Umwelt oder einen lebenswerteren Planeten interessiere. »Im Discounter sind wir dichter an der Realität«, sagt Krämer.

Gleichzeitig rechnet die Handelskette damit, dass der Test das Unternehmen »einen einstelligen Millionenbetrag« kosten wird. Der größte Faktor sei das veränderte Kaufverhalten. Ähnlich wie das Rentnerpaar werden viele die Aktion vielleicht gutheißen, selbst leisten können sie sich die höheren Preise dennoch nicht. Unter dem Aspekt wurden auch die betroffenen Produkte ausgewählt: Sie haben ein langes Mindesthaltbarkeitsdatum, sodass zumindest der Vorwurf der Lebensmittelverschwendung unberechtigt ist.

»Im Discounter sind wir dichter an der Realität«

Die Mehreinnahmen will die zur »Rewe«-Gruppe gehörende Kette für ein Projekt zum Klimaschutz und zum Erhalt familiengeführter Bauernhöfe im Alpenraum spenden. »Penny« hofft mit diesem Schritt, ein Bewusstsein für die Umweltbelastungen durch die Lebensmittelproduktion zu schaffen und den Fokus verstärkt auf nachhaltige Lösungen zu legen.

So positiv wie die Handelskette sehen die Aktion aber nicht alle. Während Umwelt- und Verbraucherschützer die Aktion grundsätzlich begrüßen – und gleichzeitig fordern, dass sie kein einmaliges Experiment bleibt – übt der Deutsche Bauernverband scharfe Kritik an der Kampagne. Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, bezeichnete die Aktion gegenüber der FAZ als »Greenwashing-Projekt« auf Kosten der Bauern und warf dem Discounter mangelndes Interesse an fairer Bepreisung vor. Der Verband fordert eine langfristige Auseinandersetzung mit dem Thema und einen fairen Umgang mit den Landwirten.

Senkung der Mehrwertsteuer

Dem stimmt auch Andreas Kramer zu, sieht aber nicht nur die Supermarktketten in der Pflicht: »Wir sind Bestandteil des Wettbewerbs, also auch Bestandteil des Systems und damit auch Bestandteil der Herausforderung.  Als Einzelunternehmen haben wir noch keine langfristige Lösung. Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion und Anstrengung«. Laut Bauernverband wäre eine mögliche Maßnahme die Senkung der Mehrwertsteuer auf umweltfreundliche Lebensmittel wie Obst und Gemüse, um die Nachfrage zu steigern.

Die Verbraucherschutzorganisation »Foodwatch« bezeichnet das ungewöhnliche Experiment derweil als reinen PR-Gag. Kritisiert wird, dass der Discounter nur für neun seiner Produkte die »wahren Preise« verlangt, während er gleichzeitig die Preise für viele andere klima- und umweltschädliche Lebensmittel, wie Fleisch, auf ein Minimum drückt. Dieser scheinbare Widerspruch werfe Fragen auf, ob der »Penny« tatsächlich einen ernsthaften Beitrag zum Umweltschutz leiste oder ob die Aktion eher als oberflächliche Imagepflege anzusehen sei.

PR-Vorwurf steht im Raum

Wäre »Greenwashing« das Ziel gewesen, hätte es laut Krämer, einfachere Wege gegeben. Im Fokus der Handelskette stünde indes, diesem komplexen Thema – »Konsum und seine Umweltfolgekosten« – Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dies sei schon am Anfang der Aktionswoche ausreichend gelungen. Ziel der einwöchigen Aktion ist es laut Handelskette primär Daten zu sammeln, wie sich die Preise auf das Kaufverhalten der Kunden auswirkt. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die »Aufgabe des Discounters im Wettbewerb ist, preisgünstige Lebensmittel anzubieten«, so Krämer. Welche Folgen die »wahren Preise« am Ende haben werden, bliebe für alle abzuwarten, dieser Erkenntnisgewinn beruhe dann aber auf »Annahmen aufgrund von Taten«.

 


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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