Das Weingut van Volxem: In der Saar-Schleife bei Wiltingen wachsen einige der besten Weine des namhaften Weinguts.

Das Weingut van Volxem: In der Saar-Schleife bei Wiltingen wachsen einige der besten Weine des namhaften Weinguts.
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Weinreise Mosel: Wo König Riesling Hof hält

Die Mäander der Mosel und an ihren Ufern die schweißtreibend steil aufragenden Weinbergslagen –
mehr Atmosphäre geht kaum. Auf zu jenen Orten und Menschen, die Riesling-Legenden hervorbringen.

Freitag

Ein Wochenend-Trip, um das ganze Anbaugebiet der Mosel zu erkunden, ist ein sportliches Unterfangen. Also nur ja keine Zeit vergeuden. Beginnen wir die Erkundung im Süden, an den beiden Nebenflüssen Ruwer und Saar – und an der Obermosel. Mit dem Zug erreichen wir Trier. Eigentlich sollten wir der Stadt und ihren Attraktionen wie der Porta Nigra, dem römischen Stadttor, einen Besuch abstatten, aber heute geht es um Wein. Es ist nicht weit an die Ruwer, wo Familie von Schubert seit 1882 in Mertesdorf das Weingut Maximin Grünhaus betreibt. In der schmucken neuen Vinothek mit herrlichem Blick auf die Reben verkosten wir lebendige, von einer pointierten Säure getragene Rieslinge und beachtlichen Pinot Noir.

Die Ruwer rückt wie die benachbarte Saar angesichts des Klimawandels in den Fokus: In Oberemmel wartet Max von Kunow, der das Weingut von Hövel leitet und wo Schiefer und Cool-Climate-Verhältnisse die Grundlage bilden für straffe und spannungsgeladene Rieslinge. »Wir werden auch in 100 Jahren noch Rieslinge machen«, widerspricht der Winzer denen, die hier am liebsten Syrah pflanzen würden.

Szenenwechsel: In Nittel an der Obermosel, wo Deutschland, Luxemburg und Frankreich zusammentreffen, ist das Tal breiter und die Hänge weniger steil als am weiteren Flusslauf. Raue Felsen aus hellem Dolomit-Gestein ragen über die Weinberge. Die Reben stehen auf Böden wie in der Champagne und im Burgund: Hier wachsen keine Rieslinge, sondern Elbling und Burgundersorten. Die Signature-Rebe in den Weinbergen ist der Elbling, der an diesem Mosel-Abschnitt schon seit 2000 Jahren wächst. Die Ur-Rebe gilt als der ältere Bruder des Rieslings.

Winzer wie Jonas Dostert in Nittel legen sich mächtig ins Zeug, um die Rebe und ihre Region, die immer im Schatten der Riesling-Mosel stand, stärker ins Rampenlicht zu rücken. Dostert erzeugt knochentrockenen Crémant aus Elbling sowie puristische Stillweine, die in gebrauchten Holzfässern eine tiefere Dimension bekommen. Nittel, an Flusskilometer 216,2 gelegen, hat sich zu einem lebhaften Weindorf gemausert – dabei ist vom touristischen Hochbetrieb, der an der Mittelmosel herrschen kann, noch wenig zu spüren. Wir genießen die Küche im »Culinarium« und übernachten im dazugehörenden »Schlafgut«.

Samstag

Die Mittelmosel ist die Herzkammer des Anbaugebiets. Zwischen Grand Cru-Lagen besuchen wir Winzer von Weltruhm – und auch die Gastronomie ist auf Augenhöhe. In Schleifen mäandert die Mosel durch das hinter Trier enger werdende Tal, links und rechts des Flusses ziehen sich die Steillagen in die Höhe, in denen Winzer sich wie Artisten bewegen und Rieslinge von Weltruf erzeugen. In Leiwen machen wir Halt bei Catherina Grans, die seit 2018 das Weingut Grans-Fassian leitet. Sie schafft regelmäßig Bilderbuch-Rieslinge in allen Kategorien und hat auch ein Händchen für süße Prädikate. Schon eine Flussbiegung weiter wartet Eva Clüsserath, die mit dem rheinhessischen Spitzenwinzer Philipp Wittmann verheiratet ist und das Familien-Weingut mit handwerklichem Können in die Spitzengruppe der Mosel geführt hat.

Die Mittelmosel bleibt die Herzkammer des Anbaugebiets, die Namen der großen Lagen wie Wehlener Sonnenuhr, Bernkasteler Doctor oder Brauneberger Juffer sind mit riesigen Buchstaben, wie der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles, in den Steilhang geschrieben. Spitzengüter wie Dr. Loosen, Molitor, Wegeler und Schloss Lieser liegen dicht beieinander. Wir entscheiden uns für Letzteres: Es gibt nicht viele Winzer, die mit so viel Konsequenz und Können wie Thomas Haag am Format ihrer Weine arbeiten.

In Piesport am Flusskilometer 147,7 wirkt mit Thomas Schanz einer der besten Köche Deutschlands, der uns mit einem grandiosen Menü und mutigen Aromen-Kombinationen begeistert. Die Mosel ist schon lange kein Jägerschnitzel-Land mehr. Satt und zufrieden legen wir uns im hauseigenen Hotel schlafen.

Sonntag

Tag drei unserer Mosel-Tour gehört der »Terrassenmosel«, dem letzten Flussabschnitt, bevor die Mosel bei Koblenz in den Rhein mündet. Fährt man am frühen Morgen am Fluss entlang, tanzen manchmal Dunstschleier geheimnisvoll über seinem Wasser. Die Mosel kennt viele Stimmungen, mal erscheint sie heiter, mal finster, dann wirft sie Falten und Wellen. Heute zeigt sie Sonntagslaune und strahlt im Sonnenlicht.

In Pünderich bewirtschaften Rita, Clemens und Johannes Busch die nicht flurbereinigte Steillage Pündericher Marienburg nach Bio-Prinzipien. Ein enormer Aufwand, schließlich ist alles Handarbeit. Der Lohn sind sehr eigenständige und großartige Rieslinge, die zum Besten zählen, was die an Attraktionen nicht arme Mosel hervorbringt. Ein absolutes Highlight unserer Tour!

In Winningen, wo das renommierte Weingut Heymann-Löwenstein den Ton angibt, besuchen wir zwei junge Winzerinnen, die das Geschehen an der Mosel beleben, wo es neben der bekannten Klassik auch immer mehr Freestyle gibt: Rebecca Materne und Janina Schmitt lernten sich beim Weinbau-Studium in Geisenheim kennen und kamen über Umwege an die Mosel. »Unser großes Steckenpferd ist Riesling«, sagen die beiden, die am Anfang noch Zettel in Bäckereien und anderen Geschäften aufhängen mussten, dass sie Weinberge zu pachten suchen. Über Crowdfunding wurde Geld gesammelt, um das Weingut aufzubauen. Ihre Rieslinge werden mit natürlichen Hefen vergoren, nicht angereichert, geschönt, ent- oder gesäuert: »Sie sollen Herkunft und Jahrgang zeigen«.

Vermutlich ist die Mosel so vielfältig und spannend wie nie zuvor, das Spektrum der Weine ist weit gefasst und auch der Anteil roter Reben wie Spätburgunder, Cabernet und sogar Syrah nimmt zu. Kurz hinter Winningen fließt die Mosel in Koblenz in den Rhein, nachdem sie 544 Kilometer unterwegs war und in drei Ländern Wasser sammelte. Und auch wir sind am Ende unserer Tour angekommen.


Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2022

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Rainer Schäfer
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