Beim Eingang zum Restaurant »Rollercoaster« geht es futuristisch zu.

Beim Eingang zum Restaurant »Rollercoaster« geht es futuristisch zu.
© Rollercoaster Restaurant

Digitale Strategien in der Gastronomie

Die Digitalisierung in der Gastronomie schreitet voran und das Anbieterfeld für entsprechende Lösungen wächst beständig. PROFI hat mit verschiedenen Herstellern gesprochen.

Als Gast im »Rollercoaster Restaurant« wähnt man sich in der Zukunft. Ein vollautomatisierter futuristischer Palast, in dem Gäste per Tablet ihre Speisen und Getränke bestellen, welche dann von Robotern zubereitet und per Achterbahn direkt an den Tisch geliefert werden. Ein Modell für die Zukunft? Immer wieder kommen sogenannte Roboter-Restaurants in die Medien. Doch ein genauerer Blick in die Gastronomie-Branche zeichnet ein differenzierteres Bild, bei dem Roboter nur eine marginale Rolle spielen.

Während in der Hotellerie die Digitalisierung schon seit längerer Zeit einen wahren Hype erfährt und laut einer Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger, ein regelrechter Start-up-Boom herrscht, rückt erst seit kurzer Zeit das Thema für die Gastronomie zunehmend in den Fokus. Und es ist höchste Zeit dafür!

Bedürfnisse der Gäste haben sich verändert

Denn mit Internet und Smartphone haben sich auch die Bedürfnisse der Gäste verändert. Eine Umfrage des Reservierungsportals Bookatable.at ergab, dass Gäste sich in Zukunft mehr digitalen Service wünschen. Verwunderlich ist das nicht. Die meisten Gäste sind Smartphone-User und daran gewöhnt, elektronische Devices zu nutzen. Für jede Frage wird immer schneller eine Antwort gefordert. Eine Erwartungshaltung, die natürlich auch im Restaurant fortbesteht.

Gäste sind insgesamt ungeduldiger geworden und die Möglichkeit, ein Unternehmen schlecht zu bewerten, ist nur wenige Klicks entfernt. Die Zufriedenheit der Gäste wird heute unmittelbarer und schneller auf diversen Bewertungs- und Ratingportalen gezeigt und geteilt. Ein wirtschaftlicher Faktor, der nicht zu unterschätzen ist.

Klare Vorteile für digitale Strategien

Restaurants reagieren zunehmend mit unterschiedlichen, digitalen Strategien, um ihrem Klientel den bestmöglichen Service zu bieten. Die digitale Speisekarte, also die Möglichkeit Speisen und Getränke auf einem Device zu wählen, ohne lange auf Servicemitarbeiter zu warten, ist dabei zu einem wachstumstreibenden Faktor geworden. Die Statistiken der Hersteller und Start-ups klingen erfolgsversprechend. Umsatzsteigerung von 30 bis 43 Prozent werden angeführt. Um 80 Prozent reduzierte Wartezeit, weniger Laufwege und gesteigerte Zufriedenheit zählen zu den angepriesenen Vorteilen.

Eine Studie von McKinsey & Company stellt fest, dass sich bis zu 66 Prozent der Arbeitsplätze in Zukunft, in der Gastronomie automatisieren lassen. Bei dem zunehmenden Fachkräfte-Mangel eine positive Aussicht. »Digitale Bestellsysteme helfen Gastronomiebetrieben Servicepersonal einzusparen, welches ohnehin, begünstigt durch den Fachkräftemangel, sehr schwer zu finden ist«, bestätigt auch Patrick Marksteiner, Geschäftsführer des Herstellers Leaf Systems GmbH. Das Mannheimer Unternehmen beliefert seit 2013 Gastronomiebetriebe und Messen mit unterschiedlichen digitalen Bestellsystemen. Dazu zählen Tablet-Systeme, Selfordering-Systeme per Terminal und Bestellen per QR-Code. Ziel von Leaf Systems ist es, Gastronomen den Einstieg ins digitale Zeit-alter zu erleichtern, indem Prozesse in Restaurantbetrieben vereinfacht und verbessert werden.

Albert Meixner, Manager der Herzog Projekt GmbH sieht die Vorteile seiner digitalen Speisekarten, »TabletCard«, unter anderem auch ganz klar in dessen einfacher Bedienung: »Der einmal einzurichtende Online-Account bietet dem Gastronomen Zugang zu einer vorbereiteten Speisekarte, die sich individuell -ergänzen lässt. Das Restaurant-Logo und die Texte, Bilder und Preise der angebotenen Speisen und Getränke, ja sogar Videos, können in eine Maske leicht und übersichtlich eingetragen werden – auch von ungeübten Personen. Erstellung, Änderungen und Ergänzungen lassen sich auf jedem Computer von jedem Ort der Welt aus durchführen.«

Aber es digitalisieren sich nicht nur die Speisekarten. So bietet das burgenländische Restaurant »Das Fritz« mit Hilfe des »TabletCard«-­Systems eine digitale Weinkarte an. »Der Gast kann durch interessante Informationen über die Herkunft der Weine mit stimmungsvollen Bildern und Videos aus dem Weinkeller, den Wein schon förmlich auf der Zunge spüren. Obendrein bietet ›TabletCard‹ das ›Winzer-Kontakt-Modul‹. Damit hat der Gast die Möglichkeit, vom Restaurant aus direkt beim Winzer zu bestellen oder Kontakt aufzunehmen«, erläutert Meixner die Vielfältigkeit von »TabletCard«. 

Die Macht der Bilder

Jürgen Füllgraf, Gründer des Schweizer Unternehmens Visyt sieht die Zukunft der digitalen Speisekarten in der Visualität: »Instagram und Co. zeigen es – die Menschen werden ­visuell am meisten angesprochen und sie entscheiden nach Bildern. Oft wollen Gäste das, was sie bei jemand anderem am Tisch ­gesehen haben. Und umgekehrt werden oft liebevoll zubereitete Speisen nicht bestellt, weil der Gast sich mit dem Namen oder den Zutaten des Gerichts kein Bild vor seinem ­inneren Auge machen kann.«

Mit Hilfe der »Visyt-App« kann der Kunde mit seinem ­eigenen Smartphone via QR-Code auf die ­jeweiligen bebilderten Speisekarten zugreifen. Davon ließ sich auch die Schweizer Unternehmensgruppe Mövenpick überzeugen und arbeitet in seinen Restaurants mit der im letzten Jahr gelaunchten App. Besonders für Gäste auf Reisen bietet die App eine praktische Lösung. »Es gibt zwei Bergrestaurants, die haben ­unseren QR-Code in den Bahnen integriert, welche die Touristen hochbringt. So können die Besucher schon in den Bergbahnen einen Blick auf die Speisekarten ­werfen und sich entscheiden«, erläutert ­Füllgraf die Einsatzmöglichkeiten von ­Visyt. Die Patente für diese Art der QR-Code-Erfassung sind für Europa und die USA bereits angemeldet.

Besondere Herausforderung

Bei Mittagstischen, Konzerten oder Happy Hours kann eine digitale Umstellung besonders sinnvoll sein. Gäste strömen zur gleichen Zeit ins Lokal und wollen auch gleichzeitig bestellen. Grad unter Zeitdruck kann schnell Ärger über zu lange Wartezeiten entstehen. So wollten auch die Gründer der »getsby App« damals eigentlich schon längst wieder im Büro sein, als ihnen die Idee zu ihrem Start-up kam. Matthias Müller, Lukas Wittich und Philipp Mayrl entwickelten daraufhin eine kostenlose App, welche die Speisekarten der Gastropartner direkt aufs Smartphone bringt. Jederzeit abrufbar und bestellbar zu dem persönlich definierten Zeitpunkt.

Bezahlt wird mit der in der App hinterlegten Zahlungsmethode. Das Konzept geht auf, ­inzwischen verzeichnet die App Tausende ­aktive User und über 100 Gastro-Partner in Österreich und Deutschland. Vor allem Restaurants, Take Away-Betriebe, Stadien, Event- und Konzertveranstalter ­profitieren von der »getsby-App«. »Wir ­haben ›getsby‹ in Wien entwickelt und auf den Markt gebracht. Nun weiten wir unser Angebot in Österreich und Deutschland aus. Die Zukunft ist das Mobile-Ordering und die hat auch in Europa längst begonnen. Mit ›getsby‹ sind wir vorne dabei und das Feedback unserer User ist sehr gut«, freut sich Matthias Müller. Auch andere glauben an die Zukunft der App, so wurde sie 2018 zu Austrias Next Top Start-up gewählt und ist Gewinner der #GLAUBANDICH Challenge in der Kate­gorie FinTech.

Haptische Erfahrung

Ein ganz anderes Konzept der digitalen ­Bestellung verfolgen die beiden Münchner Gründer Daniel Pasternak und Igor Suslov mit ihrem »Order Cube«. Mit einem akku­betriebenen Acrylglas-Würfel werden die ­Bestellprozesse in Restaurants und Gastronomiebetrieben vereinfacht. Der Quader wird vom Gast per Touch-Sensor aktiviert. Es gibt die Optionen »Service«, um den Kellner zu rufen, und »Pay«, um zu zahlen. Ein intuitives System, das dem Gastronomen genau anzeigt, wer bereits wie lang auf seinen Service wartet. Praktisches Asset: Die Leuchtvorrichtung dient zusätzlich als Kerzenersatz.

Interessant für Investoren

Das die Start-ups in diesem Bereich auf durchaus großes Interesse stoßen und auch Investoren aus der Gastronomie anlocken, zeigt das Beispiel »Orda App« – die 2017 von Janis Marquardt, Peter Juras und ­Christian Feuerbacher gegründete Bestell-App konnte schon in der ersten Finanzierungsrunde neben etlichen anderen Investoren auch Käfer Feinkost für sich gewinnen. Das ­Konzept: Über die App sollen die ­Gäste im Restaurant ihr Essen vorab bestellen und in Zukunft sogar am passenden Tisch einchecken können, sodass das fertige Gericht an den richtigen Platz kommt – zum persönlich gewünschten Zeitpunkt natürlich.

Maria-Jacoba Geremus
Autor
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