Interview: Im Glas-Imperium
Maximilian Riedel leitet das Tiroler Glasunternehmen in elfter Generation. MAN’S WORLD traf den Firmenchef in Kufstein und erlebte eine abwechslungsreiche Agenda im Business-Alltag des smarten Managers.
Blickt man auf 260 Jahre zurück, hat man einiges zu erzählen. Maximilian Riedel, Chef des Kufsteiner Familienunternehmens Riedel Glas, macht das aber gerne. Der 40-jährige Geschäftsführer des Glasimperiums ist der Elfte einer langen Ahnenreihe an der Unternehmensspitze, und über die Riedelstory, die ihre Anfänge in Böhmen während der Habsburger Monarchie nahm und mit zahlreichen Höhen und Tiefen aufwartet, weiß er Bescheid. Seit nunmehr 60 Jahren hat die Glasdynastie in Kufstein ihre Homebase. Diese Familien- und Firmengeschichte, Entwicklung und Tradition sind auf dem Hüttengelände permanent präsent und werden auch geschickt inszeniert: im kleinen Museum, im Geschenkeshop oder im großen Innenhof des Firmengeländes. Hier wurde zum 250. Unternehmensjubiläum eine riesige Glaspyramide errichtet, unter der seit dem Vorjahr eine nicht minder eindrucksvolle Kugel baumelt, die rundum mit 1500 Weingläsern besetzt ist. Dieser riesige Glasbehang spiegelt sich an der glatten Wasseroberfläche des Brunnens darunter wider. Installation und Spiegelung erinnern dabei entfernt an Makrofotografien von Viren. Ein ungewollter Zufall? Höchstwahrscheinlich. Aber irgendwie passt es auch wieder, denn bei Riedel infiziert man sich mit dem Glasvirus.
Maximilian Riedel kennt das Glasgeschäft jedenfalls aus dem Effeff. Einerseits als vielreisender Businessmann, der seit nunmehr fast 20 Jahren eine gesunde Expansion des Unternehmens, in Übersee und Asien, vorantreibt und mittlerweile die Firmengeschicke leitet. Andererseits aber auch als Kreativkopf und Gestalter, der selbst Gläser und Dekanter entwirft. Grund genug zu fragen, wie denn so ein Arbeitstag üblicherweise abläuft.

6:30 Uhr
»Meine Morgenlaune hängt von meinen Kindern ab. Sind sie gut drauf, bin ich es auch«, gesteht Riedel, der einen zweijährigen Sohn und eine fünf Monate alte Tochter hat. Gefrühstückt wird jedenfalls gemeinsam. Das gibt zusätzlich emotionale Power für den Arbeitstag. Der beginnt bei Maximilian Riedel, wenn er ins Auto steigt und von Kitzbühel, wo er wohnt, nach Kufstein ins Unternehmen fährt. »Die Fahrt dauert gut 40 Minuten, ich telefoniere dabei mit unseren Partnern und Standorten in Asien«, erzählt der Firmenboss. »Auf der Strecke gibt es genau zwei Funklöcher, die mittlerweile alle meine regelmäßigen Gesprächspartner in Asien genauso gut kennen wie ich.«
8:30 Uhr
Riedel startet den Arbeitstag im Büro. Was auffällt: Sein Büro ist überraschend klein. »Hier hat noch nie wer fotografiert«, kommentiert der Glasimpresario trocken. Durchaus ein Fehler, denn das Office hat Persönlichkeit. An der Wand tickt eine Rolex, die noch auf Sommerzeit eingestellt ist. Ein gerahmtes Gruppenfoto der Belegschaft, mit dem zum 40er des Chefs gratuliert wurde, hängt daneben. Auf einem ehrlichen und simplen Eichentisch thront ein iMac. »Die ersten zwei Stunden des Tages bearbeite ich ausschließlich meine Mails, das hat sich als am effizientesten herausgestellt.« Kleiner CEO-Tipp am Rande: »Es ist immer gut, wenn man alles schriftlich festhält.«In Riedels Büro sind kleine Hingucker gut integriert. Thonet-Freischwinger mit Büffelleder, die berühmte Stehlampe »Allizz F. Cooper« von Ingo Maurer, die perfekt zum schwarzen Ledersofa passt. Unübersehbar hängt darüber eine großformatige Fotografie, die den jungen Muhammad Ali, damals noch Cassius Clay, bis zur Hüfte im Meer stehend zeigt. Der Jahrhundertsportler ist ein Vorbild für Riedel: »Er hat nie aufgegeben, wurde dreimal abgeschrieben und ist immer wieder zurückgekommen. Wie er gegen seine Parkinson-Krankheit gekämpft hat, ist nicht weniger beeindruckend«, dampft Riedel die Biografie des Champs zur Punchline ein. Boxt er auch selbst? »Als ich in Amerika lebte, schon, jetzt nicht mehr.« Zudem hat Riedel, der begeisterter Motorsportfan ist, zwei Formel-1-Rennhelme in seinem Büro. Eine Replik von Ayrton Sennas gelbem Rennhelm. Daneben aber ein Original von Landsmann Gerhard Berger. »Der Helm gehörte vorher übrigens Sylvester Stallone«, kommentiert Riedel und verweist auf Widmung und Unterschrift. »For Sly from Gerhard Berger« steht da gut zu lesen. Riedels aktueller Lieblingsfahrer im Formel-1-Zirkus ist übrigens der blutjunge Max Verstappen. »Was ihm an Lebenserfahrung mit seinen 20 Jahren fehlt, macht er mit Talent weg. Talent kann man nicht erarbeiten. Das hat man, oder eben nicht!«, sinniert Riedel.
10:30
Zweimal am Tag schaut Maximilian Riedel in der Glashütte vorbei. Kontrollgang, so könnte man meinen – ist es aber nicht wirklich. »Es wird bei uns in kleinen Teams gearbeitet«, erzählt Riedel, »wenn jemand krank ist oder ausfällt, müssen neue Teams zusammengestellt werden, damit die Arbeit nicht steht.« Zwischen Chef und Belegschaft herrscht ein amikaler Ton, der von Respekt getragen wird – auch bei Qualitätskontrollen. Man kennt sich eben sehr gut und manchmal auch schon ein Leben lang. »Wer bei Riedel arbeitet, bleibt nicht selten bis zum Pensionsantritt«, verweist der Chef nicht ohne Stolz auf Kufsteiner Kontinuitäten. »Als ich zwölf Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal in der Glashütte gearbeitet. Mein Vater erhoffte sich, dass sich meine Schulnoten dadurch verbessern.« Ob die väterliche Intervention griff, erzählt Riedel nicht, für das Know-how in Glasbelangen war es jedenfalls ein guter Grundstein.12:30 Uhr
Zu Mittag geht es dann in den Flagship-Store auf dem Firmengelände. Hier können sich Besucher nicht nur mit Glaswaren und genussaffinen Artikeln der Riedel-Dynastie eindecken. Es gibt auch eine kleine Bar, an der Nespresso-Kaffee, selbstverständlich im eigens dafür kreierten Riedel-Glas, serviert wird. Hier werden auch Weinverkostungen abgehalten. »Mein Mittagessen nehme ich an der Theke ein, und zwar im Stehen«, erzählt Riedel. Das Essen kommt übrigens vom Gasthof vis-à-vis auf der Straßenseite.