© Rafaela Pröll

Falstaff-Tipps: Die besten Weine zu Pizza

Zu Pizza trinkt man Bier – das ist nicht nur in Italien so. Doch Pizza ist längst nicht mehr nur einfaches Fastfood, sondern im besten Fall eine handwerkliche Delikatesse mit erstklassigem Belag. Und so werden inzwischen neben erstklassigem Bier auch Spitzenweine oder gar Cocktails dazu gereicht. Frei von allen Konventionen, einfach «Casual Fine Drinking».

Die Pizza steht wie kaum eine andere Speise für den gastronomischen Geist unserer Zeit. Vermeintlich einfach, kann sie mittels bester Grundzutaten und ebensolchem Handwerk zur wahren Küchenkunst werden. Die Zubereitung einer Pizza Margherita alla Napoletana mit perfekt gegangenem Teig, erstklassiger Tomatensauce, ebensolchem Mozzarella, in einem heißen Ofen innert Sekunden zur Perfektion gebacken, gehört zur ganz großen Schule der italienischen Küche. Wer sich je selber darin versuchte, weiss das. Pizzaioli können Weltmeister werden und einige von ihnen werden gefeiert wie Stars. Während man früher Pizza mit ungesundem Fastfood in Verbindung brachte, gilt sie heute als Handwerkskunst der italienischen Küche. Kein Wunder also, dass sich mittlerweile auch die Getränkekarten in Pizzerien dem Zeitgeist angepasst haben. Besser ist besser – das gilt beim Getränk zur Pizza genauso wie bei jeder anderen Mahlzeit.

Getreu diesem Motto eröffnete Ex-Sterne-Sommelier Sebastian Georgi vor etwa acht Jahren seine erste Pizzeria in Köln. Im «485°»  – der Name bezieht sich auf die ideale Backtemperatur des legendären Pizzastils – kombiniert er hervorragende Pizza im neapolitanischen Stil mit einer umwerfenden Weinkarte. Pizza und Wein, eine unwiderstehliche Kombination, wie sich rasch herausstellte. Sie machte das «485°» schnell zum Kultlokal. Ohne einen Besuch bei Georgi war ein Kölnbesuch für Wein­freaks und Gourmets ab diesem Zeitpunkt nicht mehr komplett. Die Pizzabude – wie Georgi sie selber nennt – wurde zum Anlaufpunkt für Winzer, Sommeliers und Sterneköche und im Jahr 2015 gar für die beste Weinkarte des Landes gekürt – eine Pizzeria! «Wein stand immer im Fokus», erzählt Georgi, der inzwischen ein neues Kapitel aufgeschlagen hat. Das heisst «nineOFive» – die Backtemperatur einer Pizza Napoletana in Fahrenheit –, umfasst fünf Filialen in ganz Deutschland und dreht sich immer noch um kompromisslos gute neapoletanische Pizza und eben­solche, handverlesenen Weine. Eine 600-Euro-Flasche zur Neun-Euro-Pizza? Im «nineOFive» möglich. Grundsätzlich trinkt man in Georgis Läden, was schmeckt und nicht, was perfekt zur Speise harmoniert.

«Ich glaube, dass diese klassische Wein­pairinggeschichte überholt ist. Es geht um die Vorlieben des Gastes. Das, was dieser im Moment trinken will», sagt Georgi. Das ist natürlich auch der Pizza an sich geschuldet, die je nach Belag immer anders ist. Geht man den klassischen Ansatz des Weinpairings, ist die Pizza laut Literatur, weil in der Regel von der Tomate dominiert, sogar äusserst schwierig zu kombinieren. Vor allem mit säuregetriebenen Weinen gilt die Tomate als No-Go. «Aber was trinken die Leute gerne zur Margherita? Lambrusco. Und wenn Lambrusco keine Säure hat, was dann?», sagt Georgi.

Pizza und Champagner

Eine Pizzeria ist das Wiener Weinbistro »MAST« bei Weitem nicht. Dennoch tüftelte das Team des Bistros während des Lockdowns im Frühjahr des letzten Jahres an den Teigfladen und bot sie als Take-away für zu Hause an. Auch Sommelier Steve Breitzke, einer der Inhaber des Lokals, empfindet die Pizza als zu divers für stichhaltiges Weinpairing. Dennoch kristallisierten sich für ihn Weinstile heraus, die seiner Ansicht nach äusserst gut mit Pizza harmonieren. «Champagner und Pet Nat passen dank der Frische, die sie mitbringen, sehr gut zur Pizza», sagt Breitzke. Den in vielen klassischen Pizzerien angebotenen italienischen Brunellos oder Chiantis kann er in der Kombination hingegen nur wenig abgewinnen. Soll es Rotwein sein, muss er für Breitzke ebenso frisch sein, wenig Gerbstoff und wenig Alkohol, aber genügend Säure besitzen. Am liebsten trinkt Breitzke aber Bier zur Pizza, sagt er selbst. Vor allem hefige Varianten, wie das hauseigene Witbier mit Limettenabrieb und grünem Pfeffer, das eigens für das Weinbistro von Brauwerk Wien gebraut wird. Für Breitzke eine perfekte Kombination.

Mit dieser Haltung steht der Sommerlier längst nicht alleine da. In ganz Italien trinkt man Bier zur Pizza, insbesondere auch in der Heimatstadt des Gerichts, in Neapel. Erklärungsansätze dafür gibt es einige. Die Pizzeriabetreiber selbst sagen, dass Bier nun mal perfekt zu einer Pizza passe und es in der Region seit jeher so serviert werde. Andere Stimmen meinen, dass eine Pizza eben kein volles Gericht sei, sondern ein Snack – und darum auch nicht wie alle anderen italienischen Speisen mit Vorliebe von Wein begleitet wird. Das jedoch ist auch nur die halbe Wahrheit. In den 1920er-Jahren wollte die Regierung Mussolinis dem grassierenden Alkoholismus im Land entgegenwirken. Sie erliess ein Gesetz, das den Verkauf von Spirituosen verbot und den Alkoholverkauf allgemein stark einschränkte. Nur noch einem Lokal pro 1000 Einwohnern war es fortan erlaubt, alkoholische Getränke mit mehr als 4,2 Volumenprozent auszuschenken. So wurde das Bier für viele Bars, Trattorien, Tavernen und in Neapel eben auch für die Pizzerien zum wichtigsten alkoholischen Getränk.

Warum Bier zur Pizza?

Filippo Terzaghi, der bis 2016 Generaldirektor des italienischen Bierverbandes Assobirra war, macht die damaligen Entwicklungen für die bis heute als klassisch geltende Kombination verantwortlich. In einem Interview aus dem Jahr 2014 gab er zu Protokoll, dass man in Neapel früher durchaus Wein zur Pizza servierte. Insbesondere den leicht prickelnden, leichten Rotwein Gragnano aus dem Süden der Stadt. Die Bierbrauereien selbst hätten mittels gutem Marketing – Biergläsern, Sonnenschirmen und Aschenbechern – dafür gesorgt, dass die Pizzerien voll auf Bier setzten und bis heute dabei geblieben sind.

Rudi Bindella jr. kennt die Pizzaszene Neapels und auch jene der Schweiz. Sein Großvater eröffnete im Jahr 1965 am Zürcher Limmatplatz das «Santa Lucia» – die erste Holzofenpizzeria der Schweiz, die bis heute existiert. Familie Bindella gehört heute zu den größten privaten Restaurantbetreibern des kleinen Landes. Mit den «Più»-Pizzerien in Bern und Zürich setzt er seit ein paar Jahren auch auf moderne Pizzakonzepte mit Pizza Napoletana und einer großen Weinauswahl. «Wir haben uns für die Konzeption der neuen Lokale genau in Neapel umgeschaut», sagt Rudi Bindella jr. «Dabei haben wir alle Pizzas mit Rang und Namen in Neapel probiert. Eine ernstzunehmende Weinkarte habe ich nirgendwo gesehen, für unsere Pizzerien ­
ist eine solche aber wichtig.» Die Schweizerinnen und Schweizer trinken zur Pizza nämlich ausgesprochen gerne Wein.

Familie Bindella betreibt neben den Restaurants auch einen erfolgreichen Weinhandel – vertreibt legendäre italenische Weine wie Ornellaia oder Sassicaia, die Ferrari-Schaumweine oder die des Weinguts Bruno Giacosa. Auch in ihren Pizzerien finden sich diese auf der Weinkarte. «Eine Pizza kann vielfältig mit Wein begleitet werden», sagt Rudi Bindella. «Wenn man zum Beispiel eine Pizza Bianca ohne Tomatensauce hernimmt, passen auch säurebetonte Weine perfekt – etwa Schaumweine!» In den nächsten Monaten will man mit einem neuen Pizzeriakonzept noch einmal eins drauf setzen. Bindellas planen ein Lokal, in dem neben erstklassigen Pizzen insbesondere Top-Weine auf der Karte stehen werden. Eine High-­End-Pizzeria für Gourmets also – und wer trinkt in einem Gourmetlokal schon gemeines Bier? Eben.


Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2022

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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
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Von Redaktion