Souvignier Gris

Souvignier Gris
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Souvignier Gris: Geburtsurkunde muss neu geschrieben werden

Die beliebte pilzresistente Rebsorte hat andere Eltern, als man bislang dachte.

Rebenzüchtung ist ein aufwändiges und ein langwieriges Geschäft: Von der urspünglichen Kreuzung bis zum Eintrag einer Sorte ins Sortenregister dauert es typischerweise 25 oder 30 Jahre. Dass sich überdies auf den vielen Schritten bis zur Praxisreife die Spuren der Abstammung verwischen können, wurde der Wein-Öffentlichkeit vor etwa 20 Jahren bewusst, als sich Genanalysen dem Müller-Thurgau zuwandten: Bei den Untersuchungen dieser beliebten Züchtung aus dem Jahr 1882 fand man heraus, dass die Sorte nicht Riesling und Silvaner zu Eltern hat, wie man jahrezehntelang angenommen hatte, sondern Riesling und die Gutedel-Spielart Madeleine Royale.

Dasselbe ist nun auch bei einer der beliebtesten Neuzüchtungen aus jüngerer Zeit geschehen: Im Jahr 1983 war die pilzresistente Sorte Souvignier Gris vom Rebenzüchter Norbert Becker am Weinbauinstitut Freiburg gekreuzt worden, in den Büchern wurde sie von Beginn an als Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Bronner geführt. Auch in diesem Fall hat die Genanalyse jetzt die Buchhaltung der Rebenzüchter korrigiert, denn eine aktuelle Untersuchung konnte die Genetik des Souvignier Gris eindeutig den Elternsorten Seyval blanc (Mutter) und Zähringer (Vater) zuordnen.

Eine Erfolgsgeschichte

Ernst Weinmann, der heute in Freiburg für die Resistenzzüchtung zuständig ist und der die Untersuchung am Geilweilerhof in Siebeldingen in Auftrag gegeben hatte, verweist darauf, dass bei Neuzüchtungen trotz grösster Sorgfalt immer Irrtümer möglich seien: «Wir machen pro Jahr etwa 50 Kreuzungskombinationen mit mehreren Tausend Nachkommen, alleine die Menge der Nachkommen bringt eine gewisse Verwechslungsgefahr bei den Sämlingen mit sich. Dazu kommt noch, dass es während der Kreuzungsarbeiten beispielsweise auch zu Fremdbefruchtungen kommen kann.»

Wichtiger als die Genealogie, so Weinmann weiter, sei natürlich, «wie sich die Sorte draussen im Weinberg verhält und welche Weinqualitäten aus den Trauben produziert werden können.» Und hier stellen die Winzer dem Souvignier Gris ein glänzendes Zeugnis aus: Gegen echten und falschen Mehltau zeigt die Züchtung den Erfahrungsberichten zufolge hohe, gegen Botrytis sogar sehr hohe Widerstandskraft. Da die Sorte spät austreibt, ist sie eine Option für frostgefährdete Standorte. Zugleich wird sie aber auch nicht zu spät reif, so dass sie sich auch für kühlere Lagen und (nördliche) Gegenden mit eher kurzer Vegetationsperiode eignet. Nicht zuletzt kann die Sorte für ein breites Spektrum von Weinen eingesetzt werden, von beschwingt-fruchtbetonten Weinen bis hin zu gehaltvoll-stoffigen oder sogar in Maischegärung bereiteten Typen. Kein Wunder, dass die Anbaufläche zuletzt stark gestiegen ist: Zwischen 2019 und 2021 hat sich die Anbaufläche in Deutschland quasi verdoppelt, auf zuletzt 131 Hektar.

Auch für hohe Bewertungen ist die Sorte gut: Im aktuellen Falstaff Weinguide Deutschland gab es beispielsweise 92 Punkte für den 2019er «Prestige Orange» Souvignier Gris Landwein trocken vom Weingut Höfflin aus Bötzingen, 90 Punkte für den 2019er Lindauer Entenberg des Weinguts Lanz aus Nonnenhorn am bayrischen Bodensee, und ebenfalls 90 Punkte für den 2020er vom Weingut Rebhof, ebenfalls aus Nonnenhorn.

Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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