Die Rebberge des Lavaux am Genfersee gehören zu den schönsten Reblandschaften Mitteleuropas. Seit 2007 sind sie anerkannt als UNESCO-Welterbe.

Die Rebberge des Lavaux am Genfersee gehören zu den schönsten Reblandschaften Mitteleuropas. Seit 2007 sind sie anerkannt als UNESCO-Welterbe.
© Lavaux Tourism/Ephoto Dam - Einden

Swiss Wine: Das unentdeckte Weinland Schweiz

Schweizer Weine sind ausserhalb ihres Herkunftslandes nahezu unbekannt. Nicht etwa wegen ihrer Qualität, sondern weil die Eidgenossen sie grösstenteils selbst austrinken. Falstaff nimmt Sie mit auf eine Tour durch das unentdeckte Weinland Schweiz und zeigt Ihnen, was Sie keinesfalls verpassen dürfen.

Schweizer Weine gehören zu den bestgehüteten Geheimnissen der Weinwelt. Dies mag auch an den Eidgenossen selbst liegen, die für ihre Bescheidenheit und Verschwiegenheit bekannt sind und nur ungern im Mittelpunkt stehen. Wie exzellent die Schweizer Weine sind, wird von den meisten Schweizern nicht laut herausposaunt. Vor allem nicht, wenn sie selbst Schöpfer dieser Weine sind.

Die Schweiz ist ein kleines Weinbauland und umfasst rund 15.000 Hektar Rebfläche – bei circa derselben Einwohnerzahl ist diese in Österreich beispielsweise mehr als dreimal so gross. Und trotz dieser vergleichsweise geringen Rebfläche ist das Weinland Schweiz an Diversität kaum zu überbieten. Weinbau wird in allen 26 Schweizer Kantonen betrieben – in den Alpen also genauso wie im Norden, in der Region Bodensee, ganz im Westen am Juramassiv oder in der Zentralschweiz, die auch im eigenen Land eher für hohe Berge und tiefe Seen als für Spitzenweine bekannt ist.

Als Weinbauland unterteilt sich die Schweiz in sechs Regionen, zudem wird auch im angrenzenden Fürstentum Liechtenstein Weinbau betrieben. Schweizer Wein wird zum Grossteil im eigenen Land getrunken, weshalb er ausserhalb der Landesgrenzen meist wenig Renommee geniesst. Junge, innovative Produzenten beginnen das seit einigen Jahren aber zu ändern und bieten ihre Weine auch im Export an. Für Weinliebhaber gibt es in dem kleinen Land also noch unglaublich viel zu entdecken.

Wallis: Das alpine Weintal

Das Wallis ist die grösste Weinbauregion der Schweiz. Mit 4'675 Hektar Anbaufläche stehen hier fast ein Drittel aller Reben des Landes. Die spektakulären, oft in Terrassen angelegten Weinberge erstrecken sich entlang der oberen Rhône. Die Reben profitieren in dem vor rund 20'000 Jahren durch den Rückzug der Gletscher gebildeten Tal von einem besonders trockenen und sonnigen Klima. Durch den im Herbst auftretenden Föhnwind wird zudem der Anbau spätreifender Sorten begünstigt.

Die klimatischen Bedingungen ermöglichen ausserdem den Weinanbau in Höhenlagen, wie etwa in Visperterminen, wo die Weinberge bis auf 1'100 Meter Meereshöhe reichen. Im Wallis dominieren die Traubensorten Pinot Noir und Chasselas – hier Fendant genannt –, wobei gerade die teilweise einzigartigen autochthonen Sorten Weinkenner verzücken. Als Sorte mit grossem Potenzial gilt etwa die weisse Petite Arvine. In besten Lagen bringt diese Weine von grosser Finesse hervor, die sich durch ihre charakteristische Salzigkeit auszeichnen. Petite Arvine ist auch die Grundlage für einige der besten Süssweine des Landes. Doch auch rote, endemische Varietäten wie der Cornalin sind es wert, entdeckt zu werden.

Waadt: Die Heimat des Chasselas

Das Waadtland ist die einzige Schweizer Weinbauregion, die klar von Weisswein dominiert wird. Fast 60 Prozent der 3'782 Hektar Rebfläche sind mit der Traubensorte Chasselas bestockt. Die Traubensorte ist per se eher subtil und spiegelt ihr Terroir wider wie kaum eine andere. Diesem Umstand tragen die Weinbauern des Waadtlandes Rechnung, indem sie ihre Weine gerne mittels der Herkunft und ohne konkrete Traubensorte vermarkten: Yvorne, Féchy oder Dézaley sind nur drei von rund 150 erfassten Chasselas-Produktionsorten.

Die meisten Reblagen im Waadtland befinden sich am Genfersee – mit dem Lavaux befindet sich hier auch eine der schönsten Weinbauregionen der Schweiz, wenn nicht ganz Europas. Nicht umsonst ist sie als UNESCO-Welterbe anerkannt. Der Kanton Waadt umfasst neben dem Lavaux zwischen Lausanne und Montreux vier weitere Anbauregionen: La Côte zwischen Lausanne und Nyon, Chablais zwischen Villeneuve und dem Wallis, Côtes de l’Orbe rund um die Stadt Orbe und Bonvillars zwischen Yverdon und dem Neuenburgersee.

Tessin: Die Sonnenstube

Das Tessin ist die einzige Schweizer Weinregion auf der Alpensüdseite. Neben vielen Sonnenstunden verzeichnet die Region auch rekordverdächtige Niederschlagsmengen, das Klima gilt dennoch als das mediterranste der Schweiz. Vor diesem Hintergrund hat sich die Bordelaiser Sorte Merlot im Tessin stark durchgesetzt – rund 80 Prozent der Rebflächen sind mit ihr bestockt. In besten Jahren und mit entsprechendem Know-how der Produzenten können die Rotweine des Tessins durchaus mit ihren Pendants aus Bordeaux konkurrieren.

Das Tessin wird grob in zwei Unterregionen aufgeteilt: Das Sopraceneri im Norden verfügt über steile Rebterrassen und ist stark von den Alpen geprägt. Im südlichen Sottoceneri hingegen fallen die Parzellen sanfter ab und das Klima ist mediterraner. Im Tessin werden zu 90 Prozent rote Reben kultiviert, jedoch werden diese nicht ausschliesslich zu Rotwein gekeltert. Der Blanc-de-Noir-Stillwein Merlot Bianco ist eine Tessiner Spezialität und erfreut sich grosser Beliebtheit.

Genf: Die Internationale

Die Stadt Genf ist Standort des europäischen Hauptsitzes der Vereinten Nationen, Sitz von rund 100 internationalen Organisationen, von mehreren Hundert NGOs und fast 200 diplomatischen Vertretungen. Ihren internationalen Charakter trägt die Stadt auch über ihre Grenzen hinaus, wo die Weinberge direkt an urbanes Gebiet anschliessen. Die Terroirs von Genf sind äusserst divers – sie sind vom Jura-Gebirge genauso wie von den Voralpen, vom Genfersee und von der Rhône beeinflusst.

Das dürfte ein weiterer Grund dafür sein, dass die Winzer Genfs ihren traditionellen Rebbestand aus Chasselas und Gamay in den letzten 25 Jahren stark ausweiteten. Internationale Traubensorten wie Chardonnay, Sauvignon Blanc oder auch rote Bordeaux-Cuvées werden in Genf erfolgreich produziert und von der kosmopolitischen Kundschaft mit Freude genossen. Ausserhalb der Region ist Genfer Wein noch ein echter Geheimtipp – denn in die Deutschschweiz etwa schaffen es bisher nur wenige Flaschen.

Deutschschweiz: Die Innovative

Ganze 16 Kantone umfasst die Deutschschweiz – entsprechend divers sind die Terroirs und Ausprägungen der Weine in der Region. Flächenmässig ist die Deutschschweiz die grösste Weinregion der Schweiz, produktionsmässig liegt sie jedoch nur an dritter Stelle. Grundsätzlich kann die Region in drei Hauptzonen aufgeteilt werden: den westlichen Teil mit den Hauptanbauzonen in den Kantonen Basel und Aargau, die stark vom Jura-Gebirge beeinflusst ist, den mittleren Teil mit Zürich und Schaffhausen, der von Gewässern wie Rhein und Zürichsee geprägt ist, sowie den östlichen Teil mit Graubünden und St. Gallen, wo alpine Einflüsse vorherrschen.

Den Weinkantonen in der Deutschschweiz gemeinsam ist die Fokussierung auf die Traubensorte Pinot Noir, die hier auch oft als Blauburgunder bezeichnet wird. Bei den weissen Sorten ist der Müller-Thurgau, respektive Riesling-Silvaner, dominierend. Daneben wird eine grosse Zahl neuer und alter Sorten angebaut. Erwähnenswert sind etwa der heimische Räuschling, der vor allem am Zürichsee verbreitet ist, sowie der Completer, den man insbesondere in Graubünden findet.

Drei-Seen-Land: Land der Seen

Wer das Drei-Seen-Land önologisch erkunden möchte, muss dabei Sprach- und Kantonsgrenzen überwinden. Die kleinste offizielle Weinregion der Schweiz umfasst Teile der Kantone Bern, Neuenburg, Freiburg und Waadt auf beiden Seiten des sogenannten Röstigrabens – wie die Sprachgrenze zwischen dem Deutsch sprechenden und Französisch sprechenden Teil des Landes genannt wird. Die grösste Dichte an Weinbergen findet man in der Region jeweils an den Nordwestufern des Bieler-, Murten- und des Neuenburgersees. Hier, an den sonnigen Hängen, reifen die Trauben besonders gut. In der Gegend herrscht ein mildes Klima, was der schützenden Jura-Kette im Westen und den temperaturausgleichenden Gewässern zu verdanken ist.

Etwa die Hälfte der rund 945 Hektar Rebfläche in der Region ist mit Pinot Noir bestockt. Dieser dominiert vor allem am Neuenburgersee mit 55 Prozent. Am Bieler- und Murtensee beherrscht der Chasselas die Landschaft, er macht dort 58 Prozent der Rebfläche aus. Ansonsten gibt es vor allem andere französische weisse Sorten wie Pinot Gris, Chardonnay und Sauvignon Blanc, zudem wird viel mit Pilz-widerstandsfähigen Neuzüchtungen experimentiert.

Liechtenstein: Weinreiches Fürstentum

Das Fürstentum Liechtenstein gehört natürlich nicht zur Schweiz, teilt mir ihr aber neben der Währung auch ein gutes Stück Kultur. Was wenige wissen: Liechtenstein hat eine blühende Weinszene. Die Reben des Fürstentums gedeihen auf renommiertem Terrain nur wenige Kilometer von der legendären Bündner Herrschaft entfernt im Rheintal. Wie in Graubünden profitieren auch die Reben des Fürstentums dank Föhnlage von einem begünstigten Mikroklima.

Knapp 30 Hektar stehen in Liechtenstein unter Reben, angebaut werden insbesondere die Sorten Chardonnay, Pinot Noir, Zweigelt, Weissburgunder, Riesling, Sauvignon Blanc und Merlot. Bewirtschaftet werden diese von einer Vielzahl von Hobbywinzern sowie von vier professionellen Winzerbetrieben: Weingut Castellum, Harry Zech Weinbau Cantina, Weinbau Hoop sowie der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein. Letztere befindet sich im Norden von Vaduz und lotet das Potenzial der Region voll aus. Beispielsweise im Herawingert, dem traditionellsten und bedeutendsten Weinberg des Fürstentums. Er gilt mit seinen vier Hektar zusammenhängender Rebfläche als das Kernstück des Liechtensteiner Weinbaus und zählt zu den besten Lagen im Rheintal.

Erschienen in
Schweiz Special 01/2023

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