© Phillip Laage

Traditionelles Gasthaus in Japan: »Kokuya Ryokan«

Das Kokuya Ryokan ist ein besonderes Hotel: Die Gäste können in verschiedene hauseigene Thermalbäder eintauchen – und damit in die japanische Kultur.

Wohl keine Reise durch Japan wäre komplett ohne die Übernachtung in einem traditionellen landestypischen Gasthaus, dem Ryokan. In diesen oft spartanisch anmutenden Herbergen schläft man auf Futon-Betten am Boden, die auf Tatami-Reismatten aus Reisstroh ausgelegt werden – was sehr viel bequemer ist, als es vielleicht zunächst klingt. Bereits am Eingang schlüpft man in Hausschuhe, um den Dreck von draußen nicht ins Haus zu tragen. Zu einer Wellness-Erfahrung wird der Aufenthalt, wenn das Ryokan über eigene Onsen verfügt: heiße Thermalquellen, wie man sie aufgrund der vulkanischen Aktivität fast überall in Japan findet. 

»Das Kokuya Ryokan in der Präfektur Nagano ist ein ideales Hotel für die erste Onsen-Erfahrung. Wir haben sogar sieben eigene Quellen«, sagt Kosuke Onezawa. Der Japaner führt das Ryokan bereits in der 17. Generation. Die Geburtsstunde des Traditionshauses datiert auf das Jahr 1625, bald feiert man 400-jähriges Bestehen 

In der frühen Edo-Zeit, einer langen Friedensperiode in Japan, in der das Land weitgehend isoliert vom Rest der Welt war, diente das Gebäude noch nicht als Gasthaus. Es war ein Geschäft für Lebensmittel, wie Onezawa erzählt. Doch immer mehr Japaner begannen durch das Land zu reisen, der Handel blühte. So bot man irgendwann Fremdenzimmer an. Internationale Besucher kamen erst ab 1998, als die Winterolympiade in Nagano stattfand. Sie waren sofort begeistert.   

Den Reisestress vergessen

Im charmant verwinkelten Kokuya Ryokan in dem kleinen Ort Shibu Onsen finden 60 Gäste in 18 Zimmern Platz. Ihnen stehen acht Bäder zur Verfügung, die von den Onsen gespeist werden. Manche Becken befinden sich drinnen, andere liegen draußen unter freiem Himmel. Dieses Verhältnis (60 zu 8) sei außergewöhnlich, betont Kosuke. Die besseren Zimmer verfügen zusätzlich über eigene Becken. Das Wasser hat überall rund 40 Grad. Es fließt ohne Pause, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag, aufgeheizt vom Magma unter der japanischen Erde. Langsam steigt man also hinein in dieses Wasser, dessen Mineralstoffe wohltuend für Haut, Muskeln und Gelenke sein sollen – und vergisst sofort den Reisestress. 

© Philipp Laage

Ein weiterer Vorzug des Kokuya liegt darin, dass die zu jeder Tag- und Nachtzeit freundlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Englisch sprechen. Nicht in jedem Ryokan kann man das voraussetzen, erst recht nicht auf dem Land. »Die meisten unserer Besucher haben noch nie zuvor in einem Ryokan übernachtet, also wissen sie zum Beispiel nicht, wie man ein Yukata richtig trägt. Auf Englisch können wir ihnen dabei helfen«, sagt Onezawa. Besagtes Kleidungsstück – eine Robe – könnte man als japanische Variante des Bademantels bezeichnen. Man trägt es, wenn man möchte, in der gesamten Herberge und sogar draußen auf der Straße. Denn Shibu Onsen hat auch neun öffentliche Bäder, getrennt nach Geschlechtern. In dem Ort gibt es viele Ryokan und mehrere Restaurants. Touristen besuchen gerne den nahen Jigokudani Monkey Park, wo man Japan-Makaken beobachten kann. Auch die Affen baden in den heißen Quellen, ungerührt von den fotografierenden Menschen.  

Platz für die ganze Familie

»Die ausländischen Besucher wollen umherlaufen und die traditionelle japanische Lebensweise nachempfinden«, sagt Kosuke. »Einer unserer Gäste hat gesagt: Das hier ist für mich Japan. Wir waren in Kyoto, aber dort sieht man nur Fassaden von etwas Altem.« Man erhalte dort alles für den Tourismus, nur um Geld zu verdienen. »Daran haben wir kein Interesse. Wir leben schließlich auch hier in Shibu Onsen.« 

Im Grunde besteht wenig Anlass, das Kokuya Ryokan überhaupt zu verlassen. Morgens kann man zwischen Western und Japanese Breakfast wählen, abends gibt es ein Dinner mit allerlei japanischen Klassikern: knackiges Tempura, butterweiches Sashimi, köstliches Fisch-Shabu-Shabu, zartes Wagyu-Beef. Die Aufenthalte in den Bädern tagsüber kann man an der Rezeption buchen, zu späterer Stunde stehen sie ohne Reservierung offen. Oder man bucht gleich das größte Zimmer des Hauses, das »Kion«, mit einem privaten Innen- und Außenbecken. Statt auf Futons schläft man hier in großen Betten, es gibt Platz für die ganze Familie. Das Zimmer ist in einem Anbau untergebracht, der während der Corona-Pandemie entstanden ist. Konzipiert wurde es für Gäste, die zwar eine traditionelle Ryokan-Erfahrung suchen – aber auf die Annehmlichkeiten eines klassischen Hotelzimmers nicht verzichten wollen. 


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