© Eva Vasari

Essay: Die Umwelt, das sind wir

Wenn diese Welt lebenswert bleiben soll, müssen wir alle unser Verhalten ändern. Und uns als Teil von dem begreifen, was uns umgibt.

Mal ehrlich: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie »Umwelt« hören? Stellt sich da ein entspanntes Durchatmen ein? Sehen Sie wunderschöne Instagram-Landschaften aus aller Welt vor Ihrem inneren Auge? Plätschernde Bäche, beeindruckende Wasserfälle, hohe Berge und grüne Täler, blitzblau schimmernde Seen, romantische Sonnenuntergänge und exotische Tiere, die neugierig die Umgebung erkunden?

Oder ist Ihre erste Assoziation zu »Umwelt« eher »Katastrophe«? Kommen Ihnen die Horrorbilder in den Sinn, die uns fast täglich erreichen – von Überflutungen und Waldbränden, Dürren und Ernteausfällen? Die Nachrichten über die Abschmelzung der Polkappen, das Ansteigen der Meeresspiegel, über Taifune, Hurrikans, die Gletscherschmelze und Plastik in den Ozeanen und an den Stränden?

Welche Sichtweise hat mehr Sinn? Beide Gedankenschleifen bringen uns dummerweise nicht dahin, das zu tun, was die Welt dringend bräuchte – in eine große, ja, auch mühsame und einschränkende Veränderung. Verbinden wir mit Umwelt Naturschönheit, unternehmen wir nichts, weil wir finden, alles ist wunderbar. Wenn wir aber an Naturkatastrophen denken, verfallen wir in eine Schockstarre und tun ebenso nichts. Wir verzweifeln und fühlen uns machtlos, um alles schnell abzuschütteln und den nächsten Wochenendtrip nach Rom, Barcelona oder London zu buchen. So können wir die Klimakrise und unsere Zukunftsängste erstmal wieder vergessen.

Doch gibt es auch einen Weg, wie dieser unfassbar große Wandel, den es jetzt braucht, gelingen kann? Einen Weg, der unsere Kräfte mobilisiert, damit wir zum einen unser individuelles Verhalten ändern und zum anderen mithelfen, das Wirtschaftssystem umzuformen? Einen Weg, der uns – je nach unseren Möglichkeiten – entweder anpacken und neue Geschäftsmodelle und Gesetze entwickeln lässt oder uns dazu bringt, all das einzufordern? Dafür bräuchte es einen Perspektivwechsel – weg vom Verdrängen, aber auch weg von der Untergangsangst.

Die Umweltpsychologin Anke Blöbaum erklärte 2020 im Podcast »Green Talk«, was wir für den Wandel brauchen: Zunächst müssten wir sensibilisiert werden und ein Problembewusstsein dafür entwickeln, dass der Klimawandel ein für uns alle wichtiges und bedrohliches Thema ist. Doch dann müssten sofort Handlungsalternativen aufgezeigt und die Menschen dabei unterstützt werden, diese im Alltag zu nutzen. Und die Alternativen müssen geschaffen werden, etwa durch den Umbau der Infrastruktur und umweltfreundliche Mobilitätskonzepte. Schließlich bringt das beste persönliche Umweltbewusstsein nichts, wenn wir aufs Auto mit Verbrennungsmotor angewiesen sind, uns die Zugfahrt von Wien nach Berlin weder finanziell noch zeitlich leisten können und deshalb ins Flugzeug steigen oder keinen Zugang zu leistbaren pestizidfreien Lebensmitteln haben.

In Alternativen denken

Wie wichtig es ist, nicht im Problembewusstsein hängen zu bleiben, sondern in Alternativen zu denken, lässt sich aus einem kürzlich erschienenen Artikel im »Spiegel« schließen. Darin wird aufgezeigt, dass bereits in den 1980er-Jahren vielen Experten klar war, dass die Welt durch ihr Verhalten direkt in die Klimakrise steuert. Der Nasa-Mitarbeiter Jim Hanson  sagte 1988 vor dem US-Kongress aus, um darauf hinzuweisen, dass sich die Atmosphäre durch den Treibhauseffekt erwärmt. Noch im selben Jahr wurde die Gründung des unabhängigen Weltklimarats IPCC beschlossen. Das heißt: Das Problembewusstsein war schon vor mehr als 30 Jahren da, nur wurden keine Konsequenzen gezogen. Die Welt ist seither sehenden Auges in ein Umwelt-Desaster gelaufen.

Vielleicht ist es aber noch nicht zu spät, jetzt den Kurs zu ändern. Ehrlicherweise bleibt uns auch nichts anderes übrig, als daran zu glauben. Alles andere wäre Resignation. Das Schöne ist: Wer in Alternativen denkt, richtet die eigene Energie nicht mehr auf das Unerwünschte, sondern auf das Ziel. Und es gibt immer mehr solcher Alternativdenker, die erkennen, dass auch ihr Beitrag etwas bewirkt. Sie denken in Utopien, aber übersehen nicht, dass dem Denken ein Handeln folgen muss – und dass sie das Große nur erreichen werden, wenn sie mit einem ersten kleinen Schritt beginnen und dann den nächsten und den nächsten setzen. Was sie motiviert: Sie sehen sich nicht abgetrennt von der Umwelt, sondern als Teil davon. Sie wissen: Die Umwelt, das sind wir. Und wenn wir uns ändern, ändert auch sie sich.


Motivation
Es braucht ein Problembewusstsein dafür, dass uns der Klimawandel alle betrifft. Zugleich ist es aber wichtig, Handlungsalternativen aufzuzeigen.

Aufbruch
Um das Große zu erreichen, müssen wir mit einem ersten kleinen Schritt beginnen und dann den nächsten und den nächsten setzen.

Erschienen in
Falstaff Future 2021

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Alexandra Rotter
Autor
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