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Heilemann: «Wir sind nicht hier, um andere zu kopieren oder jemand anderes zu sein»

Bei den «Regional Finals Western Europe» des S. Pellegrino Young Chef Academy Competition 2022-23 in Brüssel, traf Falstaff Spitzenkoch Stefan Heilemann. Das Jurymitglied des Wettbewerbs sprach mit uns über das Entwickeln der eigenen Handschrift, die Bedeutung von Vertrauen und weshalb er kein Freund von Top-Listen ist.

Falstaff: Herr Heilemann, bei der S. Pellegrino Young Chef Academy Competition haben Sie viele junge Kochtalente miterlebt. Wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihre eigene Handschrift als Spitzenkoch entwickelten? 

Stefan Heilemann: Das geht schon eine Weile. Man ist als Koch sein Leben lang von den Köchen geprägt, für die man gearbeitet hat. Auch wenn man meint, dass man mega kreativ ist, sind es die Stationen, die einen stetig unterbewusst begleiten. Wenn man dann die erste Stelle als Küchenchef antritt, gibt es verschiedene Säulen, auf denen alles aufbaut. Bei mir selbst sind es drei Säulen. Eine Säule Harald Wohlfahrt, eine Säule Rolf Fliegauf und eine Säule Heilemann. Alles, was ich in die Säule Heilemann rein packe, muss ich aus den Säulen Fliegauf und Wohlfahrt rausnehmen, es durch mein Hirn lassen und alles hinterfragen. Irgendwann ist die Säule Heilemann dann so gross, dass sie über den beiden anderen steht. Das braucht einfach Zeit.

Es muss ein schönes Gefühl sein, zu wissen, dass auch die Köche, die bei Ihnen arbeiten, die Säule Heilemann mitnehmen werden.

Ja, sicher. Alle meine Jungs nehmen die Säule Heilemann mit, müssen sie hinterfragen und ihre eigene Säule daraus entwickeln.

Wohin entwickelt sich die Säule Heilemann denn aktuell?

Meine Küche ist schwer einzuordnen, denn ich mache einfach, was mir Spass macht. Was ich gemerkt habe, ist, dass es keinen Sinn macht, sich zu vergleichen, sondern einfach das zu tun, was man gerne macht. Ich koche nur Sachen, die ich selbst gerne essen würde und schlüpfe deshalb immer wieder gedanklich in die Rolle des Gasts: Was würde ich gerne essen, wenn ich in meinem Restaurant zu Besuch wäre? Diese Frage ist essenziell für alles, was ich tue.

Braucht es hierfür Mut?

Vor allem braucht es Zeit, um die Sicherheit zu bekommen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Die ersten Sterne, 97 Punkte bei Falstaff, all das sind Indikatoren, dass man auf dem richtigen Weg ist. Es ist das eine, ein handwerklich guter Koch zu sein, Handwerk alleine reicht aber nicht aus. Es braucht ausserdem Kreativität, denn handwerklich perfekte Gerichte können durchaus langweilig sein. Man muss beides entwickeln, um die Gäste an sich zu binden. Sie müssen dir als Koch vertrauen und auch Dinge probieren, die sie normalerweise nicht essen würden, weil sie wissen, dass der Heilemann sie so zubereitet, dass es ihnen schmeckt.

Vertrauen ist also ein entscheidender Faktor.

Ja, das Vertrauen zwischen Koch, Küche, Service und Gast ist entscheidend. Erst dann kann man wirklich erfolgreich sein. Wenn jeder sich als Teil des grossen Ganzen sieht – bis hin zum Spüler. Die Menschen müssen nachvollziehen können, weshalb manche Dinge wichtig sind und dass sie selbst wichtig sind.

Was sind die letzten Stellschrauben, um noch besser zu werden, wenn man auf Ihrem Niveau angekommen ist?

Ich denke, es geht darum, weiter an der eigenen Handschrift zu arbeiten. Wir haben direkt nach der Eröffnung des «Ecco» zwei Sterne bekommen. Damals war alles noch viel «Ecco» und Fliegauf. Mittlerweile gibt es aber eine Heilemann-Küche, die unverkennbar ist. Von den Gästen bekomme ich das Feedback, dass sie meine Gerichte alleine rein visuell unter Hunderten anderen erkennen würden. Man muss sich selbst finden. Wir sind nicht hier, um andere zu kopieren oder jemand anderes zu sein. Sondern wir sind auf der Welt, um uns selbst zu finden und das zu tun, woran wir Spass haben. Jeder ist individuell und man kann nicht jeden in dasselbe System pressen. Aus diesem Grund bin ich auch kein grosser Freund von Top-Listen. Wer ist denn schon der Beste? Jeder ist doch unterschiedlich und hat seine Stärken und Schwächen.

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