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Four-Hands-Dinner im Es:senz am Chiemsee: Wo Kochen eine Kunst ist

Zum siebten Mal organisierte vergangene Woche zwei Sterne Koch Edip Sigl das Four-Hands Dinner, diesmal zu Gast war Benjamin Chmura aus dem »Tantris«. Was die beiden zusammen mit ihren Teams ablieferten, das darf zweifellos als Kunst gelten.

Man betritt das »Es:senz« in Grassau am Chiemsee und schon wird man ruhiger, als betrete man eine Kapelle, einen andächtigen Ort. Das mag an den niedrigen, holzvertäfelten Decken liegen oder an dem Ehrfurcht gebietenden drei Tonnen Mamormonolith, der das Zentrum des Gastraums bildet. So oder so: Der Geist, den Edip Sigl hier beschwört, steckt in jedem Detail. Es ist der Geist der Reduktion auf's Wesentliche, auf die Essenz eben.

Hier findet heute zum siebten Mal das Four-Hands-Dinner statt, in dem Sigel sich Köche einlädt, die er bewundert und zu denen er eine persönliche Beziehung pflegt. Bei der ersten Veranstaltung gastierte etwa Juan Amador, bei dem Sigl sechs Jahre lang in der Küche stand. An diesem Abend beehrt Benjamin Chmura mit seinem Team aus dem »Tantris« das Chiemgau. Denn um die Gegend geht es ihm nicht nur mit seiner Küche, die den Geschmack des Landes rund um den Chiemsee transportiert, sondern er möchte mit dem Four-Hands-Dinnern auch etwas bieten, was es so in der Region noch nicht gab. »Wir bieten den Gästen etwas besonders, das ist etwas Einmaliges, jedes Menü wird nur an einem Abend so gekocht«, sagt er.

Die Herausforderung eines solchen Dinners ist es, die Stile der beiden teilnehmenden Köche so zu vermählen, dass ein harmonisches Ergebnis entsteht. »Das funktioniert bisher immer reibungslos«, sagt Sigl. Und zwar deshalb, weil er seine Gäste bitte, ihm ein paar Gänge vorzuschlagen, an die er sich dann anpasst. Dabei sei die Komposition wichtig. Man könne auf einen kraftvollen Gang nicht einen zu ausbalancierten Gang schicken.

Handwerk und Emotionen

Der Abend beginnt mit einer Flut an Aperos, sodass man sich fragt, wie man sich von hier aus über den Abend noch steigern will. Da ist »Die Wolke«, ein Signature-Dish von Edip Sigl, auf einem Grissini schwebt eine Wolke aus Schaum, Essig, Wurzelspeck und Brotkrumen, von der man durchaus annehmen darf, dass es die sprichwörtliche »Wolke 7« ist.  Oder die »Cannelé« aus Taschenkrebs und Curry von Benjamin Chmura, die schon alle Elemente enthält, die man sich von ihm erhofft: klassisch französisches Handwerk, aber ohne jede Strenge, dafür mit vielen Emotionen.

Und diese Emotionalität, die sich durch den ganzen Abend hält, wird auch getragen durch die Serviceteams von »Es:senz« und »Tantris«, die weit gehen in ihrem Engagement, sie schieben etwa den Stuhl zurecht, wenn man sich setzt, schaffen es aber, das ganz ungezwungen aussehen lassen. Ganz so als täten sie einem gerne diesen Gefallen. Und dann nimmt man ihn auch gerne an.

Nach sieben Aperos und zwei Amuse Bouches hat man fast schon das Gefühl, man habe alle Emotionen gespürt, zu denen der Mensch fähig ist. Aber dann geht es erst richtig los: neun Gänge. Und tatsächlich hat man nicht das Gefühl, überfordert zu werden. Jeder Gang schafft es, Faszination zu wecken: für's Handwerk einerseits, aber natürlich auch für die Geschmackswelten, die sich darin verbergen. Besonders hervorzuheben ist der Sepia von Benjamin Chmura. Säure füllt den ganzen Mund, die Süße vom Sepia tut kurz so, als wollte sie das Geschmackserlebnis abbremsen, macht es aber nur voller. Schließt man die Augen, kann man das Meeresrauschen hören. Direkt darauf folgt ein Kalbsbries von Edip Sigl, der mit einer ähnlichen Intensität für sich wirbt. Weißer Pfeffer, ein frisches Salatherz, Speck und Sonnenblumenkerne. Nur der würdevolle Gang der Kellner hält einen davon ab, sich vorzulehnen und den Teller auszuschlecken.

Nach den neun Gängen stellt sich ein Gefühl ein, wie man es manchmal hat, wenn man einen Tag im Museum verbracht hat. Man hat so viel gesehen, dass man für den Moment gar nicht weiß, was genau es ist, das man mitnimmt. Sicher ist nur: Es wird bleiben.


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