Die Crayères, uralte tiefe Kreidekeller unter der Stadt Reims, bieten ein optimales Klima für das Reifen der edlen Schaumweine der Champagne.

Die Crayères, uralte tiefe Kreidekeller unter der Stadt Reims, bieten ein optimales Klima für das Reifen der edlen Schaumweine der Champagne.
© Ruinart

Blanc de Blancs: Champagner für Puristen

Reinsortig angelegte Champagner stellen eine Minderheit in der weltbesten Schaumweinherkunft der Welt dar. Und doch geht von ihnen eine spezielle Faszination aus. Die Côte des Blancs spielt hierbei eine besondere Rolle. Eine Verneigung vor einem der besten Chardonnay-Terroirs der Welt.

Erzeugt wird »Blanc de Blancs« wohl schon seit den Anfängen der Champagnerproduktion, explizit taucht dieser Begriff aber erst in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf. Es ist der Winzer Eugène-Aimé Salon aus Le Mesnil-de-Oger, der sein Produkt als den »Weißen aus den Weißen« auf der Etikette bezeichnet. Vor allem in den Pariser Nachtclubs feiert dieser Champagner seine Erfolge; kein Wunder, dass diese Idee in den letzten hundert Jahren reichlich Nachahmer gefunden hat. Der Begriff Blanc de Blancs bezeichnet in der Champagne ein Produkt, das ausschließlich aus weißen Traubensorten hergestellt wurde, Pinot Noir oder Pinot Meslier sind von der Herstellung ausgeschlossen. Der aus diesen roten Sorten gewonnene weiße Champagner wird als »Blanc de Noirs« bezeichnet. Bis zum Jahr 1980 durften für einen Blanc de Blancs alle für Champagner zulässige weißen Sorten verwendet werden, seither ist als einzige die Chardonnay-Traube vorgesehen. 

Es gibt denn heute auch nur mehr einige wenige Champagner, bei denen der Chardonnay mit Basisweinen aus anderen weißen Sorten vermählt wird. Diese sind zwar Blanc de Blancs, dürfen als solche aber nicht gekennzeichnet werden. So etwa im Falle der Cuvée Quattuor (IV) von Drappier in Urville, wo ein Viertel Chardonnay mit je einem Viertel Arbanne, Blanc Vrai und Petit Meslier einen Brut-Champagner ergibt, den das Haus augenzwinkernd als «Blanc de Quatre Blancs» etikettiert. Selbstverständlich ist es auch heute nicht verboten, reinsortige Champagner aus den anderen zulässigen Weißweinsorten herzustellen. Wie etwa Champagne Pierre Trichets »Cuvée 1333« oder ­Champagne Michel Furdynas »La Romane« aus je 100 Prozent Pinot Blanc. Nur ein winziger Anteil (0,3 % oder 90 ha) der Champagner-Rebfläche entfällt auf die weißen Raritäten, man findet sie am ehesten im Süden in der Côte des Bar. Vier Hektar Petit Meslier (wie den ultrararen Duval-Leroy Précieuses Parcelles Petit Meslier), und je drei Hektar Arbanne und Pinot Gris lassen erahnen, wie gering die Chancen stehen, diesen weißen Trauben reinsortig zu begegnen. Arbanne zu 100 Prozent gibt es noch bei Noel Leblond-Lenoir in Buxeuil, sehr empfehlenswert, allerdings wegen der Rarität auch kostspielig ist die Cuvée BAM! von Champagne Tarlant aus 50 Prozent Petit Meslier, 25 Prozent Pinot Blanc und 25 Prozent Arbanne.

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Ein Königreich für den Weisswein

Das Königreich des Chardonnays heißt Côte des Blancs und liegt im Süden von Epernay und dem Marnetal in einer Nord-Süd-Achse. Klarerweise stehen bei den hier ansässigen Produzenten die Chancen am besten, einen erstklassigen Blanc de Blancs serviert zu bekommen. Die wichtigsten Orte sind hier Avize, Chouilly, Cramant, Cuis, Le Mesnil-sur-Oger, Oger und Vertus, zur Region gehört auch noch Montgueux und das Val du Petit Morin mit den Ortschaften Congy und Talus-Saint-Prix. Dazu kommen einige berühmte Champagnerhäuser, die ihren Sitz in Reims oder Epernay haben, aber in der Côte des Blancs entweder eigene Weingärten besitzen oder von dort Trauben kaufen. Längst gehört ein Blanc de Blancs zum Standardsortiment größerer Anbieter, auch solcher, die in lupenreinen Pinot-Noir-Zonen angesiedelt sind. Bei einem gutem Blanc de Blancs muss man als Konsument von einem etwas höhe-ren Preis ausgehen, als dies bei Champagner aus Pinot Noir und Meunier der Fall ist. Die Grundpreise für Trauben sind höher, die Verfügbarkeit von Grands und Premiers Crus überschaubar. Die für den Chardonnay idealen Böden aus Kalkstein und Kreide sind in der Champagne begrenzt vorhanden, aber genau diese Terroirs bilden die Grundlage für den perfekten Blanc de Blancs.

Wichtigstes Erkennungsmerkmal eines Blanc-de-Blancs-Champagners ist seine Mineralität, die sowohl im Duft wie am Gaumen und im Abgang nachvollziehbar wird. Verantwortlich ist das Kalk-Kreide-Terroir, auf dem die Chardonnay-Trauben gewachsen sind. In der Nase werden zahlreiche Nuancen angeboten – Stein, Graphit, Kreide, Feuerstein, Austern, Muschelschalen –, am Gaumen zeigt sich dann das Spiel aus Säure und salzigen Komponenten. Straff und zitronig wird der Abgang empfunden, mit zunehmendem Alter stellt sich eine Cremigkeit in der Textur ein, die Weine werden samtiger. Aber auch florale Nuancen sind für Blanc de Blancs typisch, weiße Blüten dominieren, man erkennt Weißdorn, Geißblatt, Linde, Akazie, Jasmin oder Orangenblüte. Das fruchtige Spektrum umfasst Zitrusfrüchte (Grapefruit, Zitrone) und exotische Früchte wie Litschi, Mango und Ananas, aber auch die für Chardonnay typischen Äpfel und Birnen. Ein Hauch von Gewürzen wie Anis und Ingwer kann sich einstellen oder sogar Menthol und Zitronenmelisse. Wenn die Blanc de Blancs älter werden, verstärken sich Noten von Trockenfrüchten, Haselnuss, Mandel, reifem gelbem Apfel, Honig oder Wachs. Eine prolongierte Reife auf der Hefe evoziert Noten von süßem Hefegebäck, frischer Butter, Biskuitteig oder geröstetem Weißbrot.

Inbegriff von Finesse und Frische

Die Produzenten der Côte des Blancs erzeugen die berühmtesten und mit auch besten Blanc de Blancs – das ist unbestritten. Vorreiter Eugène-Aimé Salon benutzte den Begriff erstmals im Jahr 1905 und erschuf damit eine Legende, die bis heute ihre Gültigkeit hat. Der Champagner »Salon Cuvée S Le Mesnil Grand Cru« ist bis heute das einzige Produkt der nach ihm benannten Marke und wird nur in besten Jahren erzeugt. Unter Kennern gilt der Wein als Inbegriff von Finesse und Frische, wie sie nur die besten Terroirs der Côte des Blancs möglich machen. Die ersten Jahrgänge waren 1905, 1909, 1911 und 1914, bestehend aus purem Chardonnay von Le Mesnil. Bis zum Zweiten Weltkrieg war dies der einzige reinsortige Champagner überhaupt. Aktueller Jahrgang ist 2013, der vierundvierzigste in der einer Reihe von Ikonen. Rund 60.000 Flaschen werden erzeugt, der Preis ist ebenso vierstellig wie der seiner beiden Konkurrenten im absoluten Spitzenfeld. In unmittelbarer Nachbarschaft konnte die Familie Krug aus Reims um 1970 die 1,8 Hektar große ummauerte Monopollage Clos du Mesnil erwerben, 1979 präsentierte Krug seinen ersten Lagen-Vintage-Champagner, den »Blanc de Blancs Clos du Mesnil 1979«. Dieser gilt seither nicht nur unter Krug-Liebhabern als einer der besten Champagner überhaupt. Stilistisch unterscheidet sich dieser Wein durch den Holzeinsatz beim Grundwein recht deutlich von Salon, teilt aber dessen Frische, Energie und (Preis-)Klasse bei einem Zehntel der Menge. Ursprünglich den Prinzipien der Biodynamie zugewandt, entwickelte sich Anselme Selosse aus Avize Schritt für Schritt zum Übervater des Winzerchampagners. Heute erzeugt er gemeinsam mit seinem Sohn Weine mit minimalinvasiven Methoden in Weingarten und Keller und pflegt in der Vinifikation einen burgundischen Ansatz, was zu einem eigenständigen, tiefgründigen Geschmacksbild führt. Sein »Blanc de Blancs Grand Substance« ist ein perfektes Beispiel dieses Zugangs, der Blanc de Blancs Jahrgang 2008 ist der aktuell teuerste Wein dieser Gruppe, er ist nicht zuletzt dank 100 Parker-Punkten kaum unter 4.000 Euro zu haben.

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Andere Blanc-de-Blancs-Spitzenweine sind jene von Agrapart & Fils aus Avize, etwa die Cuvées »Minéral« und »Vénus«, De Sousa, ebenfalls aus Avize, mit der »Cuvée de Caudalies« oder A. R. Lenoble in Chouilly mit »Les Aventures« oder dem »Chouilly Grand Cru«. Smarte Konsumenten kaufen bei Delamotte ein, deren Blanc de Blancs mit und ohne Jahrgang ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis bieten, ebenso wie die Palette von Pierre Gimonnet & Fils aus Cuis: Hier bietet der »Spécial Club Grand Terroirs de Chardonnay Extra Brut« großes Kino. Zu den Newcomern im Bereich Blanc de Blancs zählen Aurélien Suenen in Cramant (»Les Robarts Cramant«), Dhondt-Grellet mit »Les Coullemets Le Mesnil« und Pasqual Doquet aus Vertus (»Coeur de Terroir«). Abschließend sei angemerkt, dass viele der großen Blanc de Blancs, die von Häusern stammen, die außerhalb der Côte des Blancs ihren Sitz haben, oftmals zur Gänze oder zumindest zum größten Teil aus Trauben gemacht sind, die von hier stammen. So etwa der tolle Blanc de Blancs von Ayala, der »Louis Salmon« von Billecart-Salmon, der »Blanc de Millénaires« von Charles Heidsieck, »La Vigne aux Gamins« von Alain Thienot oder auch »Comtes de Champagne« von Taittinger. Sie alle bauen zu 100 Prozent aus Trauben aus der Côte des Blancs. Zu je 90 Prozent aus der Region kommen die legendären Blanc-de-Blancs-Champagner »Amour de Deutz« und »Dom Ruinart«. Die Côte des Blancs ist und bleibt einzigartig. Sie ist das einzige Terroir dieses Teils der großen Champagne, das diese Vielzahl an superlativen »weißen« Champagnern ermöglicht, unverwechselbare Weine, die zu Recht weltweit geschätzt sind.


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Erschienen in
Sparkling Special 2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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